Eine wunderbare Welt gebaut aus dem gärenden Abfall dieser Zivilisation- Bewertungsthread zwischen tonitasten und Dancing Mad God

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  • #6733349  | PERMALINK

    Clemente

    Registriert seit: 24.08.2008

    Beiträge: 3,950

    Ich hab mal etwas mitgelesen und mich ein bisschen durchgehört und etliche neue und interessante Sachen entdeckt – könnte ich die Sampler wohl auch haben?

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    #6733351  | PERMALINK

    Dancing Mad God

    Registriert seit: 22.03.2011

    Beiträge: 804

    Caspar Brötzmann Massaker – Schwarze Folklore

    Der folgende Trip startet mit monotonen, metallisch klingenden Drumschlägen und einer hohl vor sich hinschmirgelnden Gitarre, die eine bizarre, disharmonische Halbmelodie zum Besten gibt. So weit, so gut: Das ist der Stoff, aus dem Albträume entstehen können.
    Das Klangbild wird mit zusätzlichen Gitarren angereichert, die immer wieder aufjaulen und wieder verstummen, schließlich wird es ruhig und im Hintergrund jammert ein Synthie. Eine Stimme setzt ein, die nicht singt, sondern erzählt; mit ausdrucksloser Stimme, wie nach einem Schock, berichtet sie über eine verhängnisvollen Marsch in die Berge. Als sie verstummt, hinterlässt sie Lärmflächen, heftige Drums und surreal verfremdete Gitarren – noch kann ich damit wenig anfangen, es gibt keine Orientierung, ich weiß nicht wohin der Song steuert. Nach einer Weile kehrt der Song in sein Zentrum zurück: Apathische Stimme, monoton schepperndes Schlagzeug, ruhige aber verstörende Klangkulisse im Hintergrund. Die Ruhe vor einem bösartigen Sturm.
    Der bricht los, als die Gitarren wieder an Gewicht zunehmen, zusammen mit dem Schlagzeug, das periodische Anfälle von Brutalität zeigt, während der Erzähler mit nun besessen klingender Stimme von schwarzen Wänden schwadroniert, die sich vor ihm aufbauen – eine beängstigend okkulte Stimmung wie bei der Walpurgisnacht, wo sich ein Sterblicher mitten in die finstersten Hexenrituale auf dem Blocksberg verirrt hat.

    Wenn ich irgendetwas kritisieren müsste, dann vielleicht, dass der Build-up und die Entladung am Ende in keinem Verhältnis stehen – der lärmige Part mit den schwarzen Wänden hätte ruhig länger dauern können. Aber da der Aufbau glücklicherweise nicht bloß aus Langeweile besteht (die ja manche Bands mit „Suspension“ zu verwechseln scheinen), sondern sehr effektiv Stimmung macht, fällt das für mich kaum ins Gewicht. Sehr cooler Song, wie ist denn der Rest des Albums so?

    Eivind Aarset & The Sonic Codex Orchestra – Sign Of Seven (Live)

    Eine Live-Aufnahme also. Wieso das denn? Nun, weil’s geil ist, offensichtlich.
    Eivind Aarset & The Sonic Codex Orchestra spielen jazz-rockigen Lärm, der mir eine Menge Spaß macht, obwohl ich zugeben muss, mit Jazz-Strukturen und Improvisation sonst nur in Ausnahmefällen etwas anfangen zu können. Aber gut, wir sammeln Ausnahmen, bis sie zur Regel werden und meiner Sammlung kann ich hiermit ein neues Prachtexemplar hinzufügen.

    Der norwegische Gitarrist und seine Kumpane steigen gleich gut ein mit einem düsteren Grundriff, dem aber die Jazz-Smoothness nicht fehlt, und gelegentlich aufheulenden Bläsern. Natürlich darf auch soundprägende Gitarrenarbeit nicht fehlen, die aber glücklicherweise nie in Angeber-Gefrickel ausartet, sondern mit ihrem noisigen, gewohnte Harmonien elegant umschiffenden Eskapaden immer auch atmosphärisch bleibt.
    Besagte Atmosphäre passt besondern gut zum vorangehenden Stück, weil wir die Szenerie des Walpurgis-Rituals weiterhin aufrecht erhalten können, nur dass wir diesmal die Perspektive der Hexen einnehmen. So ist das Ereignis hier nicht von Verstörung und Trauma, sondern von morbider Begeisterung und Ekstase geprägt – wobei letztere insbesondere durch das herrlich fiese Gitarrenquietschen nach sieben Minuten zum Ausdruck kommt. Das Finale, in dem Aarset und Konsorten noch einmal in die Vollen gehen und eine regelrechte (schwarze) Wand aus Geräuschen aufbauen, profitiert besonders vom organisch-unsauberen Live-Sound, sodass ich die Auswahl dieser Aufnahme absolut nachvollziehen kann.

    Ein weiteres tolles Stück, das für mich fast schon zu einer Einheit mit seinem Vorgänger verschmilzt und gemeinsam mit Leakh wohl den Höhepunkt des Samplers darstellt. Auch hier frage ich mich, ob ich damit wohl auf Albumlänge etwas anfangen könnte…

    Faith No More – Malpractice

    Faith No More, eine Band, gegen die ich mich bei der Samplerplanung ja eigentlich etwas gewehrt hatte. Um das gleich vorwegzunehmen: Ich habe nicht viel an „Malpractice“ auszusetzen, das Lied hat toni geschickt beuteschemagerecht ausgewählt und die vier Minuten machen ja eigentlich schon Spaß. Trotzdem habe ich nicht viel Lust, mich mit FNM zu beschäftigen und Mike Patton ist mir nicht unbedingt sympathisch. Dessen Ruf als bedingungsloser Experimentator ist für mich nämlich ein zweischneidiges Schwert: Während ich musikalische Experimente durchaus schätze, wenn sie der Findung eines einzigartigen künstlerischen Ausdrucks dienen, sind sie als reiner Selbstzweck ähnlich wertlos wie grandiose Spieltechnik ohne emotionale Substanz dahinter.

    Da das Fazit nun schon gezogen ist, ein paar Worte zum eigentlichen Song: Der macht es mir, wie erwähnt, ziemlich leicht, ihn zu mögen. Die harten Gitarren mit unheilschwangerer Synthie-Untermalung erzeugen vom ersten Takt an eine düstere Atmosphäre, Pattons gemischter Salat aus Gesangsstilen wirkt sinnvoll zusammengestellt und der kleine WTF-Part nach zweieinhalb Minuten mit seinem unschuldig-fröhlichem Glockenspiel-Keyboard verleiht dem Track etwas Besonderes und lässt die sofort wieder einsetzende Finsternis sogar noch etwas bedrückender wirken als zuvor.

    Wie gesagt, im Samplerkontext eigentlich alles richtig gemacht. Sollten Faith No More mal ein ganzes Album in genau diesem Stil eingespielt haben, würde ich wahrscheinlich sogar ein Ohr riskieren, aber nach allem, was ich von denen bisher so gehört habe, zweifle ich daran.

    Kayo Dot – The Awkard Wind Wheel

    Was haben wir hier? Ein unbeholfenes Windrad also. Die Band Kayo Dot kenne ich als Urheber stockfinsterer Post-Rock/Noise-Soundwände, mit denen dieses Stück aber nur wenig zu tun hat.
    Stattdessen wird es einmal mehr jazzig. Anfangs relativ chaotisch, woran das hektische Schlagzeug die Hauptschuld trägt, bewegen sich die einzelnen Stränge des Stücks – Synthies, Bläser, Gesang – im weiteren Verlauf immer mehr in eine Richtung, bis Synthesizer und Klarinette (?) nach ungefähr zwei Minuten eine Melodie zum Besten geben, die auch im Intro einer Sitcom aus den 90ern laufen könnte. Danach wird alles wieder jazz-typisch durcheinander gewirbelt, der Sänger taucht nur noch als verzerrtes Rufen weit im Hintergrund auf, was mit eigentlich gut gefällt.
    Nichtsdestotrotz fällt es mir extrem schwer, dem Song irgendwelche Gefühle, Bilder oder sonst etwas Greifbares zuzuordnen. Obwohl er gerade mal dreieinhalb Minuten lang ist, empfinde ich ihn als sehr anstrengend und meine Anstrengungen fördern leider nichts zutage, was mir irgendeine Form von Befriedigung verschafft; einfacher ausgedrückt kann ich mit „The Awkward Wind Wheel“ einfach nicht viel anfangen.

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    [indent]Jerry lacht wie ein Kind. Schlurft wie ein alter Mann. Langsame, schleppende Sprache. Zufällige Gedanken, die in einem sterbenden Gehirn hängenbleiben. Verworrene Erinnerungen. Stimmen, die sonst niemand hört.[/indent]
    #6733353  | PERMALINK

    tonitasten

    Registriert seit: 13.08.2011

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    Gut, dass dir die Sachen gefallen (hätte ich bei Faith No More doch nicht erwartet).

    „Der Abend der schwarzen Folklore“ ist wohl Caspar Brötzmann Massaker´s noisigstes Album, hat aber wie auf den vorhergehenden Alben auch einiges an Improvisation. „Black Axis“ ist da noch krasser, was den etwas an Hendrix gemahnenden Improvisationsanteil angeht. Er ist aber auch mit den Experimentaljazzer Peter Brötzmann verwandt und hat auch mit ihn schon zusammengearbeitet. Da scheint auch der Einfluss für manches Ausufernde herzurühren. Von der Stimmung find ich Caspar Brötzmann aber klasse. Auch von seinen beängstigenden Gitarrenläufen. Rocken tut das auch. Würde ich vorher am besten mal aus dem Netz laden, da die Alben nur schwer erhältlich sind.

    The Tribe vom Album Black Axis

    http://www.youtube.com/watch?v=sLcrljIeYNY

    Bei Eivind Aarset würde ich zu der Live Extracts greifen. Sehr atmosphärisch (fast postrockig), aber manchmal auch zupackend und ausufernd (ohne dass es zum Selbstzweck mutiert). Müsste dir gefallen.

    http://www.youtube.com/watch?v=eWwhiHwo76s

    „Angel Dust“ von Faith No More hat im Grunde diese düstere Atmosphäre auf gesamter Albumlänge, ist aber nicht so abgedreht, wie der Track auf meinen Sampler, besitzt aber eine Menge Hits. :haha:

    http://www.youtube.com/watch?v=RSzGKJ4GwHA&feature=related

    Bei Kayo Dot wird Blue Lambency Downward wohl nichts für dich sein, da dieses verspielt jazzige im Grunde die ganze Platte durchzieht.

    http://www.youtube.com/watch?v=jEP3q4dFAUQ

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    #6733355  | PERMALINK

    Dancing Mad God

    Registriert seit: 22.03.2011

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    Also „Drøbak Saray“ klingt ja auch total großartig, wenn auch völlig anders als „Sign Of Seven.“ Dieses Live-Album ist jetzt gerade sehr interessant für mich geworden, kannst du zufällig einen Vergleich zum Studio-Album Sonic Codex ziehen, wo diese beiden Songs ja auch drauf sind?

    Der andere Track von Brötzmann ist ebenfalls sehr interessant, aber das Album dazu scheint echt nur noch für viel Geld den Besitzer zu wechseln. Der Abend der schwarzen Folklore wäre aber zumindest eine Überlegung wert…

    Übrigens hat mich der Jazz-Rock-Part, insbesondere Aarset, atmosphärisch an Die Haut erinnert. Kennst du die? http://www.youtube.com/watch?v=RjDQFJXxtHw

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    [indent]Jerry lacht wie ein Kind. Schlurft wie ein alter Mann. Langsame, schleppende Sprache. Zufällige Gedanken, die in einem sterbenden Gehirn hängenbleiben. Verworrene Erinnerungen. Stimmen, die sonst niemand hört.[/indent]
    #6733357  | PERMALINK

    tonitasten

    Registriert seit: 13.08.2011

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    Die Haut sagen mir zumindestens vom Namen was und in Verbindung mit Nick Cave.

    Und Aarset ist auf seinen Alben weitaus verspielt elektronischer (ähnlich wie bei Molvaer), ohne diese spezielle Atmosphäre einzubüßen. Die Live Extracts ist da schon die rockigste Scheibe von ihn.

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    #6733359  | PERMALINK

    Delirium

    Registriert seit: 05.10.2007

    Beiträge: 9,146

    Aarset ist so super. Sehe ich Freitag live, mal sehen was sein neues Album so zu bieten hat…

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    Ich meineseits finde [COLOR=#ff0000]Black Metal[/COLOR] ziemlich krass und düster , langweilt aber meinermeinug auf dauer. Die erste von Behemooth ist zu empfehlen.
    #6733361  | PERMALINK

    tonitasten

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    DeliriumAarset ist so super. Sehe ich Freitag live, mal sehen was sein neues Album so zu bieten hat…

    Von der kenne ich nur „The Beauty Of Decay“. Sind aber sehr schöne, dunkelätherische Klangbilder, die etwas an Terje Rypdal oder Pat Metheny erinnern. Bin da auch sehr gespannt.

    Notier ich mir mal auf meinen Einkaufszettel neben Rypdals „Odyssey“.

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    #6733363  | PERMALINK

    Delirium

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    tonitastenVon der kenne ich nur „The Beauty Of Decay“. Sind aber sehr schöne, dunkelätherische Klangbilder, die etwas an Terje Rypdal oder Pat Metheny erinnern. Bin da auch sehr gespannt.

    An Rypdal fühle ich mich auch etwas erinnert. Live war das Ganze auf jeden Fall eine absolute Macht. Ein Set mit Songs vom neuen Album, diversen Songs von der „Light Extracts“ und anderen Spielereien. Zwei Schlagzeuger/Percussionisten, ein alles zerlegender Bass und alles auf der Grundlage von Aarsets Klanggerüsten. Das ganze in einem ehemaligen Luftschutzbunker. War absolut lohnenswert.

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    Ich meineseits finde [COLOR=#ff0000]Black Metal[/COLOR] ziemlich krass und düster , langweilt aber meinermeinug auf dauer. Die erste von Behemooth ist zu empfehlen.
    #6733365  | PERMALINK

    Dancing Mad God

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    The Afghan Whigs – Debonair

    Wie geht’s nun weiter? Mit Indie-Pop skandinavischer Machart, der wohl vor allem von Hipstern gehört wurde, bevor die anfingen, sich für Black Metal zu interessieren.
    Nein, ganz falsch. Wie die schlaue Tante Wikipedia mir verrät, stammen The Afghan Whigs aus den Staaten und sind Mando Diao und Konsorten ein gutes Jahrzehnt voraus; 1986 gegründet und in den frühen 90ern auf dem Zenit ihres Erfolgs angekommen, spielten die afghanischen Perücken (verdammt, ein h zuviel…was zum Teufen heißt „Whigs“?) solcherlei eingängigen Pop-Rock schon lange, bevor er Anspruch auf den Löwenanteil jeder „alternativen“ Disco-Playlist erhob.
    Macht das die Sache jedoch soviel besser? Als Guilty Pleasure wären die Afghan Whigs mit dieser Geschichte im Hintergrund wahrscheinlich wesentlich besser verdaulich, aber wie die Dinge liegen, gibt mir die Musik nicht sonderlich viel.
    In den Strophen hält sich die Gitarren dezent im Hintergrund, der Bass brummelt munter vor sich hin, das Schlagzeug macht einen guten Job; im Refrain kriegt man dann ein bisschen mehr von den Gitarren mit (man spielt ja Rock) und über allem thront jederzeit der Sänger mit seinem theatralisch angerauten Vortrag über…habichnichtdraufgeachtet, enttäuschte Liebe wahrscheinlich. Vor meinem inneren Auge steht da ein Mädchenschwarm mit schulterlangem Haar und kalkuliert gewagtem Kleidungsstil, über den sich längst sämtliche H&M-Designer hergemacht haben. ’93 hin oder her, meine Vorurteile kuschen doch nicht vor so ein bisschen Wikipedia-Factcheck…

    Fürs Protokoll: Natürlich ist mir bewusst, dass ich der Band wahrscheinlich bitteres Unrecht tue. Aber ebenso ist mir bewusst, dass Lieder wie „Debonair“ mich einfach zu Tode langweilen.

    Anacrusis – Tools Of Seperation

    Anacrusis lassen es da gleich drei Ecken härter angehen als ihre Sampler-Vorgänger; zumindest lässt die erste halbe Minute darauf schließen, in der auf Verstärker-Brummen thrashige Gitarren und ein Metal-typischer Aufschrei folgen. Die eigentlichen Vocals gestalten sich dann etwas gewöhnungsbedürftig als ein ständiger Wechsel zwischen Klargesang und wütenden Shouts, die beide irritierend genau der Melodie dem Rhythmus des Hauptriffs folgen. Immer wieder eingeschoben wird ein ruhiger Part (ich vermute, es ist eine Art Refrain, bin mir aufgrund der Songstruktur aber nicht ganz sicher), der von Keyboards und cleanem Gesang dominiert wird.
    Gleich zweimal gibt es die von mir so heißtgeliebten Gitarrensoli zu hören, einmal als melodiöser Alleingang, der im Kontext des Songs sogar noch irgendwie Sinn ergibt (wenngleich mir das Dargebotene etwas zu cheesy klingt) und dann – nach einem coolen ruhigen Part mit Feedback, unverzerrter Gitarre und dezenten Keys – noch einmal in Form der typischen nichtssagenden Fingerübung, auf die Fans klassischen Metals so abfahren.
    Tja, und dann klingt der Song auch schon aus, mit leiser werdenden Drumschlägen und einem weit in den Hintergrund gerückten, fast sakral anmutenden Singsang, der mir von allen Gesangsleistungen des Liedes fast am besten gefällt.

    Wie immer, wenn ich eher das Lied beschreibe, als das, was sich an Bildern in meinem Kopf abspielt, kann man davon ausgehen, dass mein mentaler Projektor mal wieder gestreikt und der Song leider nichts Nennenswertes in mir ausgelöst hat. Für Fans von Thrash-Metal, der sich einige Schritte jenseits der herkömmlichen Genregrenzen bewegt, ist das hier sicherlich interessant; ich aber kratze mich nur kurz am Kopf und wende mich anderen Dingen zu.

    Gong – Other Side Of The Sky

    In diesem Falle Gong, die mal wieder ein musikalisches Kontrastprogramm verheißen. Nichtsdestotrotz muss ich anmerken, dass der Übergang von Anacrusis besser nicht hätte sein können: Auf das entrückte Säuseln von deren Sänger folgt hier nämlich umgehend eine ebenso entrückte Frauenstimme, die etwas rezitiert, das wie ein Gebet eines matriarchalischen Fruchtbarkeitskultes klingt: „She is the mother of everything and you are her egg!“
    Nach dieser fundamentalen Weisheit macht sich der Song daran, langsam aber stetig aus seiner Schale zu schlüpfen, Ton für Ton und Schicht für Schicht von abstrakten elektronischen Klängen, die alleine nichts, aber zusammen zumindest interessant sind; ebenso wie das typische Jaulen von Blechbläsern, das sich in die Collage mischt.
    Weitere esoterische Zeilen, diesmal von einer Männerstimme vorgetragen und dann kann man schon das Schnäbelchen des Songs aus der Hülle des Eis hervorlugen sehen…
    …das übrigens schwerelos durch die Weiten des Weltalls schwebt. Spacige Sounds dominieren plötzlich den Song und ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Gong Freunde von Lysergsäurediethylamid und ähnlichen psychotropen Substanzen sind. Anders kann ich mir zumindest nicht erklären, dass die Blechbläser prägnanter denn je zurückkehren, Psychedelic-Rock-Gitarren und ein orientalisch anmutendes Sprachsample im Schlepptau – und das alles gar nicht mal so out of place wirkt, wie es in meinem Kopf eigentlich sollte. Da besagter Kopf sich aber längst auf der anderen Seite des Himmels befindet und ich gerade sowieso damit beschäftigt bin, meinen drei neuen Armen das Tippen auf einer Laptop-Tastatur beizubringen, sollte ich mir über derlei Details wohl keine weiteren Gedanken machen.

    Obwohl Gong wohl dem Psychedelic Rock zugeordnet werden, würde ich sie musikalisch in die Nähe von Psybient-Kram wie den von h0az geliebten Shpongle stellen; und obwohl diese ganze Drogen-Musik nicht so richtig mein Fall ist (Mysticum mal ausgenommen, die dir ja leider nicht gefallen haben), fand ich den Track doch ziemlich cool.

    Neneh Cherry & The Thing – Too Tough To Die

    Jetzt also John McClanes neuer Lieblingssong, zumindest dem Titel nach zu urteilen.
    Monotonie ist ja so eine Sache: Richtig eingesetzt kann sie für sich allein genommen unglaublich intensive Stimmung erzeugen, sie kann auch ein Fundament für verspielte Elemente im Vordergrund sein oder schlicht und ergreifend gähnende Langeweile verbreiten. Hier haben wir es – zumindest über weite Strecken – mit dem zweiten Fall zu tun.

    Im Intro sägen tiefe Streicher um die Wette (Cello und Contrabass? Ignorance is piss…), die eine irreführend geruhsame Atmosphäre verbreiten. Nach einer knappen Minute bringt eine vorsichtig groovende Bassline Bewegung in die Sache, die schließlich durch jazzig vertracktes Schlagzeug und ein Blasinstrument (mein Tipp ist diesmal Saxophon) unterstützt wird. Und hier kommt die Monotonie ins Spiel: Die meiste Zeit nämlich spielt das Sax ungefähr das Gleiche wie der Bass, eher einen Rhythmus als eine Melodie, aus kaum mehr als drei Tönen.
    Auf diese Bühne tritt nun Nenehs Gesang, der rauchigen Wohlklang zum Besten gibt, sich aber immer wieder auch zu überraschender Stimmakrobatik hinreißen lässt, die mich mangels Referenzen an eine zahmere Diamanda Galás (mit Black-Music-Hintergrund) denken lässt. Das alles ist schon ziemlich cool, aber wenn das Saxophon im Hintergrund auch noch anfängt, ein bisschen Terror zu machen und man sich zwischen spitzen schreien und aufkreischendem Blechbläser fühlt, als hätte man im Zoo die falsche Tür erwischt und sei zur Brutzeit im Schwanengehege gelandet – dann macht „Too Tough To Die“ so richtig Spaß.

    Auf Albumlänge ist das erstmal nicht so richtig interessant für mich, außer es ginge da noch etwas dreckiger und lärmiger zu…aber ein schöner Einzelsong ist es allemal.

    McSolaar With Ron Carter – Un Enge en Danger

    Ron Carter? War der nicht mal US-Präsident? Ach nee, das war der Jimmy.
    Wie dem auch sei, hier haben wir französischen Hip-Hop, der…tja…der schon hörbar ist, würde ich sagen. Der Beat wirkt mit seinem gesampleten Saxophon und der melodischen Bassline wiederum leicht jazzig (was auch Sinn ergibt, da dieser Carter wohl Jazz-Bassist ist), der Rap scheint kompetent, verstehen tu ich kein Wort. Insgesamt ist mir alles etwas zu freundlich, ich mag meinen Hip-Hop dunkel und schmutzig (welche Überraschung), das hier ist nicht meine Baustelle.
    Natürlich könnte es sein, dass der vordergründig entspannte und sonnenbeschienene Track durch einen bitterbösen Text konterkariert wird – das wäre dann leider eine Perle, die vor die Sau geworfen wurde. So gibt mir das jedenfalls verschwindend wenig.

    Clock DVA – Uncertain

    Und noch ein weiteres Genre, das mit Jazz gekreuzt wurde – wittere ich da eine Methode im Wahsninn dieses Samplers? Diesmal ist es die Post-Punk-(und später Dark-Electro-)Band Clock DVA, welche ihre Früh-80er-Soundscapes mit experimentellen Jazz-Elementen anreichert.
    Für dieses Unterfangen nimmt sich die Band sieben Minuten lang Zeit und das ermöglicht ihnen unter anderem, mit einem mit zweieinhalb Minuten recht ausführlichen „Intro“ zu starten, das durch verhallte Posaunen (?), maschinelle Samples und strukturloses Trompeten-Quietschen einen flächigen Sound erzeugt, der mich an die Ambient-Ausflüge Nils Petter Molværs einige Jahrzehnte später erinnert; die industriell-düstere Atmosphäre der Samples gibt außerdem einen Vorgeschmack darauf, in welche Richtung sich die Band in den 90ern entwickeln sollte.
    Schließlich setzen Post-Punk-typische Rhythmen ein, gemeinsam mit Gitarrenlicks, die zwar die jazzige Verspieltheit erhalten, zu meinem Leidwesen aber mit der Dunkelheit des Intros etwas brechen. Dafür, dass diese nicht völlig verschwindet, sorgt allerdings das bedrohlich gequetschte Organ des Sängers, der trotz noch fehlender Verzerrung den größten Wiedererkennungswert mit späteren Werken der Band besitzt. Insbesondere in der zweiten Hälfte gibt es dank vieler elektronischer Spielereien, die auf das Post-Punk-Fundament gestapelt werden, einiges zu entdecken, allerdings muss man sich hier auch besonders konzentrieren, um vom vielschichtigen Sound gefangen genommen zu werden; mir ist es zumindest des Öfteren passiert, dass die letzten Minuten einfach als abstraktes Geräuschgebilde an mir vorbeigerauscht sind.
    Die nötige Aufmerksamkeit vorausgesetzt, können Clock DVA mit ihrem Frühwerk den Hörer aber durchaus in eine bizarre Paralleldimension entführen, in der die Sinne getäuscht werden und Orientierung unweigerlich verloren geht. Dafür meinen Respekt.

    The The – Giant

    The The. Ich nehme an, irgendeine Band musste sich diesen Namen geben, aber dass es schon in den frühen 80ern so weit war…
    Wir haben also ein weiteres Mal Post-Punk, der diesmal an der Zehn-Minuten-Marke kratzt. Es beginnt mit dem nervösen Ticken einer hyperaktiven Eieruhr, gefolgt von einem programmierten Beat, der so wirklich nur während der 80er (und diversen Retro-Wellen) möglich war. Die Rhythmus-Fraktion wird von einem deutlich gealterten Keyboard-Effekt und leicht affektiertem Gesang zu einem vollständigen Song ergänzt, durch den zwischendurch noch ein fast karibisch anmutendes Xylophon-Imitat tänzelt. Nach und nach werden zusätzliche Schlagzeug-Elemente zur Melange hinzugefügt und nach vier Minuten sind die Drums Post-Punk-typisch dicht und tragen den Song nach Aussetzen der Keyboards zwischendurch auch problemlos alleine.
    Die Vocals werden indessen im Verlauf des Songs durch fast grölenden Chorgesang ersetzt, wie von Hippie-Studenten, die auf weichen Drogen und in der Illusion einer spirituellen Erfahrung um ein Feuer herumtanzen. Die zum Schluss einsetzende Keyboard-Melodie (die noch einmal einen neuen Effekt zu bieten hat – man lässt sich ja nicht lumpen!) könnte in einem anderen musikalischen Kontext als Lichtschimmer wunderbar funktionieren; da der Song aber bereits so lichtdurchlässig ist wie die frischgeputzten Fensterscheiben meines Elternhauses, verpufft dieses Stilmittel leider, ohne mich wirklich beeindrucken zu können.

    Und das gilt leider für den ganzen Song. Irgendwie ist er schon nett gemacht, aber für mein Empfinden hat er die vergangenen Jahrzehnte nicht gut überstanden und in rein emotionaler Hinsicht gibt es für mich auch nicht sonderlich viel Veranlassung, mir sowas anzuhören.

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    [indent]Jerry lacht wie ein Kind. Schlurft wie ein alter Mann. Langsame, schleppende Sprache. Zufällige Gedanken, die in einem sterbenden Gehirn hängenbleiben. Verworrene Erinnerungen. Stimmen, die sonst niemand hört.[/indent]
    #6733367  | PERMALINK

    palez

    Registriert seit: 04.01.2007

    Beiträge: 10,795

    Das mit Anacrusis ist schade, das Album finde ich ziemlich großartig. Durch den „Night Time“-Killing Joke-Vibe in den Melodien und den Keyboardeinsätzen entsteht eine Atmosphäre, die auch fast 20 Jahre nach Albumveröffentlichung seinesgleichen sucht, und Kenn Nardi gehört zu den besten Metalsängern, die ich kenne, neben seiner Variabilität vor allem aufgrund der Tatsache, dass er so gar nicht nach Metalsänger klingt. So sehr nach Thrash/klassischem M-E-T-A-L klingt die Musik für mich ebenfalls gar nicht, aber das mag daran liegen, dass Gitarrensoli ohne besondere Eigenschaften meinen Gewöhnungsspamfilter nicht passieren. Ich höre zwar kaum bis gar keinen Thrash (deswegen frage ich mich auch gerade, woher ich die Band überhaupt kenne), aber „Screams and Whispers“ ist eine meiner liebsten vergessenen Perlen der 90er.

    #6733369  | PERMALINK

    h0az

    Registriert seit: 27.06.2010

    Beiträge: 4,198

    Oh. Ich werde wohl mal in Gong reinschnuppern müssen 🙂

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    I know there's no other world: ॐॐॐ [/COLOR][COLOR=#f0f8ff]mountains[/COLOR] and [COLOR=#f0ffff]websites[/COLOR] ॐॐॐ[/COLOR]
    #6733371  | PERMALINK

    Dancing Mad God

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    Beiträge: 804

    Ich bin immer wieder geflasht, wenn Leute diese Ergüsse von mir tatsächlich lesen, v.a. wenn sie nicht unmittelbar etwas mit dem Battle zu tun haben :haha:

    @palez
    Auf den Vergleich mir Night Time wäre ich jetzt alleine nicht gekommen. Was ich an diesem Album schätze, ist vor allem, dass es den Anbruch der Dunkelheit in einer Großstadt der 80er so elegant vertont, ohne dabei glatt und langweilig oder (allzu) kitschig zu werden – nichts davon spüre ich bei Anacrusis. Der bloße Anflug einer derart greifbaren und visuellen Atmosphäre hätte mich den Track sonst wesentlich wohlwollender bewerten lassen.
    Dass Herr Nardi ein guter Sänger ist, kann gut sein; dass er nicht nach (klassischem) Metalsänger klingt, muss ich dir allein deshalb schon glauben, weil ich gerade mal genug Oldschool-Metal gehört habe, um zu entscheiden, dass mich diese Richtung abstößt. Trotzdem gibt mir sein Gesang echt gar nichts, ich könnte spontan nicht mal wirklich sagen, welche Gemütslage in „Tools Of Separation“ wahrscheinlich zum Ausdruck kommen soll.

    Naja, schade drum, aber zumindest gefallen mir von deinen Outsider-Thrash-Favoriten noch Fear Of God 🙂 Die wirken weniger überladen auf mich und mit Dawn Crosbys Gesang kann ich eben auch etwas anfangen…

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    [indent]Jerry lacht wie ein Kind. Schlurft wie ein alter Mann. Langsame, schleppende Sprache. Zufällige Gedanken, die in einem sterbenden Gehirn hängenbleiben. Verworrene Erinnerungen. Stimmen, die sonst niemand hört.[/indent]
    #6733373  | PERMALINK

    tonitasten

    Registriert seit: 13.08.2011

    Beiträge: 1,998

    Ziemlich viel Text. Schade bei The The. Die sind schon sehr poppig. Aber die Ideen und der Spannungsaufbau sind formidabel. Bei Neneh Cherry & The Thing & Clock DVA hatte ich schon eine gewisse Vorahnung, dass du das cool finden könntest. Und die größte Überraschung ist Gong, weil das schon sehr verdrogter Psych-Kram ist. Etwas ruhiger und melancholischer sind die Alben von Sänger Daevid Allen, allen voran „Now Is The Happiest Time Of Your Life“. Solltest du mal reinhören. Ist späteren Werken von Current 93 gar nicht mal unähnlich. 🙂

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    #6733375  | PERMALINK

    palez

    Registriert seit: 04.01.2007

    Beiträge: 10,795

    Bez. Anacrusis: Ich hoffe, ich werde nicht darum gebeten, diesen vagen Eindruck auszuführen, weil ich es nämlich nicht kann, aber insgesamt könnte ich mir „Screams & Whispers“ als Soundtrack eines Soft Science Fiction-Filmes vorstellen, der überwiegend in spärlich beleuchteten, langen und engen Gängen stattfindet. Auf den Killing Joke-Vergleich kommt man folgendermaßen:

    http://www.youtube.com/watch?v=b3RFVFkkpvA

    #6733377  | PERMALINK

    tonitasten

    Registriert seit: 13.08.2011

    Beiträge: 1,998

    18. T.A.C.- Outside

    Der Song wechselt zwischen industriellen Passagen und folkiger Eingängigkeit hin und her. Der verhaltene Gesang hat etwas einnehmendes, was mir durchaus zusagt. Etwas kurz vielleicht, aber insgesamt weiß der Song zu überzeugen.

    19. The Legendary Pink Dots- The More It Changes

    Die Band hab ich mir gewünscht. Aus guten Grund, wie sich bestätigt. Da ich von den Pink Dots nur die psychedelischen Sachen kenne, lern ich auch mal eine andere Seite kennen. Der Song kommt recht geradlinig und wavig daher. Er wird von einer gewissen Traurigkeit getragen. Auch der Gesang von Edward Ka-Spel wirkt sehr einnehmend. Orgel- und Streicherähnliche Passagen erzeugen gegen Ende hin wohlige Gänsehaut. Gefällt mir richtig klasse.

    20. Black Tape For A Blue Girl- The Broken Glass

    Wavig gehts weiter, irgendwo zwischen Schönheit und Dunkelheit. Dark Wave der alten Schule, der in seiner Gediegenheit zu überzeugen weiß. Der Song kommt ebenso höchst einprägsam daher, was mir durchaus zusagt. Bleibt nicht viel zu meckern.

    21. Pepe Wismeer- A Lie In Heckleness

    Die entrückten Klangflächen wissen anfangs zu überzeugen. Schade, dass der monotone Gesang und die aufblitzenden elektronischen Spielereien mich nicht mitreissen wollen. Ist den Pink Dots nicht mal unähnlich, nur lässt es deren einnehmende Atmosphäre nur selten durchblitzen und verliert sich zu sehr in Gleichförmigkeit, was durchaus schade ist.

    22. Ben Becker- Legion

    Den mag ich ja. Als Schauspieler, Entertainer und auch als Musiker, auch wenn man sich genüsslich darüber streiten könnte. Aber der Song wirkt auch ungemein sympathisch. Das dunkle, jazzige Klangbild, das zwar rein objektiv nicht mehr als annehmbare Fahrstuhlmusik ist, bildet ein gutes Grundgrüst für Beckers überzeugenden Spoken-Word-Vortrag über Verlust und Einsamkeit. Das wirkt eher wie ein bizarres Hörbuch, ist aber durch Beckers tiefe, einnehmende Stimme unheimlich anziehend und intensiv.

    Ein mehr als gelungener Ausklang eines zu großen Teilen spannenden und abwechslungsreichen Samplers, auf den es einiges Neues für mich zu entdecken gab. An einen späteren, eventuellen Sampleraustausch wäre ich durchaus interessiert. War mir ein Vergnügen.

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