Re: Filmbewertungsthread

#1702511  | PERMALINK

Nik

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Valhalla Rising


Der dichte Nebel umringt das Schiff von allen Seiten. Er raubt die Sicht. Sie sind eng eingesperrt auf diesem winzigen Kahn. Die Wellen schlagen hoch. Wo gingen sie hin? Unheilvoll, wie eine Statue, sass er am Bug. Er sah ihnen genau zu. Sagte kein Wort. Um die tiefen Narben, die seine Haut durchzogen, spielten die Schatten im beunruhigenden, roten Schimmern, welches durch die Schwaden drang. Er sah zu ihm auf.
’Didn’t the boy say, he’s coming from hell? Maybe that’s where we’re floating…‘

Valhalla Rising ist kein Unterhaltungsfilm. Aber er hat auch nicht den Anspruch, zu unterhalten. Er will eine Geschichte erzählen. Keine Gründe nennen, keine Wunderwelten erschaffen. Er will nur eine Geschichte erzählen. Auf knapp neunzig Minuten erzählt Nicolas Winding Refn die Geschichte von One Eye. Das passiert fast, wie in einer Kurzgeschichte, mit ungewisser Ausgangssituation und ungewissem Ende.
Er verzichtet auf Bombast, Kitsch, Überzug. Der Film spart an allem. Statt schnellen Schnitten finden sich langgezogene Weitwinkelaufnahmen. Statt überzogener Action setzt er auf Monotonie, welche durch vereinzelte Ausbrüche durchbrochen wird. Es passiert wenig, und das ist das erschreckende. Denn Valhalla Rising wirkt geradezu surreal realistisch. Es wird vollkommen auf Überdruss verzichtet, selbst die grausam genau festgehaltenen Gewaltexzesse wirken ungewohnt blutleer, nah an der Realität. Die Charaktere sind grob, ungeschliffen. Selbst die Kriegerfiguren entfernen sich vom archaischen Kouros zu zerissenen Persönlichkeiten zwischen Selbstzerstörung und Heldenmut. Auf Dialoge wird weitesgehend verzichtet. Die Charaktere zeigen sich wortkarg, und verleihen so den sporadisch eingesträuten Sätzen um so größere Bedeutung, sie brennen sich ein. Hier fällt vor allem der harte Akzent auf, welcher die Stimmung des Filmes unterstützt. Die harte Aussprache kämpft gegen die die zerreissende Atmosphäre an. Auch die Geräuschkulissen entfernen sich vom typischen Unterhaltungsfilm. Er spielt mit Atmo-Klangfeldern, welche mal grotesk realistisch dort spielen, wo sonst Filmmusik einsetzen würde, und so kontrastiert den wahren Charakter der Begebenheit zeichnet, mal in überzogener Intensität und Lautstärke die Anspannung der Handlung hervorheben. Auf Filmmusik wird fast gänzlich verzichtet, und wenn, wird auf dröhnende Klangfelder und ebenfalls an Atmos orientierten Instrumentalisierungen, welche bis zur Unkenntlichkeit entfremdet sind, gesetzt. Die Bilder sind gewaltig inszeniert, Refn setzt auf die atemberaubende Landschaft Schottlands, markante Farbgebung, starke Helligkeitskontraste, einprägsame Naturaufnahmen. Valhalla Rising lebt mehr von seiner Atmosphäre als seiner Handlung, und verleit dieser so verschärfte Stärke. Valhalla ist Rising ist packend inszeniert, bildgewaltig, atmosphärisch und mitreißend, mit starken Charakteren und Schauspielern, allen voran ein überragender Mas Mikkelsen in der Hauptrolle. Gewiss kein Film, der jedem Gefallen dürfte. Für mich aber ein außergewöhnliches, und sehr faszinierendes Werk Kinematographie. Und so wohl einer von sehr (sehr) wenigen Filmen, denen ich die volle Punktzahl vergönnen würde.

€: Hab gerade den deutschen Trailer gesehen, da mag das mit dem Akzent falsch wirken. Ich hab den Film auf Englisch geguckt (:

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