Re: Der allgemeine Politikthread

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Leukon

Registriert seit: 14.07.2010

Beiträge: 1,385

attoparsec
Ich bin ich :8) Ich bin kein Mitglied einer Partei und würde nie einer beitreten – wenn doch, wäre ich das einzige Mitglied. Ich fühle mich auch zu keiner der im noch amtierenden Bundestag vertretenen Parteien so richtig hingezogen, meine politischen und gesellschaftlichen Vorstellungen sind auch keineswegs fest, sondern haben sich in den letzten, sagen wir mal, 20 Jahren immer wieder verändert. Ich halte bestimmte Themen für wichtig, und dann passiert es halt, dass ich bei Thema X mit Partei A übereinstimme, bei Thema Y aber nicht, und es bei Partei B genau andersrum aussieht (ich hoffe, das war irgendwie verständlich). Der ganze Text hilft dir jetzt vielleicht nur bedingt, aber ich will damit nur sagen, dass ich mich nicht so wirklich in eine Schublade einsortieren lasse. 🙂

Mir geht es bei den Parteien auch nicht wesentlich anders. Die Parteienherrschaft scheint mir überhaupt ein Grundübel unserer Zeit zu sein. Aber abgesehen davon hat jeder politisch denkende Mensch eben Themen, die ihm wirklich wichtig sind (freilich können die sich im Laufe der Zeit ändern). Und anhand dieser Themen wird er entscheiden, wer Freund und wer Feind ist. Ich akzeptiere es natürlich, wenn du dich lieber bedeckt hältst, aber du kannst mir nicht erzählen, dass das bei dir anders ist.

Zum Thema Freiheit/Staatsaufgaben/Bevormundung: vielleicht spielt da auch meine eigene Prägung/Vorstellung ein wenig rein, und/oder eine Verkennung des freiheitlichen Gedankens in den USA. Und dass man nicht alle über einen Kamm scheren darf, ist auch klar, nur (vielleicht war ich da etwas zu polemisch oder überpointiert): manchmal hab ich schon das Gefühl, dass viele glauben, ohne einen vermeintlich „fürsorgenden“/sich einmischenden Staat besser dran zu sein, nur weil sie nicht davon profitieren, momentan nicht auf ihn angewiesen sind oder glauben alles besser zu wissen, aber wenn dann bestimmte Situationen eintreten (deswegen das Beispiel Naturkatastrophe), doch ganz froh sind, wenn es einen helfenden Staat gibt.

Da ist schon was dran. Ein anderes Beispiel wären Bedrohungen von “Außen“, also ernsthafte militärische Angriffe. Ich bin kein Kenner des Libertarismus, aber was ich bislang zur Bewältigung dieser und ähnlicher Extremsituationen gelesen habe, hat mich nicht überzeugt.

Beispiel Steuern: natürlich darf man der Meinung sein, dass die Steuern gesenkt werden oder noch niedriger sein müssen. Damit beschneidet man aber den Staat, der dann halt entscheiden muss, welches Aufgabengebiet er vernachlässigt oder überhaupt nicht mehr beackert. Oder Beispiel Krankenversicherung: natürlich kann man gegen eine staatliche Pflicht zur Krankenversicherung argumentieren, nur darf man sich halt hinterher nicht beschweren, wenn die Behandlung einer schweren Krankheit plötzliche zehntausende Euro kostet.

Dass eine Krankenversicherung vernünftig ist, bestreitet sicherlich niemand. Das wusste man in den USA auch schon vor Obama. Die Diskussion um Obamas Gesundheitsreform dreht sich eher um andere Punkte. Es ist zum Beispiel höchst zweifelhaft, ob die Bundesregierung überhaupt die erforderlich Gesetzgebungskompetenz hatte. Da geht es wirklich um die Grundfesten der U.S.-amerikanischen Verfassung, um die grundlegenden Prinzipien, nach denen sich das Verhältnis des Staates zur Freiheit seiner Bürger richtet. Und dann gibt es noch das Finanzierungsproblem. Dass “Obamacare“ deshalb erstens zahlreiche kleinere Unternehmen an den Rand des Ruins und darüber hinaus getrieben hat, dürfte sich vielleicht schon herumgesprochen haben. Seltener hört man, dass man – zweitens – zur Finanzierung der Gesundheitsreform ironischerweise den Etat des Medicare-Systems (staatliche Gesundheitsversorgung für bedürftige Alte und Behinderte) massiv gekürzt hat. Was der Staat für tatsächliche und vermeintliche Wohlfahrt ausgibt, muss er sich ja erst einmal von seinen Bürgern holen. Kein Wunder dass das nicht gut ankommt, wo doch die allermeisten Bürger eigentlich sehr zufrieden mit ihrer Gesundheitsversorgung waren – sogar über 80% derjenigen, die auf öffentliche Gesundheitsfürsorge angewiesen waren/sind (Medicaid und Medicare). Schließlich gibt es noch massive Friktionen mit der Religionsfreiheit: Die Gesundheitsreform zwingt kirchliche Kliniken, Verhütungsmittel und Sterilisation anzubieten.

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