Nezys und Paulas musikalische Umkleidekabine mit Guckschlitz (mit Prüchtepunch [sic!], Éclairs und Stargästen)

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  • #6360431  | PERMALINK

    Nezyrael

    Registriert seit: 05.11.2009

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    So, weiter gehts mit ätherischen Ölen, dunklen Wellen und äh…dem Elend dieser Welt

    Los geht es aber relativ beschaulich mit Lycia und Estrella, ein zarter, zerbrechlicher Song mit einer Sängerin, deren Stimme droht mit dem Wind wegzuwehen. Alles wirkt zaghaft, zerbrechlich und doch strahlt der Song eine gewisse innere Stärke aus, er schwebt um einen rum, umfängt einen und entführt einen in eine andere Welt, ohne wirklich einen Eindruck zu vermitteln wie es dort aussieht. Alles ist ein wenig neblig und verschwommen, es gibt keine fixen Orientierungspunkte, man fühlt sich ein wenig hilflos, aber nicht verloren. Hört sich komisch an, aber da ich mit solcher Musik eigentlich nie groß was zu tun hatte fällt es mir schwer das ganze adäquat zu beschreiben. Auf jeden Fall klingt das ganze ganz interessant, aber auf Albumlänge, ich weiss ja nicht…
    This Ascension gehen mit Swandive in eine nicht ganz unähnliche Richtung, nur das das ganze hier etwas bodenständiger un erdiger rüberkommt, es wirkt nicht ganz so allem irdischem entflogen wie Lycia, der Gesang nicht ganz so ausserweltlich, die Welt nicht ganz so neblig und verschwommen. Gefällt mir alles in allem auch etwas besser, weil das ganze etwas Songorietierter ist als Lycia und das ganze dadurch etwas greifbarer ist. Könnte ich mir auch eher vorstellen mir mal auf Albumlänge anzuhören.
    Weiter geht es mit This Mortal Coil und Song To The Siren, der nun wieder deutlich weniger Songorientiert ist und einfach im Raum zu schweben scheint. Hier ist die Stimme dafür deutlich präsenter als bei Lycia, die ganze Atmosphäre ist ein wenig düsterer, erhabener, könnte für mich so ähnlich auch auf nem Filmsoundtrack wie z.b. Herr Der Ringe stehen. In der richtigen Situation wohl ein sehr toller Song der sich wunderbar in eine Gesamtatmosphäre einfügen kann, aber als ganzes Album? Oder geht der Rest von denen in eine andere Richtung?
    Den Namen Cocteau Twins hab ich sogar irgendwo schonmal gehört, aufgrund meiner völligen Unkenntnis des Genres scheint es sich also um einen Klassiker zu handeln. Mal schaun, ob When Mama Was Moth dann auch was hergibt. Für mich irgendwie nicht, der Song sagt mir einfach gar nix *schulterzuck* Bleibt nichts hängen, erregt nichts groß meine Aufmerksamkeit, der Gesang ist nichts allzu besonderes und auch sonst finde ich nichts begeisterndes an diesem Song. Bleibe ich wohl zeitlebens ein Banause.
    Miranda Sex Garden haben zumindest schonmal nen tollen Namen und Cover My Face ist auch ein interessanter Song. Diesmal mit durchdringender Instrumentalisierung, keine Klangteppiche, richtige Musik, Trommeln, bumbumbum. Der Gesang kontrastiert die eher kalte Instrumentalarbeit mit seiner Zerbrechlichkeit, man hat richtig Angst der Trommler zertrümmert die arme Frau aus Glas. Gefällt mir wirklich sehr gut, bisher wohl neben Siouxsie der tollste Track des Samplers.
    Black Tape For A Blue Girl können dann maximal beim Namen noch das Niveau halten, ansonsten ist Tear Love From My Mind ein für mich ziemlich nichtssagender Track. Das ganze ist wieder etwas formloser geworden, der Gesang ist auch nur durchschnittlich, keine Ahnung, packt mich nícht, haben andere Bands auf diesem Sampler deutlich besser hinbekommen.
    Sehr gespannt war ich ja, was mich für ein Song erwartet wenn der Song Clown heisst…also lustig ist der Song definitiv nicht, aber das habe ich auf diesem Sampler auch nicht wirklich erwartet. Auch Switchblade Symphony sind erwartungsgemäß eher düster. Das ganze ist nun deutlich experimenteller, stellenweise schiefer, , aber zum Glück wird durch keines der Experimente der Song vergessen. Hat nun so gar nix ätherisches mehr, eher von alkoholgeschwängerter Kneipenluft und düsterem Licht. Größter Schwachpunkt ist hier wohl wieder der Gesang, der wahrscheinlich zwar so sein muss, aber mich wieder nicht vom Hocker haut. Klingt aber im Gesamtpaket trotzdem alles andere als schlecht, kannst du mir da vielleicht noch ein paar andere Songs zeigen.
    Dead Can Dance sind die einzige Band die ich kenne von diesem Sampler, und wie alles was ich von der Band kenne ist auch dieser Song großartig. Die Band wird irgendwann eh so vollständig wie möglich in meinem Regal stehen, daran ändert auch dieser Song nichts.
    Bei Faith And The Muse hatte ich direkt allerhand assoziationen im Hinterkopf, bis ich dann gemerkt habe das der eine Teil davon Faith No More und der andere Teil Faithless zuzuordnen ist *lol*. Also, ganz unbefangen herrangehen, und dann direkt überrascht werden, so mag ich das. Klingt irgendwie völlig anders als alles vorher auf diesem Samplerteil, erhabener, fast schon sakral, türmen sich hohe Klanggebäude vor einem auf, die Trommeln und die Streicher ziehen den Hörer in ihren Bann, die fast schon liturgisch dargebrachte Rede tut ihr übriges, irgendwie habe ich ständig das BIld einen okkulten heidnischen Messe in einer christlichen Kathedrale des Mittelalters vor Augen. Gefällt mir ausgesprochen gut, was muss ich da als erstes kaufen?
    Das Elend-Album hab ich und mag, und dieser Song ist mit ein Grund dafür. Höre ich nur selten, weil ich es schon relativ speziell finde, aber in der richtigen Stimmung ist das Ding unglaublich mächtig. Werde ich im Winter bestimmt wieder häufiger hören, vielleicht lege ich hier dann mal meine Meinung zu der ganzen Scheibe dar. Erinner mich am besten dran, werde ja auch langsam alt.
    Beschlossen wird dieser Teil des Samplers von Love Spirals Downwards, die nach Elend zum Glück ein wenig entspannendere Klänge bieten. Gehen für mich in eine ähnliche Richtung wie Lycia und This Ascension vom Anfang des Samplers, vermischen dabei Elemente von beiden Bands und zaubern eine gelungene Mischung aus Songorientiertheit, Nebelschwaden und hübschen Melodien. Schöner Abschluss dieses Abschnitts, wovon mir wohl als erstes Faith And The Muse und/oder Miranda Sex Garden was zu beißen geben werden.

    Der dritte Teil wird wohl nicht auf einmal folgen, dafür ist das ganze dann doch ein wenig viel

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    #6360433  | PERMALINK

    palez

    Registriert seit: 04.01.2007

    Beiträge: 10,795

    Oh, nett, danke. 🙂

    Lycia arbeiteten auf ihren meiner Meinung nach besten Alben (also vor der Reunion) in der Tat eher stimmungs- als songorientiert, das Aufbauen von Stimmung beherrschten sie aber besser als alle anderen. Die Alben vor dem Einstieg Tara VanFlowers klingen dunkler und unwirtlicher, ein bisschen so wie eine Skelettversion von The Angelic Process. Dürftest du aber ähnliche Probleme mit haben wie mit den weichen und einladenden Sachen ab „The Burning Circle and Then Dust“…

    Bei This Mortal Coil ist es generell schwer, einen Song als in irgendeiner Hinsicht repräsentativ zu bezeichnen…ist halt die natürliche Konssequenz eines 4AD-All Star-Projekts mit ständig wechselnden Mitgliedern. Das Debüt „It’ll End In Tears“ ist von den dreien noch das homogenste, bietet mit seinen verschiedenen Sängern (unter anderem Lisa Gerrard) und stilistischen Einflüssen von 80er-Wavepop über Ambient zu Kammermusik aber dennoch eine recht reiche Stimmungspalette.

    Elizabeth Fraser hat übrigens tatsächlich zum Herr der Ringe-Soundtrack beigetragen. Überrascht mich, dass du mit ihrem Gesang auf dem Cocteau Twins-Stück nichts abgewinnen konntest…
    Ebenso verwundert es mich, dass der Black Tape for a Blue Girl-Song dir nicht zugesagt hat, klingen die doch von allen Bands des Samplers am meisten nach Dead Can Dance. :haha:

    Miranda Sex Garden sind von den Gothic-Bands der 90er sicherlich eine der mutigsten, einfallsreichsten und seltsamkeitenaffinsten. Abgesehen von expressiven, an jahrelanger Madrigalgesangserfahrung geschulten Stimmverrenkungen und einer Instrumentierung zwischen Kabarett und rhythmusgetriebenem Noise Rock bauen sie auch Brecht-Adaptionen, den „Lady in the Elevator“-Song und was nicht sonst noch alles in ihre Musik ein…lohnt sich auf Albumlänge aber sehr.

    Bei Switchblade Symphony finde ich den Gesang eigentlich sehr sexy. So klingen sie sonst:
    http://www.youtube.com/watch?v=LnR16oYv3w0
    http://www.youtube.com/watch?v=VUu5RKDNtw4
    Und hier, mein persönlicher Lieblingssong:
    http://www.youtube.com/watch?v=T8EhY_mZT6c

    Von Faith and the Muse brauchst du unbedingt „Annwyn, Beneath The Waves“. Gehört zu den besten und kreativsten Genrebeiträgen, die ich kenne, besticht aber vor allem durch eine enorme Stilvielfalt (von keltischem Folk zu klassischem Death Rock) – „Cantus“ sagt insofern nicht allzu viel über die Bandbreite der Band aus.

    http://www.youtube.com/watch?v=egv21_rmj_g
    http://www.youtube.com/watch?v=ZxOjM83NB64&feature=results_video&playnext=1&list=PL20B51E70F661CE1A
    http://www.youtube.com/watch?v=DqYLSTUJIr0
    http://www.youtube.com/watch?v=5w8ZQpfazoA

    #6360435  | PERMALINK

    Dancing Mad God

    Registriert seit: 22.03.2011

    Beiträge: 804

    palezMiranda Sex Garden sind von den Gothic-Bands der 90er sicherlich eine der mutigsten, einfallsreichsten und seltsamkeitenaffinsten. Abgesehen von expressiven, an jahrelanger Madrigalgesangserfahrung geschulten Stimmverrenkungen und einer Instrumentierung zwischen Kabarett und rhythmusgetriebenem Noise Rock bauen sie auch Brecht-Adaptionen, den „Lady in the Elevator“-Song und was nicht sonst noch alles in ihre Musik ein…lohnt sich auf Albumlänge aber sehr.

    Von denen wollte ich mir diesen Monat auch endlich mal ein Album anschaffen (überhaupt wollte ich ein paar Bands von deinem letzten Mixtape „abarbeiten“), welches würdest du mir empfehlen? Ich tendiere ja zu Fairytales Of Slavery, weil mir der Fast-Titeltrack so gut gefallen hat…

    --

    [indent]Jerry lacht wie ein Kind. Schlurft wie ein alter Mann. Langsame, schleppende Sprache. Zufällige Gedanken, die in einem sterbenden Gehirn hängenbleiben. Verworrene Erinnerungen. Stimmen, die sonst niemand hört.[/indent]
    #6360437  | PERMALINK

    palez

    Registriert seit: 04.01.2007

    Beiträge: 10,795

    Dancing Mad GodVon denen wollte ich mir diesen Monat auch endlich mal ein Album anschaffen (überhaupt wollte ich ein paar Bands von deinem letzten Mixtape „abarbeiten“), welches würdest du mir empfehlen? Ich tendiere ja zu Fairytales Of Slavery, weil mir der Fast-Titeltrack so gut gefallen hat…

    Wenn du die anderen Songs, die ich im entsprechenden Thread verlinkt habe, auch mochtest, dann würde ich dir auch zu dem Album raten. „Carnival of Souls“ wäre vielleicht auch ’ne Option, ist tendenziell aufgeräumter, zugänglicher und rocklastiger und enthält darüberhinaus den folgenden, ganz und gar wunderschönen Song:

    http://www.youtube.com/watch?v=5Ghy3sEM5Qg

    #6360439  | PERMALINK

    Dancing Mad God

    Registriert seit: 22.03.2011

    Beiträge: 804

    Ja, die mochte ich tatsächlich alle. Dann wird’s das Album auch werden, hab nur nochmal pro forma nachgefragt :haha:

    „All There Is“ klingt jetzt allerdings auch ziemlich toll…

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    [indent]Jerry lacht wie ein Kind. Schlurft wie ein alter Mann. Langsame, schleppende Sprache. Zufällige Gedanken, die in einem sterbenden Gehirn hängenbleiben. Verworrene Erinnerungen. Stimmen, die sonst niemand hört.[/indent]
    #6360441  | PERMALINK

    palez

    Registriert seit: 04.01.2007

    Beiträge: 10,795

    Gerade, als ich dabei war, meinen nächsten POTW-Eintrag zu planen (Ja, am Mittwoch. Nein, ich hatte in dem Moment echt nichts Besseres zu tun.), durchschnitt eine dringende Frage meine Gedanken: Wozu habe ich denn diesen Thread hier in all seiner „Weil mir grad danach ist“-Mäßigkeit…

    Eine kurze Geschichte von Paula über Wolves In The Throne Room und für alle, die Happy Ends mögen

    Auch wenn ich damit mehrere Wochen zu spät sein dürfte (tut mir ganz doll sorry, Lazytown, aber du hast ja jetzt eh schon ’ne eigene Meinung), hier mal meine völlig irrelevante Meinung zu einem im Gegensatz dazu höchst relevanten Beitrag zum Metalgeschehen 2011. „Celestial Lineage“ also. Das vierte Album von Wolves In The Throne Room, das dritte im medialen Brennpunkt, in den bei weitem nicht nur die einschlägige Metalpresse die Band gerückt hatte. Siehe: Die sogenannte „Spiegel“-Kontroverse, die von lichtscheuen und besitzergreifenden Puristen unnötigerweise überhaupt erst zu einer gemacht wurde. Das letzte Album von Wolves In The Throne Room, das im bandinternen Selbstverständnis deshalb vielleicht wichtigste, weil es auch der Abschluss einer Trilogie ist. Das zweite, das die auf dem umjubelten Zweitwerk „Two Hunters“ gemachten Versprechen einlösen, und das erste, das die Enttäuschung, die auf „Black Cascade“ folgte, ausbügeln soll.

    Es war dann ja doch kein gänzlich unplausibler Gedanke, der mir nach mehreren letztendlich ernüchternden Durchgängen von „Black Cascade“ in den Sinn kam; vielleicht sind WITTR doch nicht die großartigen Songwriter, für die ich sie zu halten bereit war. Was „Diadem of 12 Stars“ und insbesondere „Two Hunters“ ausmachte, war ihre Amosphäre, die Ahnung von feuchter Luft und knirschenden Zweigen, war ihr dunkler Schimmer und die wohligen Schauer, die er hervorrief, war das für seine Ansprüche beinahe perfekte Klangbild. Das wurde mir umso deutlicher bewusst, als das alles auf „Black Cascade“ fehlte. Ohne das letztendlich tragende vermeintliche „Beiwerk“ waren die Songs zwar immer noch gut und stilvoll, hatten aber viel von ihrer Faszinationskraft verloren, und wirkten zu kalt und gehalten, als dass Wolves In The Throne Room als die rabiatere Ausgabe ihrer Selbst funktionieren könnten.

    Nun gab es bei „Celestial Lineage“ aber mehrere Paradigmenwechsel, und ich habe selbst im Vorfeld am wenigsten geglaubt, wie positiv sie sich auf die verfahrene kreative Situation im Hause WITTR auswirken würden. Das 4 Songs pro Album-Dogma wurde aufgegeben, die Stücke sind erstaunlich kurz („Thuja Magus Imperium“ ist mit 11:44 Minuten der längste). Auf „Two Hunters“, dessen wenige, aber prägnante Ideen pro Song nach gewissenhafter Ausarbeitung und Unterordnung gegenüber der Atmosphäre verlangten, hätte diese Herangehensweise nicht funktioniert. Auf „Black Cascade“ hatten die Songideen nichts, dem sie sich unterordnen konnten (und das ihnen also Sinn verlieh). Also mussten die Kompositionsprinzipien geändert werden. Statt Ausdehnung jetzt also Verdichtung – und es ist erstaunlich, wie gut es hier funktioniert. Der Opener „Thuja Magus Imperium“, ihr vielleicht bester Song, bringt auf den Punkt, was „Celestial Lineage“ ausmacht: Schon dieser erste und absolut beeindruckende Auftritt der wieder mit der Band zusammenarbeitenden Jessika Kenney erfüllt den Klangraum mit einer großen, elektrisierenden Spannung. Man hat diese Stimme vermisst, doch noch mehr hat man die Umgebung vermisst, in der sie wirken könnte und die ihr „Black Cascade“ nicht bot. Dabei hängt auch der beste Spannungsaufbau von seiner möglichst wirksamen Auflösung ab (looking at YOU, Echtra), und auch hier geben Wolves In The Throne Room sich keine Blöße. Es folgen: Wolkenbrüche, Hagelstürme, ein kurzes, aber schier zerreißend intensives Gitarrensolo, ein hochdynamisches Drumming, das gegen die Selbstbeherrschung angehtt, welche auf dem Vorgängeralbum kultiviert wurde, Melodiebögen von einer Größe, die man, egal, wieviel man von der Band vorher hielt, ihr nicht zugetraut hätte. Kaum zu fassen, wieviel Selbstbewusstsein Wolves In The Throne Room in den zwei Jahren seit „Black Cascade“ erlangt haben. Sie haben den Gipfel, den höchsten Crescendomoment, den sie zuvor nur gelegentlich streiften, gefunden und tausendfach vergrößert, sie zerschlagen mit tänzerischer Eleganz die Grenze zwischen Besinnung und Besinnungslosigkeit, hinter der nächtliche Schwärze mit einem blendenden Gleißen und der freie Fall mit einem Gefühl der Erhebung gleichgesetzt werden. In seiner Art, wie es Intensitätshöhepunkte aneinanderreiht (und dabei die Nahtstellen komplett verschwinden lässt – hier ist alles ein organisches Ganzes), fühlt „Thuja Magus Imperium“ sich an, als würde der Körper von mehreren Tausend Volt durchströmt werden. Das Beste an „Celestial Lineage“: Genau dieses Grundgefühl wird auf den folgenden Songs beibehalten.

    Auch im kaum zweiminütigen Interludium „Permanent Changes in Consciousness“ kommt der Puls nicht wieder herunter auf einen Normalwert. Wenn auch in ambientartigen Zwischenspielen wie dem genannten Track und „Rainbow Illness“ doch scheinbar nicht viel passiert, das klangliche Gesamtbild präsentiert sich als eine impressionistische Aufschichtungsarbeit, mit deren Entschlüsselung und Neuzusammensetzung man Stunden verbringen könnte. Jedes kleine Detail ist faszinierend und bringt das Gesamtwerk umso mehr zum Strahlen. Weil Wolves In The Throne Room hier alles und sofort wollen, die innere Einkehr genauso wie die Ekstase, die virtuose Kompositionskunst genauso wie den atmosphärischen Blindgang, gilt auf „Celestial Lineage“ das Unterordnungsprinzip nicht mehr. Nun war schon oft das Einzige, wessen sich Künstler, die alles und sofort wollten, rühmen konnten, das noble Scheitern. Bei WITTR wird diese nur scheinbare Überambition dabei nicht zum Stolperstein, sondern zum Motor ihrer Songs. Dass die Band nicht den Zeitpunkt abwartet, an dem es am besten ist, einen bestimmten Trumpf auszuspielen, sorgt völlig überraschenderweise für ein überwältigendes Ergebnis. So schwächen die kristallinen Synthesizer die rohe Wucht von „Subterranean Initiation“ zu keinem Moment ab, sondern gebären im Schlussteil eine Melodie, die den Song erst vollendet. Auch die recht angriffslustige Gesamtattitüde von „Astral Blood“ wird nicht vom Einbruch des Unerwarteten in den Schatten gestellt. Die pendelnde Tonfolge, die die Harfe einleitet, ist ein Walzer auf Black Metal-Fundament, immer entlang am Rand der Klippe und mit dem Blick auf den Abgrund gerichtet.

    Auch Ruheinseln entwickeln hier ihre ureigene Anziehungskraft. „Woodland Cathedral“ verharrt in seiner sakralen Starre und ambientalen Rhythmuslosigkeit, stark verzerrte, aber vollkommen ruhige Gitarren und Orgeln steigen langsam auf und setzen sich an den inneren Wänden der Kirchenkuppel ab. Jessika Kenneys Choralarrangements sind der Mittelpunkt dieses Stücks und das irreale, aber warme Leuchten, das von ihm ausgeht. Für einen Moment können sie sich in die Höhe schrauben und gegen die Harmonie des Songs angehen, dann fangen sie den Hörer mit seinem erschütterten Gravitätssinn aber umso zärtlicher wieder auf. Das Versinken und Auflösen ist sanft und langsam, am Ende ist man alles, und nichts. Der Schlusstrack „Prayer of Transformation“ ist schließlich ein Requiem, ein Todesmarsch, der seine gravitätische Schönheit durch keine Stimmungs- oder Tempowechsel bricht oder infrage stellt. Hier kehrt ein Album, das zuvor durch einen erhellenden, maßlosen Wahnsinn geglänzt hat, in sich, und findet seinen bestmöglichen Abschluss.

    „Celestial Lineage“ ist ein gewaltiger Befreiungsschlag. Diese Musik hat keine Verwurzelung in dieser kleinen, verschworenen USBM-Subszene mehr, die nun von gewissenhaften Minimalisten im Geiste Weaklings wie zum Beispiel Fell Voices, Ash Borer und Lake of Blood beackert wird und der „Black Cascade“ noch in seinem Unterton Tribut gezollt hat. Hier gibt es keine verschiedenen Länderschulen mehr, es werden keine geographischen Grenzen überschritten, wo es keine gibt. Wolves In The Throne Room entsagen hier aber auch den selbstauferlegten Beschränkungen. Daran, was „Celestial Lineage“ an Einfallsreichtum und Intensität in die Waagschale wirft, wäre „Two Hunters“ zerbrochen. Nun heißt dies aber nicht, dieses so wunderbar gelungene Album würde seine Vorgänger in meiner Gunst durch den direkten Vergleich noch sinken lassen – sein Glanz erhellt sie. Beide bekommen ihre dramaturgische Funktion in der Trilogie. Einen besseren Abschluss – sowohl für den Konzeptzyklus als auch für die Bandlaufbahn – hätte es nicht geben können.

    http://www.youtube.com/watch?v=1AdfkejJDao
    http://www.youtube.com/watch?v=4lmjAgPAc0U

    #6360443  | PERMALINK

    tonitasten

    Registriert seit: 13.08.2011

    Beiträge: 1,998

    Auch wenn ich mich bisher an jedes Detail klammere, das sich im Ohr festsetzt und langsam seine Wurzeln schlägt, braucht die Platte bei mir noch Zeit und intensive Beschäftigung.

    Ich lese außerdem deine Reviews verdammt gerne. Dass man Hörerlebnisse so präzise mit schönen Worten umschreiben kann und dabei den IST- Zustand einer Band im Kern so genau trifft, erstaunt mich immer wieder. Manche Plattenkäufe hab ich schon aufgrund deiner Empfehlung getätigt und es bisher nie bereut.

    @Dancing Mad God: Mit der Review des Trip-Hop-Tapes wirds erst nächste Woche was, hab es aber schon zweimal durchlaufen lassen und es gefällt mir ausgesprochen prima.

    --

    #6360445  | PERMALINK

    palez

    Registriert seit: 04.01.2007

    Beiträge: 10,795

    tonitastenIch lese außerdem deine Reviews verdammt gerne. Dass man Hörerlebnisse so präzise mit schönen Worten umschreiben kann und dabei den IST- Zustand einer Band im Kern so genau trifft, erstaunt mich immer wieder. Manche Plattenkäufe hab ich schon aufgrund deiner Empfehlung getätigt und es bisher nie bereut.

    🙂 Dankesehr! Welche Plattenkäufe waren das denn?

    #6360447  | PERMALINK

    tonitasten

    Registriert seit: 13.08.2011

    Beiträge: 1,998

    palez🙂 Dankesehr! Welche Plattenkäufe waren das denn?

    In letzter Zeit:

    SubRosa- No Help For The Mighty Ones
    Crippled Black Phoenix- The Resurrectionists/Night Raider
    Slowdive- Souvlaki
    PJ Harvey- Rid Of Me

    Und sicherlich noch einige andere Käufe, wo mir in den Sinn kam, da hab ich doch mal was von dir drüber gelesen. 😐

    --

    #6360449  | PERMALINK

    palez

    Registriert seit: 04.01.2007

    Beiträge: 10,795

    tonitastenUnd sicherlich noch einige andere Käufe, wo mir in den Sinn kam, da hab ich doch mal was von dir drüber gelesen. 😐

    Ich habe irgendwann mal angefangen, alle meine bisher virtuell veröffentlichten Reviews zu einem riesigen schriftlichen Vermächtnis aufzutürmen, nur, um mal zu sehen, wieviel sich da über die Jahre überhaupt angesammelt hat. Habe ich seit ein paar Monaten nicht mehr gemacht, dürfte sich aber in etwa auf 300-330 Word-Seiten belaufen. Ich würde sagen, damit bist du für ’ne Weile versorgt. :haha:

    #6360451  | PERMALINK

    tonitasten

    Registriert seit: 13.08.2011

    Beiträge: 1,998

    palezIch habe irgendwann mal angefangen, alle meine bisher virtuell veröffentlichten Reviews zu einem riesigen schriftlichen Vermächtnis aufzutürmen, nur, um mal zu sehen, wieviel sich da über die Jahre überhaupt angesammelt hat. Habe ich seit ein paar Monaten nicht mehr gemacht, dürfte sich aber in etwa auf 300-330 Word-Seiten belaufen. Ich würde sagen, damit bist du für ’ne Weile versorgt. :haha:

    Und würde über die Zeit auch verdammt teuer werden. 😮

    Hätte aber trotzdem Interesse, das alles mal zu lesen.

    --

    #6360453  | PERMALINK

    Nezyrael

    Registriert seit: 05.11.2009

    Beiträge: 21,410

    Verrückter Kerl…^^

    --

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    #6360455  | PERMALINK

    palez

    Registriert seit: 04.01.2007

    Beiträge: 10,795

    NezyraelVerrückter Kerl…^^

    Toni? Weil er meine Musikempfehlungen beherzigt und meine Reviews gerne liest? Dankeschön, du Wurst mit drei Beinen. :haha:

    #6360457  | PERMALINK

    Nezyrael

    Registriert seit: 05.11.2009

    Beiträge: 21,410

    Ich lese deine Reviews auch gerne, aber 300 Seiten am Stück :aah:

    --

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    #6360459  | PERMALINK

    palez

    Registriert seit: 04.01.2007

    Beiträge: 10,795

    Man ist ja nun auch nicht gezwungen, das Ding am Stück durchzulesen.
    Ich frage mich, ob es mir gelingt, noch dieses Jahr die 400 Seiten vollzubekommen…

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