Paula Pantoffeltierchens Drogentrip mit Nikki dem Clown, Schachtmenschen, Mördern und einer Aberratio Mentalis Partialis

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  • #6809867  | PERMALINK

    Nik

    Registriert seit: 24.04.2011

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    Munly & The Lee Lewis Harlots- River Forktine Tippecanoe

    http://www.youtube.com/watch?v=l69WZhjxs_g
    Jay Munly & the Lee Lewis Harlots. Ein weiterer Name, den ich durch diesen Sampler lieben lernen durfte, oder konnte. Mit den Lee Lewis Harlots hat Munly seine eigene Band gegründet, war er vorher doch Solo tätig. Und so reisst River Forktine Tippecanoe mich weg, in eine verzweifelte Beziehung, die zum scheitern verurteilt ist. Die Musik ist wohl ziemlich düsterer Country/ Folk. Verstörend und kalt erzählt sie tragische Geschichten, und schafft ein dynamisches, deprimirendes Gesamtbild. Munlys großartige Stimme, mit diesem gewissen, verzweifelten Wahnsinn, die hohen Streicher, das dunkle Banjo. Das archaische Trommeln. Vor allem ab der sechsten Minute ein absolut überwältigendes Erlebnis.
    Verzeihe mir, palez, aber da es mich musikalisch so unfassbar an Where the wild roses grow erinnert, hat sich die eigentliche Geschichte des Liedes etwas abgewandelt. Aber so ist das eben, künstlerische Freiheit, und im Grunde geht es ja nur darum, zu schreiben, was man denkt und fühlt. Und ich glaube, die Drastik des Liedes habe ich auch so ganz akzeptabel eingefallen, auch wenn das Schreiben teils schwer fiel. Nicht, weil das Lied es schwer machte. Sondern eher, da es dies mit einer verstörenden Leichtigkeit zu einem solch schwierigen Thema geschehen liess…

    Als er aufwachte, wurde ihm kalt. Sein Hemd war nass, vom Schweiß und den Tränen. Er zitterte.
    Er richtete sich auf, nicht ganz, nicht halb. Ein Schweben, zwischen Liegen und Sitzen, die Hände in die Dielen gekrallt, so hart, dass die Fingernägel mit einem Knacken splitterten. Normalerweise ein leises, unauffälliges Geräusch, dröhnte es in der unendlichen Stille seines Zimmers wie das Grollen eines Gewitters. Langsam stand er auf, es schien, dass jeder Knochen in seinem fragilen Skelett brach.
    Erschöpft fiel er in den Schaukelstuhl, das Holz knarzte. Ein letztes Mal würde er also die Geschichte erzählen. Doch dieses eine Mal die wahre Geschichte.

    Der junge Mann saß auf dem dreckigen Bett, das Stroh stach in seinen empfindlichen Rücken. Er sah auf den vergilbten Wandkalender, die Ziffern leicht verlaufen, die Druckerschwärze schwärzer als die Nacht.
    Neuer Monat, neuer Donnerstag. Wie immer, alles gleich, ans Ufer, da sah er sie.
    Ihr Körper war weiß, rein und unschuldig. Sie war vollkommen nackt, dachte er schliefe noch, die Wellen leicht gegen ihre kleinen Brüste schlagend. Vom feinen Film benetzt, leuchteten sie in allen Farben des Regenbogens. Begierig betrachtete er sie. Er wusste, er müsste leise sein, dass wusste er. Wenn sie ihn bemerkte, sei alles vorbei, für immer, so sagte er sich. Denn was hatte er schon, außer dem Haus, und dem Fluß. Dem Fluß, in dem sie sich jeden ersten Donnerstag des neuen Monats räkelte. Ihren Körper mit Wasser benetzte. Ihren Körper, ihren Körper ihren Körper ihren Körper… Körper. Körper. Körper. Körper. Körper. Körper. Er keuchte laut auf.
    Sie war in seinem Fluß, in seinem, so war sie in ihm. Seine Augen glitzerten vor Freude. Es überkam ihn, und so ging er langsam aus seinem Versteck unter den Brettern des Steges hervor.
    Als sie ihn sah, schrie sie erschrocken auf. Ein leichtes, scheues Kreischen, welches ungehört in den großen Bergen verhallte. Nur die schier unendliche Stille empfang es.
    Sie rannte, unbeholfen stolpernd, wühlte das Wasser auf. In hohen Wellen schlug es aus, und so wog auch sein Blut immer hektischer durch seinen drängenden Körper. Schnell holte er sie ein, riss sie herab. Der Schlamm wirbelte in Wolken durch das Wasser, als ihr reiner, weißer Körper in den klebrigen braunen Untergrund einschlug. Die Wogen erfüllten ihre Nase, raubten ihr den Atem, der Fluß erstickte ihre Schreie, die Tränen vermischten sich mit dem schnellen Strom, während sich sein Hirn voll Glück wand wie die Mäander. Er liess sie liegen, dort, im Schlamm, die bleiche, makelose Haut von dickem Matsch bedeckt und verunreinigt. Er ging in das Haus, und legte sich in sein Bett.
    Der nächste Donnerstag des neuen Monats kam, doch sie tat es nicht. Natürlich wusste er das.
    Der einzige Ort, den sie noch aufsuchte, lag sechs Fuss tiefer. Er ging zum Fluß, seine Füße zerbrachen das gefrorene Gras, wie er sie gebrochen hatte. Der Winter war schnell gekommen dieses Jahr. Nackt stieg er in das Wasser, das seine Muskeln brennen liess.
    Die roten Schildkröten umschwommen ihn wie Blutspritzer. Er liess sich tief fallen, und wurde eins mit seinem Fluss. Deep in my house, I am … giggling, knowing that I had emptied my river of the last turtle. That’s when I heard you come up for air from hunting my river, and I think, aw Christ come next month, there’ll be a first Thursday, what would I like to watch you chase with your fingerless body. Body body, body…

    Langsam stand er aus dem Schaukelstuhl auf. Das war die Geschichte also. Der Mann war kein Held, der sich am Fluß um seinen hilflosen Bruder kümmerte. Es gab kein Idyll, keine Freude, kein glückliches, frohes Ende. Nie hatte es sie gegeben, er kannte die Geschichte doch. Und doch hatte er sie ihm immer so erzählt, naiv, verblendet, so wie er eben war. Er nahm eine Zigarette aus seiner Brusttasche, mit einem leichten Knistern entzündete die Flamme des Streichholzes den trockenen Tabak. Er liess es fallen, und die schweflige Spitze verband sich liebevoll mit der kleinen Wiege.
    Er sah zu, wie die Wiege anfing zu brennen, dann der Teppich und die Vorhänge. Sie verbrannten und wurden schwarz, so wie seine Seele es geworden war. Brennen. Kleine Flammen. Flammen. Flammen.

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    #6809869  | PERMALINK

    Nik

    Registriert seit: 24.04.2011

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    Three Mile Pilot. – x. Miner
    http://www.youtube.com/watch?v=v7UeBxHFhK4
    Three Mile Pilot. Von denen hab ich am Freitag erst ne 7“ in der Hand gehalten. Leider hatte ich kein Geld dafür, sie mir noch mitzunehmen. Aber es gibt immer ein nächstes Mal, und so werde ich sie dann eben mitnehmen, und weiß schon, was mich erwartet. Der Wundertüteneffekt geht dann zwar verloren, aber dafür können sich ja vielleicht einige an einer neuen Geschichte und einem neuen Lied erfreuen. Wieder Amerikaner, und wieder Mitglieder verschiedener Bands die ich kein bisschen kenne. Mit San Diego kommen sie aber aus einer ganz anderen Ecke des großen Sam, als Kiss it Goodbye es taten. Und auch musikalisch zeigt sich mir, trotz etwa gleicher Zeit, etwas ganz anderes. Und vor allem etwas, das mir viel mehr zusagt. Eine angenehme Mischung, dominiert von einem leicht verzweifelten Noise Rock-Acker, wird mit einer gehörigen Prise frühem Post Hardcores, einigen Samen Indie- und Post Punks und vor allem riesigen Mengen Dünger purer Depression verfeinert.
    Und ja, die Metapher war unfassbar beschissen, dafür ist der Gesang hier umso überragender.
    An sich ein ausdrucksstarkes Lied, das mitzureissen weiß. Gefällt mir sehr, sehr gut. Und, verzeihe mir meine jugendliche Unwissenheit, erinnert mich in Teilen an die jungen And you will know us by the trail of dead (welche sich interessanterweise im Erscheinungsjahr von The chief assassin to the sinister gegründet haben).

    Die Welt pulsierte. Nicht wirklich. Aber für ihn. Bilder verzogen sich, streckten sich. Zumindest versuchten sie das. Doch etwas hielt ihn in der Realität. Und die Realität ist starr, unbeweglich. Sie kann nicht einfach verformt werden. Sie ist, und wird immer sein. Und somit ist sie vor allem einsam. Wie er. Und so riss seine Wahrnehmung im Kampf zwischen Sollen und Wollen wie ein klassisches Drama. Große Wölfe umkreisten ihn. Sie waren nur Schemen, verschwommen. In kleinen Intervallen löste sich ihr Nebel, und er konnte sie in aller Klarheit erkennen. Ihr dickes Fell lag eng an ihrem Körper an, und hüllte sie in einen grauen Mantel langer Linien. Ihre Muskeln bewegten sich gut deutlich unter dem Fell, es lag ihm an wie Wellen einem entsättigten Ozean. Sie waren fast schwarz, und stachen so stark aus dem klaren, weißen Schnee heraus, welcher zentimeterhoch die gefrorene Erde bedeckte. Ihre Lefzen waren hochgezogen und entblössten teernes Fleisch und scharfe Zähne, die wie ein höhnisches Grinsen zu verlaufen schienen. Fragile Wolken nebligen Kondenswassers verloren sich in der Luft, während ihre ausdruckslosen Augen in fixierten. Sie ließen keinen Zweifel an ihrer Absicht. Und so ließen sie ihm keine Hoffnung. In immer kleiner werdenden Kreisen umzingelten sie ihn, hinterließen eine Spirale im Schnee. Bald würden sie die weiße Leinwand mit einem expressionistischen Gemäde in rot einfärben. This is the torture king calling it quits. Spotlight! Let’s smoke them out of the cabin and leave, if the snow don’t kill them the wolves will…

    Knochen splitterten, Haut riss. Zähne auf Knochen, Hass auf Isolation. Er saß alleine im dunkeln. Die Welt hatte ihn verlassen, und er sie. Er war in einem dunklen Raum, ohne Geruch, ohne Geräusch. Sensorische Deprivation. Er wusste nicht, wie lange er nun hier war. Die Wände erdrückten ihn.
    Am Anfang war er ängstlich. Verzweifelt. Nun war er einfach nur… leer… leer… leer…
    Früher hatte er die Leere gefüllt. Reizüberflutung, Konsum, Überschwang, Dekadenz. Aber nun, gefangen in seinem ganz eigenen Tartarus aus Beton, konnte er nichts mehr tun. Nur eines. Sich ganz langsam von der Leere verzehren lassen, verschwinden, nichts werden, sich auflösen, Nibbāna.
    Langsam zog er das Feuerzeug aus seiner Tasche. Nun, wenn es sich eben so ergab. Dann ließ er sich eben verschlingen. Lotussitz. Dies wäre dann sein zehnter Juni. Nur war sein Opfer leer, wie er es war. Und so würde es auch nie jemand erfahren. Das ganze Leben für nichts gestanden. Und so auch für nichts gefallen. Das war sein… Schicksal? This hunger is curved only for moments till the
    heart is empty and we are ready to fill again, just like home, just a little more meat on
    the bone. The marrow of depression eradicates movement- infinity – it’s all for me. And the fire burns on. Infinity.

    Er sank zusammen und blieb bis zum Morgengrauen dort sitzen, um dann durch den Wald zu streifen und den nächsten Bus nach Hause zu nehmen. Der kleine Wald erschien beunruhigend. Nebel raubte ihm die Sicht. Aber er kannte den Weg ja. Links zur großen Eiche, dreihundert Meter geradeaus, rechts und etwas schräg. In vielleicht zehn Minuten kam er an der Bushaltestelle an. Keinen Gedanken verschwendete er mehr an den Mann in dem Bunker. Der würd‘ ja eh verrecken, also. Ob er nun verhungert, erstickt, dehydriert oder sich seine hässliche Fratze an den scharfen Kanten der ehemaligen Messeinheiten blutig schlagen, bis sie nur noch ein feuchter Klumpen ist. Das war nun alles nicht mehr sein Problem. Nun wollte er sich seinen letzten Auftrag geben. Den habe er sich ja verdient. Aber schon der Anfang legte das Ende ja offen. Seinen letzten Auftrag gab er sich nicht selbst. Ein leises Knacken war hinter ihm zu hören. Blendender Schmerz in seinem Nacken. Rote Schwader vor seinen Augen. Ein verzweifeltes Röcheln. Der intensive Geschmack von Salz in seinem Mund. Ein sinnloses Ringen nach Luft. Dunkelheit. This is the torture king calling it quits.

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    #6809871  | PERMALINK

    palez

    Registriert seit: 04.01.2007

    Beiträge: 10,795

    Schön machst du das, Kleiner.

    Nik[…]und weiß schon, was mich erwartet.

    Nicht unbedingt. die neueren Sachen haben mit dem sperrigen Kram aus den 90ern nicht mehr viel zu tun und klingen eher wie eine thanatoide Version von The National.

    So, ich steige dann auch mal aufs Trapez (der Knoten ist geplatzt, das Aufholen wird schnell gehen):

    Intro: Le Grand Guignol – Circvs L

    JA IST GUT, ich merk schon, letzter Abend, bevor unsere Bollerwagen für Tage nur karstiges Land und kein zahlendes Publikum mehr sehen, die letzten paar Minuten. Aber dass ich hier nicht mal in Ruhe meine Spritzblume ausprobieren darf, unglaublich. (In dem Ding ist Absinth drin, aber das merken die da offenbar nicht. So hat das ganze Tohuwabohu doch noch was Gutes.) Stampf Stampf Stampf macht der Elefant, bestimmt gelangweilt von seiner immergleichen Arbeit, während eines der Akrobatikmädchen im seidenen Badeanzug auf seinem borstigen Rüchen einen Handstand macht. Tragisch, die Akrobatikmädchen von der Direktorin haben ihrem Akrobatikkörper nie die Chance gegeben, zum Menschenkörper zu reifen. Jetzt laufen sie aufgeregt an mir vorbei, mit hochgesteckten Haaren und wehenden Glitzertüchern. Höllenfeuer rauscht hinter mir auf, fast setzt’st meine Perücke in Brand, aber das ist nur der Anführer der selbsternannten „Pyroartisten“, „Artisten“, dass ich nicht lache, der hat’s auf mich abgesehen, na warte. Der Elefant ist fertig, er kann jetzt warten. Ich setze mich neben ihn in einen Hügel aus Stroh und will mir eigentlich ein letztes Mal die Kopfhaut kratzen, als der Gewichtheber plötzlich auftaucht, mich unsanft am Arm packt, he, das geht aber auch galanter, Freundchen, du willst doch wohl nicht die Hauptattraktion hier zum Krüppel machen, he, Sei still Clown, Auftritt jetzt, er wirbelt mich herum, schleust mich durch die Menge und stellt mich vor den geschlossenen Vorhang, zu den anderen, in ihre letzte Gespanntheit.

    1. 6:33 & Arno Strobl – Order of the Red Nose

    „Nach dem ersten Tritt bleibe ich stehen, und federnd beugt sich die Spitze meiner langen, ausgelatschten Clownsstiefel dem Boden entgegen. Ich hebe die Arme. Die Menge johlt. Die Show beginnt.“

    Oh, ist die Leerstelle etwa für mich? Wie liebenswürdig aber auch! Nun denn, drum lasset die Show beginnen – das heißt, wenn alle endlich still geworden und beisammen sind. Ein Theaterritual haben wir nicht. Dafür hassen wir einander in arbeitsintensiven Phasen vielleicht zu sehr. Und so gibt es kein Händchenhalten und kein Gejohle in der letzten Minute hinter dem samtenen Vorhang, nur gelegentliches Wippen von einem Fuß auf den anderen.
    Schließlich stößt die Direktorin das schwere rote Ding auf und geht voran, während der Stoff an beiden Seiten von Haken nach außen gezogen wird. Die Begrüßung noch zusammen, hinter ihr die Akrobaten und Kontortionisten, dann der Gewichtheber, mit hervortretenden Adern an der roten Stirn, dann die anderen. Als der Reigen uns weit genug aus dem Sichtfeld gedrängt hat, kann ich es nicht unterlassen, dem pyromanischen Artisten in die Visage zu spritzen. Wie soll ich denn noch wissen, dass da noch mein Absinth ist? Er zerrt mich in die Hinterräume, es fällt vermutlich nicht auf, the show must go on, und drückt mich gegen die Wand. Was zum Teufel soll das du Trottel weißt du denn nicht wie gefährlich das ist? Ich zucke mit den Schultern. Schade ums Absinth. Er lässt mich fallen, stellt einen Fuß auf meinen Brustkorb, jetzt bleibt ein Abdruck auf meinem Anzug, na toll, doch bevor etwas Schlimmeres mit eurem armen Clown passieren kann, liebe Kinder, schallt es EINSATZ PYROARTISTEN VERDAMMT WO BLEIBT IHR und ich setze mich hustend wieder auf.

    Im Grunde ist unsere Show nicht besser, nicht hochwertiger als jede andere Zirkusvorstellung auch, denke ich mir manchmal, und dafür mache ich den Pyroartisten und die Tänzerinnen verantwortlich. Letztere bezeichnen sich gerne als Burlesque-Künstlerinnen und vermeiden es arrogant, sich mit ihren hochgezwängten Brüsten in der Menge hinter dem geschlossenen Vorhang herumzudrücken. Sie sind aber doch nur Stripperinnen mit Falten und hässlichen Nasen. Dazu geben die sogenannten Pyro-„Artisten“ der primitiven Menge, wonach sie lechzt, die schnelle Überwältigung, Hitze, Flammen. Andere sind nichts Besonderes, wir sind nichts Besonderes mit Brüsten. Zum Glück lässt der Magier einige davon – also von den selbsternannten „Burlesque-Künstlerinnen“ – dann in seinem Spiegelkasten verschwinden, und zum Glück ist es dann für ein paar Sekunden still. Dann geht’s aber wieder los – you got it, you got it, die Männer johlen, die Frauen halten den Kindern die Augen zu.

    Alle drehen nochmal eine Runde, danach drängt sich alles an den Rand für Die Große Pyramide. Schicht um Schicht Mensch türmt sich da vor mir auf, und dann, dann ist der Auftritt der Kleinsten von der Direktorin gekommen. Ängstlich betritt sie die Manege, hofft, im Publikum Gesichter von Gleichaltrigen zu erkennen, aber sie sieht sie nicht, da, wo sie steht, im Lichtkegel des Schweinwerfers. Erst wenn du nichts mehr siehst, wirst du gesehen. Nur ganz kurz dauert diese Verzagtheit, die Kleine, ganz Profi, geht auf die unvollständige Pyramide zu und steigt vorsichtig über Rücken, Schultern und Köpfe. Na, wie ist die Luft da oben? Sehen alle am Boden so klein aus wie Ameisen? Schwankt das ganze Ding womöglich? Und just, als es vollkommen still geworden ist und sie die Hände und die Knie auf die letzten beiden Rücken gestellt hat, rennt kreischend ein Affe in die Manege, reißt sich sein goldenes Jackett vom Körper und hopst um die Beine der untersten Mittelstütze herum. Da steht allen der Schweiß auf der Stirn, sogar mir, das Ding schwankt gefährlich, hält aber das Gleichgewicht. Die Pyramidenaugen gucken belustigt in die Publikumsreihen im Dunkeln. Tja, da haben wir euch ganz schön reingelegt, was? Das mit dem Affen war nämlich geplant, jawohl! Und da beginnt Schicht um Schicht vom Menschendreieck abzublättern, alle kommen sicher am Boden an und fassen sich zum Schluss nochmal an den Händen, auch ich. Die Kontortionisten winden sich noch, aber der erste Akt geht friedlich zu Ende. Ich bin erleichtert.

    (Jaja, der Songtext. Ich mach mir die Welt, widdewiddewie sie mir gefällt.)

    Von 6:33 habe ich noch nie etwas gehört. Aber wer Arno Strobl ist, das weiß ich, das ist der Sänger von Carnival in Coal, mit denen ich im weiteren Verlauf des Samplers noch die Ehre haben werde. Die Verbindung kann man auch ohne großen Rechercheaufwand herstellen, denn Mike Patton wäre 6:33 vermutlich zu teuer und fände das Ganze wahrscheinlich auch zu konventionell. Bin ich zu gemein? Aber sicher. „Order of the Red Nose“ ist nämlich ausgesprochen unterhaltsam, besonders beim/nach dem Schreiben, und Gemeinheit gegenüber unterhaltsamen Dingen ziemt sich nicht. Es gibt, wenn man genau darauf achtet, extrem viele musikalische Wechsel, die meisten angenehm unauffällig, da flüssig eingearbeitet. Vielleicht fällt einen die einzelne Unberechenbarkeit in einem Meer daraus aber auch bloß nicht mehr auf. Es gibt von hochmelodischen, darin fast musicalartigen Parts über Gutturalgesang und Bratzgitarren viele verschiedene Richtungen, in die das Stück ausschlagen kann. Und dazwischen sogar wiederkehrende Motive, die ein ziemlich festes und gut sitzendes Korsett um die zehn Minuten Zirkus bilden. Gewissermaßen sind die Bratzgitarren und die Musicalartigkeit aber auch ein Problem, denn auch wenn das Gesamtprodukt kreativ und ungewöhnlich ist, die einzelnen Komponente sind es oftmals nicht. Ich hätte mir manchmal gewünscht, der Rockanteil wäre weniger stumpf und behäbig ausgefallen und die Melodien wären etwas verquerer und böser gewesen. Aber dafür ist ja noch ein paar Songs lang Zeit.

    [Korrekturlesen my ass.]

    #6809873  | PERMALINK

    Hati

    Registriert seit: 15.02.2011

    Beiträge: 4,571

    Da könnte ich jetzt viel dazu schreiben, aber das überlasse ich mal lieber Nik.

    palez(Jaja, der Songtext. Ich mach mir die Welt, widdewiddewie sie mir gefällt.)

    Du hast trotzdem genug Zeilen aus dem Text in deine Story übertragen, so dass es einem Außenstehenden nich allzu abwegig vorkommen dürfte :haha:
    Dürfte dir aber am Ende auch keiner übelnehmen…

    --

    Edgirl &Ich dachte ja eigentlich das die Jungs Erwachsen sind, insbesondere Tobi aber nach der Aktion,... das ist Kindergartennivou. Als das heißt das die Jungs zu Kleinkindern Motieren oder was? ich blick echt nicht mehr durch...
    Ich auch nicht, Sina. Ich auch nicht.
    #6809875  | PERMALINK

    palez

    Registriert seit: 04.01.2007

    Beiträge: 10,795

    HatiDu hast trotzdem genug Zeilen aus dem Text in deine Story übertragen, so dass es einem Außenstehenden nich allzu abwegig vorkommen dürfte :haha:

    Richtig bewusst nur diese markante „you got it“-Stelle. Falls da noch mehr war, war das Zufall. :haha:

    #6809877  | PERMALINK

    Nik

    Registriert seit: 24.04.2011

    Beiträge: 9,611

    Hehe, ich werte das unterhaltsam mal als gut konnotiert, nicht sarkastisch. Ja, auf die bin ich durch unseren lieben Hati gestoßen. Kleine, sympathische Truppe aus Frankreich, die da dieses Jahr auch ganz gut durchgestartet sind, zumindest für so eine unbekannte Band. Machen eigentlich Musik alleine, haben sich für die EP aber dann doch Arno Strobl an Land gezogen. Wenn man den Facebookeinträgen des Sängers glauben schenken kann, besteht da aber auch eine nicht zu verachtende freundschaftliche Bindung, was auf weitere Zusammenarbeit hoffen lässt, zumal er auch schon auf dem Debüt einen Gastauftritt hatte. An sich sehr bodenständige, nette Menschen mit viel Spaß an der Sache, und ich denke, gerade dass ist der Grund, warum die Musik meiner Meinung nach eben auch ordentlich Spaß bereitet. Man merkt, dass es nicht aufgesetzt ist.
    Böser wirkt auf mich zum Beispiel M.I.D.G.E.T.S, aber ich mag diesen Order of the red Nose-Aufzug einfach :haha:
    http://www.youtube.com/watch?v=ApacgtkMgvM
    Sind aber übrigens auch noch eine recht junge Band. Das grobe, stumpfe, das dich stört, war z.B. auf dem Erstling noch heftiger vertreten, also wer weiß, wie dann das erste Album mit Arnaud wird? 😉
    http://www.youtube.com/watch?v=zXVaqqCFdx4

    P.S. an der Geschichte gibts nichts zu mäkeln, ich hüpfe vor Freude im Bett auf und ab (mag auch daran liegen, dass ich etwas benebelt bin und Angst vor dem Neubautenmonster habe)

    --

    #6809879  | PERMALINK

    palez

    Registriert seit: 04.01.2007

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    Nik(mag auch daran liegen, dass ich etwas benebelt bin und Angst vor dem Neubautenmonster habe)

    Völlig begründet. Sei froh, dass ich „Seele Brennt“ im letzten Moment rausgeschmissen habe. ^^

    (Oder hast du am Ende spontan die Schule geschmissen, weil in dir ein hochbegabter Bauingenieur oder sowas steckt und du vor der ersten großen Aufgabe deiner Karriere stehst?)

    #6809881  | PERMALINK

    Nik

    Registriert seit: 24.04.2011

    Beiträge: 9,611

    palezVöllig begründet. Sei froh, dass ich „Seele Brennt“ im letzten Moment rausgeschmissen habe. ^^

    Ich werd wohl heute/ morgen Einstürzende Neubauten hören und die Geschichte des Neubautenmonsters niederschreiben :haha:

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    #6809883  | PERMALINK

    palez

    Registriert seit: 04.01.2007

    Beiträge: 10,795

    NikIch werd wohl heute/ morgen Einstürzende Neubauten hören und die Geschichte des Neubautenmonsters niederschreiben :haha:

    Am besten irgendwann dazwischen. Stelle sicher, dass niemand mehr im Haus/in der Wohnung ist, und mache alle Türen auf für durchschlagenden Effekt.

    #6809885  | PERMALINK

    Nik

    Registriert seit: 24.04.2011

    Beiträge: 9,611

    Naja, ich hab die Bauruinen ja direkt wenn ich aus dem Fenster gucke, das wird schon.
    Achja, übrigens, gerade vom Sänger von 6:33 gepostet, falls da bei dir Interesse geweckt wurde:

    166 pistes à mixer pour 1 seul morceau…on a battu notre record!

    Kommt da etwa Neues?

    --

    #6809887  | PERMALINK

    Hati

    Registriert seit: 15.02.2011

    Beiträge: 4,571

    Ich find’s amüsant, wie palez in den letzten Posts gar nicht mehr auf 6:33 eingegangen ist, da sie scheinbar aus Höflichkeit nicht nochmal betonen wollte, wie wenig sie mit der Musik anfangen kann :haha:

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    Edgirl &Ich dachte ja eigentlich das die Jungs Erwachsen sind, insbesondere Tobi aber nach der Aktion,... das ist Kindergartennivou. Als das heißt das die Jungs zu Kleinkindern Motieren oder was? ich blick echt nicht mehr durch...
    Ich auch nicht, Sina. Ich auch nicht.
    #6809889  | PERMALINK

    palez

    Registriert seit: 04.01.2007

    Beiträge: 10,795

    HatiIch find’s amüsant, wie palez in den letzten Posts gar nicht mehr auf 6:33 eingegangen ist, da sie scheinbar aus Höflichkeit nicht nochmal betonen wollte, wie wenig sie mit der Musik anfangen kann :haha:

    Ich find’s amüsant, wie viel in ein Ausbleiben von einem sofortigen Eingehen auf 6:33 hineininterpretiert wird. :haha:
    „Grob und stumpf“ lässt sich angesichts des Video mit den Wrestlingmasken nicht mehr ohne Weiteres halten, Folgendes allerdings eher: kompositorisch richtungslos, unausgegoren, zu gewollt. „M.I.D.G.E.T.S.“ ist aber ganz geil (wie auch „Order of the Red Nose“ eigentlich ganz geil ist).

    #6809891  | PERMALINK

    Nik

    Registriert seit: 24.04.2011

    Beiträge: 9,611

    Dann solltest du dir einfach mal die ganze EP gönnen, vielleicht entdeckst du ja noch was. An sich eh sehr empfehlenswert. Naja, eigentlich fehlt dir ja eh nur ein Song, und der ist vergleichsweise kurz 😆
    Klick tu änter

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    #6809893  | PERMALINK

    Nik

    Registriert seit: 24.04.2011

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    Cranes – Starblood
    http://www.youtube.com/watch?v=eqUjQiQ-YNQ
    Cranes sagt mir erst einmal gar nichts, dafür aber seltsamerweise, und überhaupt nicht zuzuordnen, der Name ihrer Sängerin Alison Shaw. Seltsame Sache. Also, wohl irgendwas, das lediglich als ‚Indipendent‘ gelabelt wird, und aus den späten Achtzigern stammt. Hoffentlich ist die Musik nicht so furchtbar wie das Cover (tut mir Leid, aber der musste einfach sein, das ist echt grässlich :haha: )…

    Schweinchen, Schweinchen, überall nur Schweinchen. Blaue Schweine schwarze Schweine rote Schweine grüne Schweine lila Schweine upps. Da ist eins runtergefallen, hihi. Aber wieso fliegen sie auch so nah am Abgrund? Und wieso steig‘ ich nicht auf eins drauf, und flieg ein bisschen a…
    ‚Hey hey wir müssen los.‘ ‚Aber es ist noch gar nicht morgeeeeeens…‘ Mit nervig hoher Stimme quengelte sie. ‚Ja, aber da ist wer!‘ ‚Oh. Ein Geist?‘ Verschreckt sah sie sich um. ‚Ja, klar, und wenn wir nicht gehen, kommt er un holt dich, haha.‘ Er fing an, sie zu kitzeln. Sie lachte laut und heftig, er auch. Sie liebte ihren Bruder mehr als alle Sterne am Himmel, betonte sie immer. Er war ihr großer Beschützer. Die alten Fabrikhallen waren sperrig. Oft waren die Zimmer, wie sie sie immer nannte, größer als ihre ganze Wohnung es war. Beängstigend ragten die grauen Betonwände, überzogen von Rissen und Dreck, in die Höhe wie das Schiff einer gotischen Kirche. Die großen Stahlblöcke und Träger, rostige Kräne und Haken, überzogen von Rost. Alles wirkte auf sie beunruhigend. Aber sie fürchtete sich nicht, so lange er da war, und auf sie aufpasste. Denn wenn er da war, konnte ihr nichts geschehen. Da von war sie fest überzeugt, noch fester als der Zement der sie umgab war.
    Lautes Krachen. Splittern. Fliegende Fragmente, wallende Staubpartikel.

    ‚Renn!‘ Flüsterte er ihr zu. Sie rannten die Treppe hoch, das Adrenalin schoss durch ihren Körper. Der Herzschlag bollerte wie dröhnende Trommeln in ihren Ohren. Er sah wie sie stolperte, dreht sich in der bewegung panisch um. Erneut zwei Mal dieses laute Knallen.

    Das Bild schien in der Bewegung eingefroren zu sein. In Zeitlupe, nein, langsamer, drehte sich der Kopf nach hinten. Die Beine schleuderten kreiförmig, bewegten seinen Körper um die Achse, um sich zu seiner Schwester umzusehen. Staub vom Boden wirbelte in Spiralen um seine dünnen Beine. Ein graues Blitze nähert sich der Stirn, erstaunlich schnell im Kontrast zum restlichen Bild. Mit erschreckender Ruhe flogen die feinen roten Linien aus der Stirn, kräuselten und drehten sich, formten Nebel und Funken. In seinen Ohren ertönte ihr lautes, kindliches Lachen. Er hatte es nicht geschafft, sie zu beschützen. Stille.

    Starblood ist ein extrem interessantes Lied. Es wirkt stark experimentell, obwohl (im Grunde) nichts passiert. Aber der heftige Kontrast gleicht das aus, was an Abwechslung fehlt (was wiederum keinesfalls als schlecht anzusehen ist). Bollerndes Schlagzeug und aggressive, schrille Gitarren. Repitive Riffs. An sich also sehr minimalistisch, wenn auch mit raumfüllender Wirkung. Dazu dann dieser extrem hohe, unsichere, ja, fast kindliche Gesang. Ausgefallene Mischung, mit seinem eigenen Charme zwischen Shoegaze, Wave und Synthpop (unwillkürliche Assoziation wegen dem Gesang).
    Klingt schon gut, wäre mir auf Dauer aber vermutlich ein wenig zu anstrengend.

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    #6809895  | PERMALINK

    palez

    Registriert seit: 04.01.2007

    Beiträge: 10,795

    @Cranes: da habe ich dir aber auch mit Absicht den schwersten Brocken hingeworfen, die Schleifsteingitarren haben die son normalerweise nicht auf Albumlänge, auch wenn die Spukhausatmosphäre so bleibt. Die späteren Alben bieten dann süßen, wehmütigen, halbwegs harmlosen Dreampop.

    Ich mach dann mal weiter:

    2. The Vernian Process – Something Wicked (That Way Went)

    Das ist ja natürlich wieder typisch, die sogenannten Freaks bekommen den undankbarsten Platz. Aber was soll’s, Alonzo der Armlose klimpert mit seinen Affenzehen noch ein bisschen auf der Orgel herum, Beatrice die Bärtige stößt den Vorhang auf und ich trete berufsmunter in die Pedale unserer Rautenrädermaschine. Nicht einfach mit Schuhen in Größe 66. Aber schön, dass mich diese rotglänzende Foltervorrichtung nach dem Runtetspringen zu großen, perfektioniert ungeschickten Schritten zwingt, so muss ich über den richtigen Gang nicht nachdenken. „Meine seeeehhrrr geehhhrrrrrten Daaaamen und Herrrrrren, herrrrrrrzlich willkommen zum Grrrrrrande Finale, der letzten Vorstellung des CIRRRRCUS MACABRE! Lassen Sie sich entführen in eine Welt, in der ERRRRRSTAUNLICHES zu Tage gefördert wird, RRRRREISSEN Sie Ihre Augen auf ob der WUNNNNNDERRR, die Ihren prrrräsentiert werden!“

    Ich watschele also auf eine adrette junge Dame in der ersten Reihe zu, ein lachendes Baby im Arm. Lachende Babys sind die einzigen Lebewesen auf der Erde, die in ihrem Blick eine schreiende Dummheit haben, die es mit der von Hühnern aufnehmen kann. Ich verziehe mein Gesicht, so, dass es meinem aufgemalten Lächeln widerspricht, das Baby schlägt mir mit seiner Milchflasche auf die Stirn. Es lacht und gluckst. Nein, wie drollig! Guck mal, Kleines, da, ich hab deine Nase! Wie die adrette junge Dame kreischt, als ich meine Faust öffne und sich dort tatsächlich eine Nase findet. Natürlich nicht die von ihrem Balg – ein guter Clown sollte für seinen Auftritt immer ein paar Nasen bei sich führen, vor allem im Circus Macabre. Wo ich die herhabe? Betriebsgeheimnis, ha-ha-ha!

    Beatrice die Bärtige, meine reizende Assistentin, reicht mir wieder das Megafon. „Sie sind also herrrrrgekommen, um von Ihrem öden, sinnfrrrrrreien Alltag Abstand zu nehmen? Sie sitzen am Schrrrreibtisch, stehen am Fließband, um Ihre Familie durchzubrrrrringen? Oder du, Bürrrrrschchen, gehst du auch immmmerrr brrrrav zur Schule, um einen guten Abschluss zu haben? Damit du später auch ja einen Job bekommst, in dem du am Schrrrreibtisch sitzt oder am Fließband stehst, um deine Familie durchzubrrrrringen? Und Sie trrrräumen alle -“ – ich mache einen Schritt auf die Manege zu, nehme Blickkontakt auf zu denen, die nicht sich nicht schnell genug abwenden können, und greife mir einen dystrophischen Brillenträger heraus – “ – von Macht?“ – dasselbe adrette Fräulein, das gerade dabei war, sich nach hinten zu setzen – „Von Geld?“ – eine verhärmte, rothäutige Hausfrau, von quengelnden Kindern umgeben – „Von Liebe und Lust? Oooooder einfach davon, mal wieder JUNG zu sein, durch Felder zu hüpfen, ohne an die arthrrrritischen Knochen zu denken, alles einmal ANDERRRS und BESSSSERRR zu machen? Nun, IHNEN ALLEN KANN GEHOLFEN WERDEN! Schafft das KARRRRRUSSSSELL herein, Kinder!“

    Klara die Kleinwüchsige rafft ihr Kleidchen und kommandiert ihre Meute. Kurz verschwinden sie hinter dem Vorhang, um mit einem fahrenden Ungetüm herauszukommen, über das ein flickenübersetzter Vorhang geworfen wurde. Ich reiße ihn herunter und erfreue mich an den ungläubigen Gesichtern. Ja, in eine solche Kutsche, obwohl nur knapp einen dreiviertel Meter an Höhe, passt tatsächlich ein ganzer Mensch! Wie? Betriebsgeheimnis! Ich lasse meinen Adlerblick für Unbeteiligte durch die Zuschauertribünen schweifen, sehe schließlich einen Anzugträger, der nicht aussieht, als hätte er während der Vorstellung den Blick auch nur einmal von seiner Zeitung, oder was das sein soll, abgewendet. „Heeey, Sie da! Wollen sie die Wunnnnderrrrmaschine nicht gleich mal ausprrrobieren?“ Ich gebe meiner reizenden Assistentin ein Zeichen, sie steigt über die Köpfe der Zuschauer hinweg, nimmt ihn in ihre starken Arme, bevor er etwas sagen kann, drängelt sich zurück und stellt ihn auf dem Boden ab. Klara und die Kinderchen hüpfen um ihn herum und zerren ihn an den Hosenbeinen ins Auto. „Fürrrr jeeeedes Jahhhrrr eiiiine Umdrrrrehung!“, nöle ich ins Megafon und zähle laut mit für die, die es nicht können. Nach einer Weile beugt sich Beatrice die Bärtige vor, um mir etwas ins Ohr zu flüstern, ich fasse mir gespielt bestürzt an die Wange und gestehe dem Publikum: „Aber NEIIIIN, wir haben ja völlllllllig vergessen, unsere Testperson nach ihrem Alter zu fragen? Nun, wie alt mag er jetzt wohl sein?“ Die Tür der Kutsche öffnet sich, die Kleinen strömen heraus wie Maden aus einer verfaulten Frucht und als letzter ein torkelnder Kleinwüchsiger in einem viel zu großen Anzug. Solange das Publikum unverhohlen gafft oder sich entsetzt aneinander festhält, schleicht Beatrice hinter den Vorhang, empfängt dort den Anzugträger und begleitet ihn durch den Hinterausgang hinaus. It’s all part of the show.

    Wenn ich jetzt gemein wäre und es mir hier tatsächlich etwas ausmachen würde, dann würde ich auch bei Vernian Process den stumpf rhythmischen Klang der Gitarren bemängeln. Aber ich bin ja nicht gemein und es stört mich hier nicht im Geringsten. Mein persönlicher Hit des Samplers ist sehr gewissenhaft auf Zirkusgroteske getrimmt, mit seinem windschiefen Rhythmus, der käsigen Leierorgel und einem Gesang, der so überkandidelt nur von einem Träger von Schweißerbrillen und dampfbetriebenen Hüten kommen kann. Zum Glück nicht so gewissenhaft, dass es ins Nervige abrutscht, was wohl daran liegt, dass man mich mit solch aufgekratzten, sturen Eingängigkeit einfach oft rumkriegt. Doch, hat mir sehr gefallen (bzw. würde mir immer noch sehr gefallen, hätte ich den Song jetzt nicht zwecks Review unzählige Male in Dauerschleife gehört).

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