Re: Jahressampler 2013 – Die Reviews

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InFiction

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Jahressampler von Sanctus

Ich muss gestehen, Sanctus noch nicht bewusst wahrgenommen zu haben und wage mich daher auch völlig ahnungslos an seinen Sampler, der mit Interpreten gespickt ist, die mir mit Ausnahme von Chelsea Wolfe völlig unbekannt sind. Da wird mit Sicherheit die ein oder andere Überraschung dabei sein, ich bin gespannt.

Teil 1

01. Angizia – Zügellos

Eigentlich hätten bereits beim deutschen Titel alle Alarmglocken läuten müssen. Aber gut, man will ja ohne Vorurteile an Neues herantreten. Noch ein kurzer Blick auf das Artwork des bereits siebten (!) Albums der Österreicher von ANGIZIA und schon nach wenigen Sekunden ist klar: das werden verdammt lange sechs Minuten und Angizia und ich definitiv keine Freunde. Ich möchte mich an dieser Stelle bereits entschuldigen, dass ich hierzu rein gar nichts positives schreiben kann, aber – bis jetzt – ist das wohl mein persönlicher musikalischer Tiefpunkt des Jahres.

Musikalisch absolut belanglos, miserabel produziert, eine weibliche Stimme dievon Intonation so viel Ahnung hat wie Ursula von der Leyen von ihrem neuen Ministerposten und obendrein lyrische Ergüsse, die selbst präpubertäre Rebellen vor Scham erröten lassen. Dass man diesen Murks dann zu allem Überfluss auch noch dermaßen künstlich in die Länge zieht setzt dem ganzen die Krone auf.

Das kann ja heiter werden…

0/10

02. Ewigheim – Die Augen zu

Erneut eine mit lediglich vom Namen herbekannte Band und ein Song mit deutschem Titel, ich befürchteSchlimmes.

Ein kurzes elektronisches Intro, danach könnten instrumental auch durchaus Rammstein am Werk sein. Schön artig wird die klassische Strophe-Refrain-Strophe-Struktur eingehalten und obendrein ein Mitsing-Refrain geliefert, so dass der geneigte Hörer direkt beim ersten Kontakt inbrünstig zum Mitsingen animiert werden kann. Viel mehr lässt sich hierzu leider nicht schreiben, denn es passiert schlicht nichts Erwähnenswertes. Dafür ist das Ganze nach knapp vier Minuten vorbei und hat auch gar nicht mal so sehr weh getan wie befürchtet. Zwischendurch musste ich dem netten Herrn am Mikrofon sogar zustimmend zunicken, das ist doch auch mal was: „Komm mach mir die Augen zu auch wenn ich weine“.

2/10

03. Spiritual Front – No Forgiveness

Über minimalistischem und zugleich schwülstigen Klavier-Intro verkündet mir eine männliche Stimme“You want me as a man, you want me as a girl“. Bitte was? Da scheint jemand ernsthafte Probleme zu haben.

Musikalisch ist das Stück am ehesten in der Klassik zu verorten und bietet neben besagtem Klavier noch diverse Streichinstrumente, die ein oder andere ganz nette Melodie und zum ersten Mal so etwas wie Atmosphäre. Die Arrangements sind ganz nett, insgesamt aber doch eher spannungsarm. Das vermag auch der nette Herr am Mikrofon mit seinem all zu künstlichen Pathos nicht zu ändern. Spricht mich zwar erneut nicht an, kann man aber durchaus hören. Ich erkenne einen leichten Aufwärtstrend. :haha:

3/10

04. Satan – Another Universe

Na also, es geht doch! Mit einer ordentlichen progressiven Schlagseite und einigen richtig starken Riffs im Gepäck kommen SATAN im schicken Retro-Gewand daher. Abwechslung wird hier groß geschrieben und so reiht sich Riff anRiff, Melodie an Melodie und alles hangelt sich schön an einem erkennbaren roten Faden entlang. Die horrende Wertung von 14/15 meines geschätzten Kollegen auf musikreviews.de erscheint mir zwar etwas überzogen, aber vielleicht musste auch dieser zuvor die Songs von ANGIZIA und Co ertragen und war aufgrund des extremen Kontrasts etwas überschwänglich gestimmt. Man könnte es ihm kaum verübeln. Ich für meinen Teil werde mir diesen Namen auf jeden Fall merken und bei Gelegenheit der Band auf Albumlänge eine Chance geben.

7/10

Teil 2

05. Chelsea Wolfe – We Hit A Wall

Frau Wolfe durfte ich dieses Jahrbereits im Vorprogramm zu Russian Circles live erleben und war im Großen und Ganzen durchaus angetan. Repetitive Motive und minimalistische Arrangements formen ein solides Fundament, darüber thront Frau Wolfes charismatische Stimme. Bereits bei besagtem Konzert war „We Hit A Wall“ eines der klaren Highlights undso macht der Song auch in der Studiofassung einiges her. Eindringliche, eher introvertiert geprägte Melancholie kombiniert mit einer Eingängigkeit, die den Song schnell zum dauerhaften Ohrwurm werden lässt. Selbstverständlich habe ich via Bandcampauch direkt das Album angetestet, was allerdings einen eher durchwachsenen Eindruck hinterlassen hat. Das schmälert natürlich nicht die Qualität dieses Songs, daher vorläufig die die höchste Punktzahl.

8/10

06. Wooden Shjips – These Shadows

Großartiges Cover! Ob die Musik da mithalten kann?

Ein großartiger Gitarrensound, dazu vielschichtige Arrangements und eine ganzen Wagenladung Retro-Charme. Der Sampler entwickelt sich extrem positiv. Im Hintergrund tummeln sich dezente Synthies, akustische Gitarren ergänzen den satten Röhren-Sound der Rhythmus-Gitarre und obendrein gibt es immer wieder feine Leads und Melodien, während sich der Song stetig nach vorne bewegt und entwickelt. Das Artwork hat es ja schon angedeutet und daher sind die Pinky-Floyd-Einflüsse wenig überraschend, machen den Song aber zum echt Highlight. Psychedelisch progressiver Rock der alten Schule wird genau so gespielt. Da können sich viele Trittbrettfahrer der dieses Jahr scheinbar noch mal verstärkt in Mode gekommenen Retro-Welle eine ordentliche Scheibe abschneiden. Wird auf der Einkaufsliste notiert.

9/10

07. Der Blutharsch And The Infinite Church Of The Leading Hand – The Cosmic Trigger

Ein obskurer Name und ein Cover voller Dildos, interessant. Noch viel interessanter ist jedoch die Überlegung, welcher unbedarfte Mensch sich diese Scheibe im Plattenladen seines Vertrauens beim gemütlichen Stöbern ernsthaft herausgreift und anschließend ein Ohr riskiert. Mr. Torture? :haha:

Musikalisch findet sich dann glücklicherweise doch kein größerer Bezug zwischen Artwork und Inhalt. Erneut setzt es psychedelischen Rock, diesmal jedoch eher mit dem Schwerpunkt auf psychedelisch, denn so richtig rocken will das Ganze nicht. Muss es aber auch nicht, denn hier liegt offensichtlich das Hauptaugenmerk auf verschiedensten Synthie-Sounds, die von schrägen Melodien über wabernde Flächen alles bieten, was das Herz begehrt. Garniert mit im Mix sehr weit hinten angesiedelten, verhallten Vocals plätschert das Stück dann neun Minuten vor sich hin. Keine Schlechte Nummer, aber im direkten Vergleich mit dem zuvor gehörten Wooden Shjips allenfalls Mittelmaß.

5/10

08. Kentin Jivek – White Letters On Black Sheets

Eine kurze Recherche verrät, dass der beiliegende Infozettel zur CD bei der Genrebeschreibung von „Ambient Folk“ spricht. Prinzipiell müsste mich das also ansprechen.

Und tatsächlich trifft diese Schublade ganz gut das, was auf „White Letters On Black Sheets“ zu hören ist. Die akustische Gitarre arbeitet stoisch eng gesteckte Akkord-Muster ab, im Hintergrund wabert, quietscht und summt es meist angenehm sowie stetig moduliert und auch die Stimme des Franzosen kann sich durchaus hören lassen. Erinnert mich stellenweise etwas an die Solo-Scheibe von Scott Kelly oder auch Birds Of Passage, ohne dabei jedoch die gleiche Intensität zu erreichen. Klingt so, als hätte das Album einen Probedurchlauf verdient, auch wenn der Song nicht völlig überzeugen kann. Dafür gibt es in diesem Bereich einfach deutlich Besseres.

6/10

Teil 3

09. Kimi Kärki – Red Rooster

Ein Hochschulabschluss in Geschichte, Gitarrist bei einer Doom Band und jetzt auf Solopfaden in bester Singer-Songwriter-Manier unterwegs. Scheint eine interessante Persönlichkeit zu sein dieser Kimi Kärki. Und wie es sich für einen echten Nordmann gehört, gibt es hier kein euphorisches Wohlfühlgeklimper sondern ehrliche Melancholie. „I’m amessanger of trouble, I’m a messanger of truth“, man glaubt es ihm. Gezielte elektronische Akzente, sei es durch eine weitere Gitarre oder synthetische Sounds, ergänzen das Ganze stimmig, ohne dabei den Fokus von der angenehmen Stimme des Protagonist zu verrücken. Gefällt.

8/10


10. Hexvessel – Masks Of The Universe

Und hier kommt die nächste Retro-Nummer. Der Name Hexvessel ist mir durchaus nicht unbekannt, wird er doch im Forum immer wieder positiv konnotiert erwähnt. Trotzdem konnte mich bisher nichts dazu bewegen, mich ernsthaft mit den Finnen zu befassen. Kein besonders großer Verlust, wie ich geschlagene 12 Minuten später feststelle.

Ein Intro der Marke „Wenn ich mal groß bin, wäre ich gerne atmosphärisch“ schleppt sich über vier Minuten dahin, begleitet von zu Beginn kaum wahrnehmbarem aber sich langsam steigernden Gesang. Von nun an setzt es Part an Part, Fuzz-Gitarren und Synthesizer gehen Hand in Hand, packende Melodien oder gar Riffs finden sich jedoch keine.

Wie das bei psychedelischer Musik nunmal so ist, fällt es schwer, das Ganze wirklich objektiv zu betrachten. Entweder es packt einen oder eben nicht. Daher bleibe ich meiner Linie treu und halte fest: mich lässt der Song leider kalt. Ich verstehe, was daran zu begeistern vermag, bin aber vielleicht auch einfach grade nicht in der richtigen Stimmung, um das hier dargebotene richtig wertschätzen zu können.

5/10


11. King Dude – Pagan Eyes Over German Skies

Und der Preis für den bescheuertsten Liedtitel des Samplers geht an den ebenso großartig benannten King Dude. Im Leben käme ich nicht auf die Idee, mir das aus eigenem Antrieb anzuhören. Aber genau dafür sind solche Sampler ja da. Möglicherweise findet sichhier ja eine echte Perle?

Wenig überraschend, dem ist nicht so. Nach mittlerweile doch relativ vielen brauchbaren Songs erreichen wir zumindest in Sachen Produktion einen neuen Tiefpunkt. Reverb ist durchaus geeignet, um einen Mix runder zu machen, Stimmen zu veredeln oder ein Schlagzeug mit einer gewissen Größe auszustatten. Dreht man jedoch einfach nur am Regler und denkt sich „viel hilft viel“, dann heißt es leider „Thema verfehlt, Note sechs“. Das hat auch nichts mit experimentell zu tun, sondern ist schlicht schlecht gemacht. Dazu eine – möglicherweise durch die krasse Bearbeitung verschlimmbesserte – ziemlich nervige Stimme und quasi keinerlei musikalische Substanz und fertig ist das Grauen. Geht gar nicht, sorry.

2,5/10


12. Sol Invictus – Mr. Cruel

Wo wir grade beim Thema unpassend gewählte Effekte sind, Sol Invictus schließen sich nahtlos an. Man nehme eine Kirmes-Melodie, drossele das Tempo auf die Hälfte und spiele das Ganze dann rückwärts ab, dann hat man eine ungefähre Vorstellung von Mr. Cruel. Möglicherweise findet sich ja bei genauerem Hinhören eine geheime Botschaft wie einst bei Black Sabbath? Wohl eher nicht, aber immerhin ist der Titel stimmig gewählt. Es gibt einen Bonuspunkt für eine trotzdem vorhandene und nicht zu leugnende Faszination, die von dem Song ausgeht und ihn auf jeden Fall in gewisser Weise besonders macht. Ein bisschen wie bei einemAutounfall… Außerdem ist das Artwork großartig!

3/10


13. Teho Teardo & Blixa Bargeld – Still Smiling

Klassik? Singer-Songwriter? Avantgarde? Keine Ahnung wo sich dieses Duo genau einsortieren lässt, aber eins ist sicher: an Experimentierfreude mangelt es den Herren nicht. Reichlich unkonventionell und trotzdem eingängig kommt „Still Smiling“ daher. So wird es zum Abschluss eines wahrlich durchwachsenen Samplers also noch mal richtig gut. Das Überfliegen einiger Rezensionen verrät, dass der Eindruck wohl nicht täuscht und das ganze Album sehr lohnenswert zu sein scheint. Wird folglich zusammen mit Wooden Shjips auf meiner Einkaufsliste vermerkt. Besten Dank dafür!

8,5/10

Abschließend noch ein kurzes Fazit:

Auch wenn unsere Geschmäcker offensichtlich grundverschieden sind, so hat es wie immer durchaus Spass gemacht, sich in musikalische Gefilde vorzuwagen, die man für gewöhnlich nicht mal mit der Beißzange anfassen würde. Und siehe da, es waren tatsächlich ein paar coole Neuentdeckungen dabei! In diesem Sinne bedanke ich mich für die bunte Auswahl und hoffe, dass Ardor an meinem Sampler ebenfalls Freude hat.