Re: Katatonia-Diskographie Diskussion

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palez

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Katatonia, ja…eine für meinen Musikgeschmack (und mich als Menschen) sehr wichtige und prägende Band. Eine Band, der ich vor allem für zwei Alben und ansonsten für unzählige wunderbare Momente unendlich dankbar bin – IMO aber auch eine Band, die in ihrer Karriere musikalisch einiges falsch gemacht hat und bei der meine rosa Fangirl-Brille nicht immer wirkt; „Discouraged Ones“, dieser stellenweise auf ureigene Weise bezaubernde, schlussendlich aber schüchterne und tapsige Versuch, nach dem tiefschwarzen Manifest „Brave Murder Day“ neue musikalische Ufer anzusteuern. „Tonight’s Decision“, dieses unentschlossene Etwas, dieses in technischer Hinsicht gerne auch einfach nur misslungene Gemälde in Schieflage, das zwischen DO und LFDGD veröffentlicht wurde, dem aber der Charme vom erstgenannten und die songwriterische Finesse vom letztgenannten Album abgehen. Und überhaupt: was haben die sich beim Jeff Buckley-Cover „Nightmares by The Sea“ und dem Refrain von „Right Into The Bliss“ gedacht? „Viva Emptiness“, das ein grundsätzlich sehr spannendes Konzept verfolgt (und auf dem sich zudem noch mein liebster Katatonia-Song überhaupt befindet – „Complicity“), in seiner allzu hohen Ambition aber über seine eigenen Füße – in dem Sinne eine gegenüber dem Nachfolger von Spontaneität und Fehlerhaftigkeit bestimmte Vorgehensweise – stolpert. Vielleicht auch „Dance of December Souls“, mit dem ich mich aber nicht groß beschäftigt habe, denn nach einem Durchlauf blieb das Album für mich weitgehend reizlos.

Über lange Strecken ihrer Bandlaufbahn waren Katatonia vor allem eine Song-Band – Gewinner nach Punkten müssten in der Hinsicht also eigentlich „Last Fair Deal Gone Down“ sowie das aktuelle Werk, „Night Is The New Day“, sein. Ersteres ist so etwas wie das Pop-Album von Katatonia; wunderbar warm und kuschelig produzierter Alternative Rock, bei dem man den Tunnelblick auf die großen Melodien für Melon…ääh, Millionen richtet. Im Refrain des Openers „Dispossession“ bleibt für einige Sekunden die Welt stehen – in this dead hour, here with you, seconds are worthless. (mit „Passing Bird“, „We Must Bury You“ sowie „Teargas“ befinden sich IMO allerdings auch drei Skip-Kandidaten auf dem Album…)
Bei „Night Is The New Day“ versuchte man, all das auf den neueren Alben erlangte Können zu bündeln und zu demonstrieren – heraus kam eine Anwendung des LFDGD-Prinzips auf diese mittlerweile sehr eigene Art der Düsternis, die man auf TGCD und VE kultivierte, somit zahlreiche großartige Songs und das vielleicht abwechslungsreichste und selbstsicherste Album Katatonias, verloren ging aber der Album- bzw. Konzept-Gedanke, der den Vorgänger noch auszeichnete und der hier einige eher belanglose Songs noch hätte „retten“ können. Herausstechendes Stück ist wohl „Departer“ – selten waren Schmerzen so schön.

Bleiben noch „Brave Murder Day“ und „The Great Cold Distance“ übrig, zwei Alben, die unterschiedlicher nicht sein könnten, im Grunde jeweils eine völlig andere Band zeigen, die ich aber beide als Zenit des Schaffens von Katatonia sehen würde. BMD ist eigentlich alles andere als perfekt, Makel wurden in der Entstehungsphase dieses Albums nicht nur billigend in Kauf genommen, sie machen die Aura dieses gewissermaßen vom jugendlichen Leichtsinn (in kompositorischer Hinsicht…“leicht“ klingt angesichts der vermittelten Atmosphäre doch irgendwie absurd) und einer diffusen, grundsätzlichen Trauer geprägten Albums aus. Der seltsam wattige Drumsound, die in ihrer konsequenten Monotonie halbbewusst(los) ins Leere marschierenden Kompositionen – es müssten wohl die meisten der heutigen DSBM-Rumpelkapellen zugeben, dass ihre Idee von Musik ohne dieses Album wohl bedeutend anders klingen würde…und dass sie diesen hohen Standard nie, aber auch nie erreichen.
„The Great Cold Distance“ ist innerhalb seiner streng limitierten musikalischen Möglichkeiten jedoch perfekt, ist auch ein Album, bei dem die Band genau das erreichen, einfach alles richtig machen wollte – Glückwunsch, Jungs, ist euch gelungen. Kein Song, keine große, ausladende Geste stehen da im Vordergrund, sie alle wurden „Opfer“ einer nicht eben exakt konzeptuellen, aber eben doch sehr drastischen und kompromisslosen Art und Weise, mit der eine gewisse Grundstimmung aufgebaut wurde. Alle Songs werden begraben von einer undurchdringlichen schwarzen Decke, unter der sie sich einzeln kaum entfalten können, im Album-Kontext aber erst richtig funktionieren. „The Great Cold Distance“ ist ein Album über und für die Großstadt, ein Spiegel zwischenmenschlicher Kälte, unüberwindbarer und akzeptierter Isolation, einer allgemeinen, stummen Resignation, ein modernes Dystopia. Und kann zudem die besten Texte vorweisen, die je auf einem Katatonia-Album zu finden waren.

€: Liste WOOOOO:

1. The Great Cold Distance
2. Brave Murder Day
3. Last Fair Deal Gone Down
4. Night Is The New Day
5. Viva Emptiness
6. Discouraged Ones
7. Tonight’s Decision
(-). Dance of December Souls