Re: Eddies Plattenkiste: Millenium

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palez

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The Adversarytolle Liste@PAlez!

Thx. 🙂

Paysage d’Hiver – Paysage d’Hiver…

…trägt die „winterliche“ Atmosphäre ja bereits im Titel und Herr Wintherr (^^) hat sich dieser auch musikalisch mit Leib und Seele verschrieben. Für den „Ottonormalkonsument“ in Sachen Black Metal, zu denen ich mich ja normalerweise sogar selbst zähle, gilt es dabei aber, ein zunächst gigantisches Hindernis zu überwinden: der Demo-Sound, der das so gern karikierte, „typische“ Black Metal-Klangbild mit seinem Scheppern, seinem omnipräsenten Rauschen und seiner Intransparenz zig mal übersteigt, kann spöttisch als so eine Art vorzeitige Hörerselektion gewertet werden. Nur die Harten kommen in den Garten, wer das nicht mal ’ne Minute lang aushält, soll gleich the hall leaven, oder so. Man kann es aber auch so sehen, dass ein anderer Sound die Musik von Paysage d’Hiver kaum so passend ummanteln könnte, kaum einer zum zelebrierten Breitwandminimalismus, zur schorffen, betont und bewusst monotonen, blizzardartig wütenden und doch auf ihre Weise anmutigen Epik der drei ausnahmslos überlangen Kompositionen passen könnte. „Paysage d’Hiver“ ist somit so harsch, extrem und erbarmungslos, dass es zahlreiche Hörer von vornherein abstößt und mit diesen Attributen einen Panzer um sich selbst bildet, gleichzeitig sind eben diese, noch mehr aber die angesprochene Epik und Anmut Quelle seiner Intensität. So gelingt Wintherr zwar einerseits das Kunststück, für eine 17- bis 18-minütige Komposition nicht viel mehr als ein prägnantes Leitmotiv zu benötigen und den Hörer schon allein mit der unfassbaren atmosphärischen Dichte und der schieren Manie mehr als nur bei der Stange zu halten, im richtigen Moment allerdings auch geschickt kleine Variationen einzustreuen und den Stücken mit „stilfremden“ Elementen eine ganz neue Dimension zu verleihen. Am besten nachzuhören vielleicht bei „Welt aus Eis“; der Klargesang, der Einsatz der Streicher, diese schier herzzerreißend schönen Melodien sind so tief zwischen Schnee und Lärm verscharrt und doch so durchdringend, so brennend in einer Umgebung von menschenfeindlicher Kälte, dass ich das Stück als den (neben Weakling – No One Can Be Called As A Man While He’ll Die und Drautran – Dusk Of The Fimbulwinter) emotionalsten mir bekannten Black Metal-Song bezeichnen würde. Chapeau!

http://www.myspace.com/paysagedhiver

The Gathering – Sleepy Buildings – A Semi Acoustic Evening…

…ist bei dieser Band sowas wie die perfekte Visitenkarte. Es ist dabei kein reguläres Studiowerk und besitzt als semiakustische Live-Aufnahme mit einem bisher unveröffentlichten Stück eher Gimmick-Charakter. Was sich zumindest auf dem Papier nicht sonderlich interessant oder essentiell anhört, ist aus meiner Sicht das Beste, was die Band seit der Jahrtausendwende veröffentlicht hat. Bei vielen Bands mag der Sinn einer halbakustischen Neuaufnahme alter Songs streitbar sein, im Falle The Gathering ist es das Beste, was den Stücken hätte passieren können. Mit dezenten, aber liebevoll ausgearbeiteten Arrangements reduziert man die Songs auf wenig mehr als ihre Essenz und bringt die fast alle Schaffensphasen umfassenden Stücke (lediglich „Almost A Dance“ von 1993 und „Souvenirs“ von 2003 wurden ausgespart) auf einen gemeinsamen Nenner: eigenständige, stilübergreifende, atmosphärische und emotionale Rockmusik, kurz: alles, wofür The Gathering spätestens nach dem Einstieg von Anneke van Giersbergen standen und nach ihrem Ausstieg eigentlich immer noch stehen. Vor allem bildet die zurückgenommene Instrumentierung die perfekte Kulisse für den wohl größten und besten Auftritt von Sängerin Anneke Van Giersbergen. So abwertend es zunächst auch klingen mag: ihr so glockenheller wie kraftvoller Gesang veredelt und trägt die Stücke, das Songwriting hat sich zunehmend auf ihn konzentriert. Es ist für einmal keineswegs eine Übertreibung, wenn ich sage, dass ich bei den letzten Minuten von der neuen Version von „The Mirror Waters“, „Red Is A Slow Colour“ und „Travel“ den Tränen nahe bin, mich beim wunderbar fragilen „Amity“ kaum zu atmen traue, „In Motion II“ in genau dieser Version als den vielleicht bewegendsten Moment der gesamten Bandlaufbahn und „Sleepy Buildings“ als die Reinform musikalischer Schönheit bezeichne. Titel wie „Shrink“, das mit einem verspielt-jazzigen Klaviermotiv aufwartende Titelstück sowie „My Electricity“ demonstrieren dazu hervorragend die geistige Nähe zu Künstlerinnen wie Tori Amos und die Neuinterpretationen der holprigen ersten Death-Doom-Gehversuche aus der prä-Anneke-Phase die künstlerische Reife der Band.
Mit „Sleepy Buildings“ hat die Band sich selbst, ihren Hörern und denen, die es noch werden wollen, einen großen Gefallen getan und ihrem bisherigen Schaffen die Krone aufgesetzt. Supi!

http://www.youtube.com/watch?v=l83jvNu6Bxc
http://www.youtube.com/watch?v=KtRHWQkbeQw
http://www.youtube.com/watch?v=GlvQWiZf3Xc

So, und nach dieser sweeten kleinen Runde Aufmerksamkeitsrumgehure krieche ich nun wieder brav unter meinen Stein. Ciao!