Re: Filmbewertungsthread

#1709159  | PERMALINK

MrPsycho

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Captain America 3 – Civil War

Achtung – kann Spuren von Spoilern enthalten! Nach Deadpool Anfang dieses Jahres war Captain America 3 – Civil War meine nunmehr zweite „große“ Superhelden-Hoffnung. Während schon Antman und Guardians Of The Galaxy eindrucksvoll bewiesen, wie humorvoll und innovativ Marvel auch mal sein kann, so enttäuscht war ich vom dritten Ableger der Captain America-Reihe.
Was wurde im Vorfeld alles über diesen Film berichtet, bereits abgefeiert, ja schon mehr als in den Himmel gelobt. Captain America 3 ist wohl bereits jetzt mein Film des Jahres in Bezug auf die Tatsache, dass solch immense Vorschusslorbeeren selten gerechtfertigt sind und man den Tag nicht vor dem Abend loben sollte – bzw. eben den Film, nur weil Marvel draufsteht.
Aber alles der Reihe nach: Gut gelungen und wirklich mitreißend sind natürlich wieder die Action- und Kampfszenen – der Fight zwischen „Team Captain America“ und „Team Iron Man“ auf dem Flugplatz wird dem geneigten Zuseher wohl noch länger in Erinnerung bleiben, so gut inszeniert ist dieser. Insbesondere das Zusammenspiel der Superkräfte der einzelnen Helden lässt einen vergnügt mit der Zunge schnalzen. Und auch Robert Downey Jr. alias Iron Man tut dem dritten Ableger des ewig griesgrämigen Captain America sichtlich gut, immerhin dauert der Film ganze 148 Minuten und will durchaus mal etwas gelockert werden.
Aber bereits diese Vorzüge des Films werfen einen großen Schatten. Warum? Weil der oben erwähnte Fight der einzige (!) innerhalb der 148 Minuten ist, bei dem alle Helden mitmischen dürfen – und das ganze Spektakel dauert gerade mal ca. 15 Minuten. Und auch sonst fällt der Film – was Actionszenen angeht – sehr zahm aus, in der ersten Hälfte passiert gar so wenig, dass man durch die dunklen Gläser der 3D-Brille direkt zum Einschlafen verführt wird. Dafür, dass auf einschlägigen Kinoplakaten mit „whose side are you on?“ und mordsmäßiger Tag-Team-Action geworben wird, ist das ein Witz. Vor allem Spiderman und Antman werden dermaßen auf Teufel komm raus in die Hauptstory hineingezerrt, dass es geradezu lächerlich wirkt – denn einen wirklichen Sinn haben die beiden im Film nicht.
Jaja, die Story. Erwartet man von Comicverfilmungen ja sowieso keine bahnbrechenden Meisterleistungen, was das Drehbuch angeht, unterbietet Captain America 3 diese Erwartungen doch direkt noch um eine Stufe. Der Konflikt zwischen den beiden „Hauptavengers“ wirkt stets wie an den Haaren herbeigezogen und nur als Legitimation für die (wenigen) Fights der Superhelden, und nicht mal bei diesen schöpft man in quantitativer Hinsicht das volle Potential aus. Als würde das nicht reichen, bekommt man am Ende einen „gewandelten“ Captain America präsentiert, der gelobt, Iron Man „wieder stets zur Seite zur stehen, wenn er ihn braucht“. Vielleicht riecht man schon, woher der Wind weht – ja, was ist denn nun in diesen ganzen 148 Minuten storytechnisch in Bezug auf die Avengers eigentlich passiert? Ja genau, nichts! Man verlässt den Film genauso, wie man ihn betreten hat – nicht einmal ein Opfer aufseiten der Avengers gibt es zu betrauern, ist doch James Rhodes bzw. War Machine „nur“ querschnittsgelähmt. Nicht einmal hier hat Marvel Eier gezeigt und dem Film Ecken und Kanten verpasst.
Fazit: Marvel will alles, lässt aber einiges Potential auf der Strecke liegen und liefert storytechnisch sogar nur unterdurchschnittliche Ware ab. Captain America 3 – Civil War hätte so toll werden können, rausgekommen ist nun leider wirklich der endgültige Beweis dafür, dass Marvel der Ansicht ist, dem Publikum alles verkaufen zu können, solange nur die Namen passen. Punkte gibt es lediglich für besagten Flughafen-Fight, dem Iron Man-Bonus und Scarlet Witch (die für mich ja sowieso eine der tollsten Avengers überhaupt ist), ansonsten: Ein Satz mit X, das war wohl nix.

3,5/10