Re: Dancing Mad God vs. [A.F.P.] (hier fancy Thread-Titel einfügen)

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Dancing Mad God

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Bird Eater – It Takes Days To Boil The Bones

Der Einstieg ist brachial, gezögert wird hier nicht. Fette Gitarren, gequälte Shouts, relativ abgehacktes und uneingängiges Drumming, das den Song um einiges sperriger macht, bestimmen den Anfang. Die Gitarren dagegen gehen gut rein, sind stellenweise fast groovig, springen aber oft genug zwischen verschiedenen Riffs hin und her, um niemals berechenbar zu sein. Obwohl ich keine Mängel feststellen kann, sagt mir das Dargebotene noch nicht besonders viel; richtig geil finde ich allerdings das Aufquietschen der Gitarren nach anderthalb Minuten, das einem das leckere Fleisch von den Knochen kratzt. Kurz vor der Hälfte beruhigen sich die Vogelfresser dann auch mal für ein Minütchen und streuen einen Akustik-Part ein: Ist ganz nett, hat man aber so ähnlich schon öfters gehört. Danach wird’s sludgig: Jetzt beginnt wohl der Teil des Festmahls, der für die Hörer als Hauptzutat so richtig unangenehm wird. Für mich jedenfalls, denn der Gitarrist muss leider ein Solo zum Besten geben, das mich, wie so oft, etwas stört. Ein Fremdkörper eben, aber was soll’s. Kurz nach dieser Unterbrechung des Spielflusses geht der Song auch schon zur Neige und lässt mich etwas unentschlossen zurück. Ein schlechter Einstieg war’s bestimmt nicht, aber da ist schon noch eine Menge Luft nach oben.

Gaza – Hospital Fat Bags

Und die gedenken Gaza ausführlich zu nutzen. Der erbarmungslos chaotische Anfang erinnert mich an Plebeian Grandstand, das ist für mich schon mal die positivste Assoziation, die in diesem musikalischen Bereich möglich ist. Die Gitarren riffen völlig unnachvollziehbar durch die Gegend, aber das wirkt mitnichten wie Technik-Gewichse, sondern wie die Abreaktion von anders nicht mehr kanalisierbaren Gefühlen. Der Sänger überzeugt mit seinem psychotischen Kreischen ebenfalls, wenn auch nicht ganz so sehr wie Adrien der erwähnten Plebeian Grandstand. Gaza können aber bei Weitem nicht nur hysterisch um sich schlagen: Nach zweieinhalb Minuten setzt ein tonnenschwerer schleppender Part ein, der für mich noch vorm melodiösen Finale den Höhepunkt dieses Songs darstellt. Für gerade einmal eine Minute senkt sich die Last einer ganzen Welt auf uns Erbarmungswürdige, erstickt Licht, Glück und Hoffnung. Der Gesang passt sich an diese vernichtende Tortur an, erklingt nun nicht mehr nur als Kreischen, sondern zusätzlich als gefoltertes Growlen, das die Stimmung perfekt unterstreicht. Dieser Part ist das Fundament für das, was folgt: Sonnenstrahlen brechen durch das Dunkel und Gitarrenmelodien von unerwarteter Schönheit heben den geschundenen Geist in diesem zerquetschten Körper einem erlösenden Delirium entgegen, einem Wachtraum aus Betäubung und Schwerelosigkeit. Passend zur gewandelten Atmosphäre schweigen nun auch die Vocals, deren kompromissloser Ausdruck von Pein hier nicht länger gepasst hätte. Für meinen Geschmack zieht sich dieser Schlusspart vielleicht sogar ein wenig zu lang hin, aber durch diverse Feedbacks im Hintergrund gestaltet er sich zum Glück nicht allzu repetitiv, obwohl die zentrale Melodie nicht variiert wird.
So bleibt unterm Strich ein absolut vielfältiges und einnehmendes Stück, das ein frühes Highlight auf diesem Sampler darstellt. Das zugehörige Album werde ich mit Sicherheit austesten.

Bone Dance – West

Auch hier besteht eine Verbindung zu Plebeian Grandstand, die allerdings nicht musikalischer Natur ist: Vielmehr ist dieser Song im Rahmen einer Split-LP mit meinen Lieblings-Toulousern erschienen. Nun denn, ich bin gespannt.
Gleich zu Anfang muss ich leider anmerken, dass „West“ etwas unter der suboptimalen Audio-Qualität der mp3 leidet; aber da Vinyl eben nicht so leicht zu digitalisieren ist wie CDs, gehe ich mal davon aus, dass das nicht anders möglich war. Lautstärkeregler also einmal kräftig nach rechts geruckt und los geht’s!

Wie auch ihre Vorgänger auf diesem Mixtape haben Bone Dance kein gesteigertes Interesse daran, Gefangene zu machen. Die Gitarren setzen kraftvoll ein, mit einer für dieses Genre (fürs Protokoll: Blackened Hardcore, den ich mit Celeste vergleichen würde) extrem gelungenen Produktion, die den Sound zwar roh und leicht verwaschen klingen lässt – ein Effekt, den ich sehr mag – aber dennoch transparent für das Gespielte bleibt. Was mir an „West“ vor allem gefällt, ist der Abwechslungsreichtum, ohne jemals an Energie einzubüßen. Nicht, dass ich per se etwas gegen ruhige Parts hätte, aber dieses Stück funktioniert einfach perfekt ohne so etwas. Gitarren und Drumming treiben den Hörer über Stock und Stein, wie eine wilde Hatz durch einen verlassenen Wald; der grimmige Sänger legt dabei überzeugend dar, dass etwas hinter uns her ist, vor dem man Angst haben sollte. So vergehen die vier Minuten bei jedem Durchlauf wie im Fluge und machen immer wieder Lust, sich den Song erneut anzuhören.
Kurzweilig, ohne Tiefe missen zu lassen: Auch hier werde ich gerne genauer hinhören.

See You Next Tuesday – Paraphilia

Natürlich vergesse ich regelmäßig, nach Bone Dance die Lautstärke wieder runterzudrehen, aber intakte Trommelfelle werden sowieso überbewertet.
Wir kommen also zur kürzesten Granate des Samplers, ein Bastard aus Sludge und Grind mit herrlich unmenschlichem Schreihals und unerwartet melodischem Gitarrenspiel. Trotz der knappen zwei Minuten Länge werde viele Akkorde ausklingen gelassen und so entsteht ein vielmehr melancholisches als ultrabrutales Feeling. Einen kurzen Knüppelpart gibt es dennoch, der sich – u.a. durch die wiederum großartige Produktion, vermute ich – perfekt in das Ganze einfügt. Der Song ist wie ein sehnsüchtiger Blick auf das offene Meer von einer Klippe aus, die plötzlich von einem gewaltigen Brecher erschüttert wird.
Obwohl man aus den Ideen dieses Songs bestimmt auch ein längeres, epischeres Stück hätte machen können, funktioniert er so, wie er ist, sehr gut. Wenn sich das ganze Album auf solch einem Niveau bewegt, könnte sich das ebenfalls auf voller Länge für mich lohnen.

Joa, bis nächsten Dienstach dann, ne?

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[indent]Jerry lacht wie ein Kind. Schlurft wie ein alter Mann. Langsame, schleppende Sprache. Zufällige Gedanken, die in einem sterbenden Gehirn hängenbleiben. Verworrene Erinnerungen. Stimmen, die sonst niemand hört.[/indent]