Nezys und Paulas musikalische Umkleidekabine mit Guckschlitz (mit Prüchtepunch [sic!], Éclairs und Stargästen)

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  • #6360371  | PERMALINK

    Emigrate

    Registriert seit: 19.08.2007

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    Sag mal… die Swans… lohnt sich das? 😀

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    RejrokNaja. Wenn wir nur die Landschaft und den Todesstern im Hintergrund hätten, wäre das ein Klasse Cover. Aber der Dirty Schwan ist dann doch ein wenig Overkill.
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    #6360373  | PERMALINK

    palez

    Registriert seit: 04.01.2007

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    EmigrateSag mal… die Swans… lohnt sich das? 😀

    Mal ehrlich, was für eine Antwort erwartest du von mir? :haha:

    #6360375  | PERMALINK

    Emigrate

    Registriert seit: 19.08.2007

    Beiträge: 4,206

    palezMal ehrlich, was für eine Antwort erwartest du von mir? :haha:

    Ja sorry… irgendwie musste ich das machen 😀

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    RejrokNaja. Wenn wir nur die Landschaft und den Todesstern im Hintergrund hätten, wäre das ein Klasse Cover. Aber der Dirty Schwan ist dann doch ein wenig Overkill.
    #6360377  | PERMALINK

    palez

    Registriert seit: 04.01.2007

    Beiträge: 10,795

    EmigrateJa sorry… irgendwie musste ich das machen 😀

    Threadmitbewohner Nezy würde dies übrigens verneinen, kennt aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keinen Ton von der Band (wenn doch, will ich nichts gesagt haben). Inwieweit das auf dein Interesse an Swans Einfluss nimmt, liegt jetzt allein in deinem Ermessen.

    #6360379  | PERMALINK

    Nezyrael

    Registriert seit: 05.11.2009

    Beiträge: 21,410

    Mitthreadbewohner hat vor Urzeiten mal was von der Band gehört und nun Angst weiteres zu hören, am Ende gefällt es ihm doch…sobald ich den Kopf wieder etwas freier hab mach ich hier demnächst übrigens auch weiter 🙂

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    Bad Ass Me ~ Totgehört ~ Verkaufe CDs Prüchtepunch mit Schuss "also ich würd mich echter als dumm den als einen Troll ansehe" - Ivan Dirus
    #6360381  | PERMALINK

    Nezyrael

    Registriert seit: 05.11.2009

    Beiträge: 21,410

    palezBei Nietzsche bin ich auf ähnlichem Wissensstand. Während meiner Beschäftigung mit der Existenzphilosophie habe ich halt mehr oder weniger nebenbei ein paar Positionen und Aussagen von dem Typen mitgenommen, aber schon allein des Zusammenhangs wegen hatte ich schnell keine Lust mehr, mich tiefergehend mit ihm zu beschäftigen, und hakte das Thema unter „notwendiges Geschichtsvorwissen“ ab. Schließlich ließen schon die Theorien von Sartre und Camus (ja, gut, vielleicht kein Existenzphilosoph in dem Sinne) am Ende eigentlich keinen Platz für Nihilismus.

    Beschäftigung mit Nietzsche lohnt sich aber imho schon, seine Texte sind sehr interessant und zum Glück auch mittlerweile billig zu bekommen. Würde dir aber zum Einstieg nicht unbedingt den Zarathustra empfehlen, eher was bisschen einfacheres wie den Antichrist oder die Genealogie der Moral.

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    Bad Ass Me ~ Totgehört ~ Verkaufe CDs Prüchtepunch mit Schuss "also ich würd mich echter als dumm den als einen Troll ansehe" - Ivan Dirus
    #6360383  | PERMALINK

    palez

    Registriert seit: 04.01.2007

    Beiträge: 10,795

    NezyraelMitthreadbewohner hat vor Urzeiten mal was von der Band gehört und nun Angst weiteres zu hören, am Ende gefällt es ihm doch…

    Wenn Zeit und/oder Geld da ist (keine Ahnung, woran es bei dir liegt), kann ich, wenn erwünscht, Tipps zur weiteren Beschäftigung geben. Bei den vielen Stilsprüngen der Band gibt es in ihrer Diskographie sicherlich mindestens ein Album, das dir zusagen würde, eher noch mehr.

    Nezyraelsobald ich den Kopf wieder etwas freier hab mach ich hier demnächst übrigens auch weiter 🙂

    Hurra!
    Ich habe schon einige weitere Ideen und bin nahe dran, einen freien Kopf zu haben, also gibt es hier demnächst auch von mir wieder „kurze Geschichten“.

    Und überhaupt: Es steht jedem frei, sich mit „kurzen Geschichten“, die einen gerade begeistert, am Thread zu beteiligen. Das mit den Stargästen steht da nicht umsonst…

    NezyraelBeschäftigung mit Nietzsche lohnt sich aber imho schon, seine Texte sind sehr interessant und zum Glück auch mittlerweile billig zu bekommen. Würde dir aber zum Einstieg nicht unbedingt den Zarathustra empfehlen, eher was bisschen einfacheres wie den Antichrist oder die Genealogie der Moral.

    Okay, ich setz mich vielleicht mal dran, wenn ich wieder Zeit und Bock habe. Danke!

    #6360385  | PERMALINK

    Nezyrael

    Registriert seit: 05.11.2009

    Beiträge: 21,410

    Bei thalia.de gibts grade einige Nietzsche-Texte zum Kostenfreien Download, wenn Interesse besteht. Ausprobiert hab ich die Ebooks da aber noch nicht, also bitte keine Fragen diesbezüglich stellen^^

    Und die Zeit, Paula, die Zeit…*seufz*

    --

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    #6360387  | PERMALINK

    palez

    Registriert seit: 04.01.2007

    Beiträge: 10,795

    Es ist aber definitiv schlimmer, Zeit zu haben, aber nichts, wofür man sie nutzen könnte. *find*

    #6360389  | PERMALINK

    Nezyrael

    Registriert seit: 05.11.2009

    Beiträge: 21,410

    Das ist wohl wahr….naja, die nächsten Semesterferien kommen bestimmt :haha:

    --

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    #6360391  | PERMALINK

    Leo-suomi

    Registriert seit: 16.03.2010

    Beiträge: 1,934

    palezUnd überhaupt: Es steht jedem frei, sich mit „kurzen Geschichten“, die einen gerade begeistert, am Thread zu beteiligen. !

    Ich werde das wahrscheinlich demnächst wahrnehmen. Das habt ihr jetzt davon.

    #6360393  | PERMALINK

    Dancing Mad God

    Registriert seit: 22.03.2011

    Beiträge: 804

    Hab auch schon drüber nachgedacht, aber sollte wahrscheinlich erstmal meine Mixtapes fertig rezensieren…aber könnte theoretisch meine Brown-Jenkins-Review hier posten, die müsste ich noch irgendwo rumfliegen haben…

    --

    [indent]Jerry lacht wie ein Kind. Schlurft wie ein alter Mann. Langsame, schleppende Sprache. Zufällige Gedanken, die in einem sterbenden Gehirn hängenbleiben. Verworrene Erinnerungen. Stimmen, die sonst niemand hört.[/indent]
    #6360395  | PERMALINK

    palez

    Registriert seit: 04.01.2007

    Beiträge: 10,795

    Eine kurze Geschichte von Paula über eine angebliche direkte Nachfahrin von Erik „Blutaxt“ I., zerschnittene Arme, blaue Augen, enttäuschte Liebe und die gleißende Sonne Kaliforniens

    Spricht man im Indiekontext aktuell von einem Retrotrend, dann meint man damit vor allem, dass viele Bands und MusikerInnen ihre kreativen Auswürfe mit deutlichen 80er-Bezügen ausstatten. Das kennt man vom Post-Punk-/Dark Wave-Revivalismus von Interpol, Editors und Konsorten, aber auch die Singer-Songwriter-Damenriege gab sich in den letzten Jahren gerne den Anstrich der Nachlassverwalterinnen. Künstlerinnen und Bands wie Soap&Skin, Zola Jesus sowie aktuell Esben and the Witch und Austra beziehen sich in ihrem Schaffen mehr oder weniger eindeutig auf Siouxsie and the Banshees, Cocteau Twins, This Mortal Coil und Nico, die erste Grande Dame des Gothic, bevor es Gothic überhaupt gab (äh, zum besseren Verständnis: Nico = 60er-/70er-Ausnahme). Dies veranlasste schon große Teile des Feuilletons (komischerweise nicht die dafür „zuständige“ Szenepresse), von einer Renaissance zu sprechen, neuen großen Sternen am schwarzen Firmament.
    EMA wird mit ihrem Solo-Debüt „Past Life Martyred Saints“ vermutlich noch oft mit ebendiesen Bands und Sängerinnen in Verbindung gebracht werden, doch die wichtigsten Unterschiede ergeben sich daraus, dass sie ihre Haupteinflüsse schon aus dem folgenden Jahrzehnt bezieht.

    Im Gegensatz zu den Goth-Revival-Blassnasen verbringt sie ihre Tage und Nächte nicht in den stickigen, abgedunkelten Räumen des „Batcave“ in England, sondern an der sengenden Sonne Kaliforniens. Der Klang ist hell und heiß, das Fundament eindeutig Rock, die generös noisige Verzerrung stößt die Gitarren nicht selten in Richtung Stoner. Das klingt teilweise nach dem Slackerindie von Pavement und den zutraulicheren 90er-Arbeiten von Sonic Youth, der noch bodenständige Shoegaze/Dream Pop von Slowdive – Souvlaki huscht ebenso kurz durchs Bild wie die ernsten und düsteren Momente von Lush und selbstversunkener Slowcore. Vor allem aber macht sich Erika M. Anderson am Grunge und Riot Grrrl zu schaffen und holt nachträglich heraus, was schon immer in beiden Bereichen steckte. Hier hätten damalige Szeneprotagonisten allen Grund, sich zu ärgern, dass sie diese Songs nicht geschrieben und das Ausdrucksspektrum des eigenen Wirkungsbereichs übersehen haben.

    Nun wäre „Past Life Martyred Saints“ aber ein Vergnügen mit nicht weiter erwähnenswerter Halbwertszeit, wenn es lediglich eine postmoderne Reise durch Madame Andersons gut sortierte Plattensammlung wäre. Um die Ansammlung von Zitaten zu mehr, zu genuiner Kunst zu machen, braucht es eine, die dem ganzen Kram Leben und Charakter einhaucht; EMA schafft dies, macht das ganze komplexe Netz aus Referenzen vergessen, das Blogger und Journalisten um sie herum gesponnen haben. Für 38 Minuten ist nichts wichtiger als das, was sie zu sagen hat, weil einen diese sonore, sinnlich tiefe, kraftvolle Stimme, die einem immer und gerne zu nahe kommt, sofort von diesem Lauf der Dinge überzeugt. Bevor es zu diesem Album überhaupt kommen konnte, musste Anderson sich ein Jahr lang durch konzentrierte persönliche Tiefschläge kämpfen. Ihre erste Band Gowns, mit der sie unaufgeräumte, freiförmige Stücke zwischen Freak Folk und elektronischem Unrat aufgenommen hat, zerbrach mit der Beziehung zwischen ihr und Bandmitglied Ezra Buchla, die Liebe und die Trennung spiegeln sich in vielen der hier zusammengekehrten Songscherben. Fast wären ihre Solo-Ambitionen lediglich „Little Sketches On Tape“ geblieben, die Rettung durch eine Labelanfrage kam quasi im letzten Moment. Es ist mir zwar unangenehm, ihr dieses dezent blöde Authentizitätsstigma anheften zu wollen, aber möglicherweise wäre „Past Life Martyred Saints“ nicht so gut geworden, hätte Anderson dieses Tal nicht durchschritten.

    Es ist eine disparate, zerwühlte Platte geworden, die als Album vielleicht gar nicht so gut funktionieren dürfte, wie sie es tut. Konsequenz ist doch ein albernes Konstrukt, schon die Überkategorie Lo-Fi lässt sich auf PLMS nicht anwenden, weil Anderson nicht alle Songs im Schlafzimmerzustand belassen wollte. Der Opener „The Grey Ship“, die vielleicht schönste und betörendste Songwelt des Jahres, ist ungeahnt filigran, sucht nach Lagerfeuer-Anfang nach der verwunschenen Bassline, die sich davongestohlen hat und sich im Gebüsch versteckt. Bevor das Stück Warpaint oder einem schwebend schönen Finale zu nahe kommen kann, holt EMA die Gitarrenbrechstange raus, und am Ende gibt es doch den Rückzug in sich selbst mit gebrochenen Knochen und Willen. „Great grandmother lived on the prairie / nothing and nothing and nothing and nothing / I got the same feeling inside of me / nothing and nothing and nothing and nothing“. Ausgerechnet „Marked“, dieses Homerecording-Songfragment, ist dann klanglich annähernd genauso beeindruckend. Den alten Gowns-Song befreit EMA von allem Müll und Seetang, der im Original an ihm hing und ihn ausmachte, in der neuen Version findet er auf engstem Raum statt, versteckt im Wandschrank als Kerzenfeuer in den Händen. EMA legt dazu die Hände auf die Schultern des Hörers und flüstert ganz nah und ganz sanft an sein Ohr. „I wish that every time he touched me left a mark.“

    Wer je eine bessere musikalische Verarbeitung von autoaggressivem Verhalten finden sollte, der soll mir Bescheid geben. Im übernächsten Song „Butterfly Knife“ singt Anderson mit so viel Wut, wie sie auf einmal ausspeien kann, über ein Goth-Kid an ihrer früheren High School, „Marked“ widmet sich ihm mit mehr Verständnis als alle seine mutmaßlichen Lieblingsbands. Überhaupt zieht sich die Körperlichkeit durch das ganze Album, Erika M. Anderson ist hier eine einzige offene Wunde. Was könnte besser als Code dafür geeignet sein, psychisch auf harten, brennend heißen Asphalt zu fallen, als blaugeschlagene Augen, aufgeplatzte Lippen, fließendes Blut, gebrochene Knochen? Solange man „Past Life Martyred Saints“ hört und von seinem Nachwirken eingenommen ist – tatsächlich nichts. EMA macht keinen Unterschied zwischen Zärtlichkeit und Brutalität, Verletzlichkeit und Angriffslust. Das äußert sich einerseits in der Art, wie bei „Anteroom“ und „Breakfast“ ätzender Gitarrenkrach die Ruhe stört. Andererseits kommt der innere Widerspruch auch in „California“ durch, der Blues-verwurzelten beinahe-Hymne, bei der Anderson mit gebündelten Kräften Unmengen an Galle über diesem zerstörerischen Moloch von Land ergießt und doch nach jeder Zeile näher am Kollaps scheint. Diese Herangehensweise steht eindeutig in der Tradition von „Rid of Me“, dem extrem gewalttätigen, sexualisierten, wahnsinnigen, ultimativ schmutzigen Seelendreck-Album einer jungen PJ Harvey, die aktuell mit Geisterwaldfolk gegen ihre Heimat England ins Feld zieht. Es geht auch hier im Grunde um Liebe – enttäuschte Liebe – und die Erlösung im Schmerz. Und die gibt es hier tatsächlich an genau der richtigen Stelle. Schlusssong „Red Star“ glänzt mit Stonergitarre und nur scheinbarer Entspannung, denn im Finale denkt Anderson nicht mal daran, auch nur verbrannte Erde zurückzulassen. Soll die rote Sonne den blauen Planeten doch verschlucken. Augen immer schön offen halten; wer blinzelt, verliert. Brennende Netzhaut hat sich aber auch selten so ekstatisch und schön angefühlt. Die finale Lichtexplosion klingt dann tatsächlich nach „Seven“ von The God Machine (deren „Scenes From The Second Storey“ immerhin das beste Album aller Zeiten ist). „If you won’t love me someone will.“

    Zu groß und zu wichtig, um nach der Jahresbestof vergessen zu werden. Wollen wir hoffen, dass EMA eine ebenso lange Karriere bevorsteht wie der Dame, mit der sie sich momentan noch messen muss.

    http://www.youtube.com/watch?v=m0NJm8v7POs
    http://www.youtube.com/watch?v=WJJdJlMik30
    http://www.youtube.com/watch?v=4iU4sdQM05g
    http://www.youtube.com/watch?v=3tm89S22H_g

    #6360397  | PERMALINK

    Dancing Mad God

    Registriert seit: 22.03.2011

    Beiträge: 804

    Da ja vor einiger Zeit nach Gastbeiträgen gerufen wurde und mir der Abschluss meiner letzten Klausur jeden Vorwand geraubt hat, dieses lange geplante Review weiter hinauszuschieben, habe ich mal ein paar Zeilen verfasst und poste sie hier, die freundliche Erlaubnis der Thread-Besitzer voraussetzend

    Plebeian Grandstand – How Hate Is Hard To Define

    Gestolpert bin ich über Plebeian Grandstand, weil sie als eine chaotischere Version von Celeste mit noch harscheren Vocals angepriesen wurden. Da ich zu dieser Zeit an düsterer, Hardcore-verwandter Musik wie der von Celeste, sagen wir, milde interessiert war, habe ich spontan mal reingehört. Und es tat sich ein Abgrund Klang-gewordener Verzweiflung vor mir auf, wie ich ihn in dieser Form noch nicht erlebt hatte.

    So wenig wie der Celeste-Vergleich kann auch das bedrohlich vor sich hindröhnende Intro auf das vorbereiten, was danach folgt. Das weniger als drei Minuten lange „Ordo Ab Chao“ ist gleich einer der schwerstverdaulichen Brocken des Albums. Plebeian Grandstand überrumpeln den Hörer nicht, sie fallen ihn mit chaotischen Riffs, undurchschaubaren Rhythmen und einem an Wahnsinn und Hysterie kaum zu übertreffenden Gekeife regelrecht an wie eine tollwütige Bestie.
    Auch das folgende „Nice Days Are Weak“ verspricht erstmal nicht viel zugänglicher zu werden, braucht es doch diverse Durchläufe, bis die manischen Instrument-Misshandlungen Furchen ins Gedächtnis des Hörers gegraben haben und ihm offenbaren, dass sie nicht ganz so strukturlos sind, wie es den Anschein hat. Auch schleicht sich hier bereits nicht ganz unmelodisches Gitarrenspiel in das Chaos und den Lärm (zu dem übrigens der fantastische Drummer einen wichtigen Teil beiträgt), dem in „Nice Days Are Weak“ allerdings noch kein Raum zur Entfaltung gegeben wird. Vielmehr fault die Melodie hier vor sich in wie eine Wunde unter schmutzigem Schorf, der keine endgültige Heilung gegönnt ist.
    Im Übrigen prügeln sich Plebeian Grandstand mitnichten durch alle ihre Songs, im Gegenteil haben viele der perfidesten und aufreibendsten Momente der Franzosen ihren Ursprung in den schleppenden Passagen, wie sie z.B. in „Mein Kopf ist meine Heimat“ eine wichtige Rolle spielen. Das gedrückte Tempo hier hat nichts mit der dramatischen Erhabenheit zu tun, die zumeist im Doom Metal vorherrscht. Vielmehr fühlt man sich nackt, auf einer Rutsche aus Sandpapier gefangen und vom eigenen, unermesslich schwer gewordenen Körpergewicht unerbittlich nach unten gezogen, sodass man blutig gescheuert einem unergründlichen Abgrund entgegensinkt.
    Schließlich folgt mit „Easy To Hate / Hard To Define“ so etwas wie das Herzstück des Albums, obwohl es nicht den längsten Song darstellt. Der Anfang ist einmal mehr zerfahren und anstrengend, allerdings bietet der weitere Verlauf des Songs in stärkerem Maße als bislang nachvollziehbare Gitarrenriffs und straighte Rhythmen, die einen Zugang nicht unmöglich scheinen lassen. Wenn die Band schließlich zum Finale ansetzt, bricht eine Melodie aus dem Song hervor wie frisches Blut, das Eiter und Dreck aus dem Körper spült. Hat man sich zuvor auf die Musik eingelassen, ist spätestens jetzt der Zeitpunkt gekommen, an dem sich die Fingernägel in die eigenen Arme bohren und Emotionen den Verstand überfluten. Wenn Sänger Adrien zu diesen Klängen seine verzweifelten Zeilen herauskreischt, scheinen sich Selbsthass und Verzweiflung so stark zu verdichten, dass die Musik implodiert und zu einem schwarzen Loch aus noch schwärzeren Gefühlen wird, das den Hörer unweigerlich ins Verderben reißt.
    Denn, soviel ist sicher, Plebeian Grandstand ist keine Band, der es primär auf die stolze Präsentation ihrer herausragenden Technik ankommt (obwohl eine solche sicherlich vonnöten ist, um solche Musik zu spielen). Vielmehr sind Chaos und manisches Geriffe das Medium, mit der sie ihre fast unerträglich intensive Emotionalität transportieren. Es wirkt kaum, als wäre diese Spielweise eine bewusste Entscheidung gewesen, sondern als sei sie einer unentrinnbaren Notwendigkeit entsprungen, die nichts anderes als diesen Ausdruck zugelassen hat.
    Diesen Eindruck erhalten auch „Don’t Expect Much From The Wold’s End“ mit seiner ganz eigenen Dynamik und abermals atemberaubenden Vocals sowie das abschließende Pärchen „Are You Angry?“; „[…] Or Boring?“ aufrecht. Dessen erste Hälfte konzentriert sich auf die rasende Seite der Band, während die zweite den erschöpften Hörer schleppend und unbequem in eine farblos und verzerrt wirkende Welt entlässt.

    Ich müsste dreist lügen, um zu behaupten, dass der Zugang zu Plebeian Grandstands Musik leicht fällt – doch ich müsste noch dreister lügen, um abzustreiten, dass es sich absolut lohnt. Mir hat dieses Album, wie eingangs erwähnt, eine ganz neue Welt eröffnet. Es war mir schlicht nicht bewusst (noch hätte ich es mir vorstellen können), dass man solche Emotionen mit diesen musikalischen Mitteln ausdrücken und welche unwiderstehliche Gewalt solch ein Ausdruck annehmen kann.
    Wer sich also von der Beschreibung dieses musikalischen Horrortrips nicht abgestoßen fühlt, sollte vielleicht versuchen, sich durch den akustischen „Granitpanzer“ (wie es an anderer Stelle genannt wurde) zu kämpfen – und sei es mit bloßen, blutüberströmten Fäusten.

    http://www.youtube.com/watch?v=ZfHo-7Fkgr0&feature=related
    http://www.youtube.com/watch?v=LYlsdUCVGYU
    http://www.youtube.com/watch?v=KcaS_uE7OY8&feature=related

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    [indent]Jerry lacht wie ein Kind. Schlurft wie ein alter Mann. Langsame, schleppende Sprache. Zufällige Gedanken, die in einem sterbenden Gehirn hängenbleiben. Verworrene Erinnerungen. Stimmen, die sonst niemand hört.[/indent]
    #6360399  | PERMALINK

    tonitasten

    Registriert seit: 13.08.2011

    Beiträge: 1,998

    @palez: Wunderschöne Kritik. Mittlerweile konstatiere ich der Frau eine höhere Halbwertszeit, als 99 % der momentan gehypten Indiebands. EMA ist unkonventionell, dreckig und radikal und zu 100 % authentisch. Die musikalischen Referenzen sehe ich bei ihr mehr im Blues und bei Velvet Underground.

    Sie hat übrigens Nirvana fies zugerichtet :lol:, das nenn ich mutig.

    http://www.youtube.com/watch?v=bjHkAbYPXWc

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