Re: Eine wunderbare Welt gebaut aus dem gärenden Abfall dieser Zivilisation- Bewertungsthread zwischen tonitasten und Dancing Mad God

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Dancing Mad God

Registriert seit: 22.03.2011

Beiträge: 804

Hm, schade dass Neon dir nicht viel geben, hätte jetzt erwartet, dass das ungefähr deine Baustelle ist. „Synthie-Pop“ höre ich da eigentlich kaum heraus, da die Gitarren doch recht eindeutig den Ton angeben, deren Sound und Melodien ich hier auch einfach toll finde. Naja. Monotoner Gesang ist für mich in den wenigsten Fällen ein Problem, aber das passiert mir öfters, dass die Opfer meiner Sampler das bemäkeln :haha:

Bei N.R.F.B. bewegen sich unsere Vorlieben dann noch eindeutiger auseinander, denn dieses Lied finde ich schlicht und ergreifend perfekt. Aufbau, Sound, Gesang, Text: Einfach alles an diesem Song macht mich süchtig. Kann ich gar nicht oft genug hören. Und da darf auch um Gottes Willen nicht noch mehr passieren, das ist alles genau richtig so. Naja, schade drum, aber so ist das eben mit den Geschmäckern…

Aber Mutter scheinen dir ja zu gefallen, das ist schön. Leider ist auch Europa gegen Amerika nicht mehr so leicht zu bekommen; die restlichen Songs könnte ich dir aber zumindest zukommen lassen.

Was The Young Gods betrifft, könnte der Rest des Albums dich möglicherweise enttäuschen, da dieses z.T. härter und rhythmischer ist und stärker mit E-Gitarren arbeitet. Insgesamt aber ein tolles Teil, wie ich finde, ich verlinke dir mal einen anderen Favoriten von mir: http://www.youtube.com/watch?v=z9js1eGZJK0 Und endlich ein paar Reviews von mir:

Wire – I Should Have Known Better

Es beginnt mit einem steten Beat und monotoner Bassdrum, bevor Gitarren und Synthies einsetzen und sich ein geschmackvoller Post-Punk-Song entfaltet. Der Sänger erzählt zunächst seinen Text mit glatter, angenehmer Stimme, deren Intonation hier sehr typisch für die 80er Jahre klingt. Wenn er dann anfängt zu singen, wechselt er in eine höhere Stimmlage, die den Grad an Emotionalität erhöht, während er über Unaufrichtigkeit, Rache und gefälschte Liebe klagt. Allein, alles wirkt auf mich sehr gestellt. Das gesamte Konstrukt ist an Eleganz kaum zu übertreffen und klingt so sorgfältig inszeniert, dass Tragik hier maximal noch als Stilmittel dient. Man sieht den Sänger förmlich in seinem perfekt sitzenden schwarzen Anzug vor sich, ein Künstler auf einer Bühne, der so souverän wirkt, dass er kaum von irgendetwas wirklich ergriffen sein kann.
Definitiv ein schöner Song, den man sich öfters anhören kann, aber nichts, das mich mitreißt.


Young Marble Giants – N.I.T.A.

Vor Kurzem bin ich selbst bei einem Händler über diesen Namen gestolpert und habe mich auf YouTube durch ein paar Songs gehört, um zu entscheiden, ob ich Colossal Youth mitbestellen sollte. Ich habe mich dagegen entschieden und dieser Song ist gut geeignet, meine Entscheidung zu stützen.
Dreieinhalb Minuten lang passiert eigentlich gar nichts, nicht im Song und, was wesentlich vernichtender ist, nicht in meinem Kopf. Über einer simplen Akkordfolge beherrscht eine Synthie-Melodie den Song, die einfach nichtssagend ist. Nicht traurig, nicht fröhlich, nicht erhebend, nicht melancholisch, einfach da. Ähnliches gilt für die Sängerin: Sie trällert sich mit ihrer wohlklingenden, etwas mädchenhaften Stimme durch das Lied und klingt dabei, als ob sie singe, weil sie eben eine schöne Stimme hat; wenn hier irgendwas ausgedrückt wird, bekomme ich es jedenfalls nicht mit. Ebenso unspektakulär, wie er verlaufen ist, endet der Song auch und wenn ich mich nicht sehr konzentriere, bemerke ich kaum, dass er vorbei ist.
Musik, die mir egal ist.

Spaceman 3 – Walkin‘ With Jesus

Dem Künstlernamen könnte man ja entnehmen, dass wir es hier mit abgedrehten und spacigen Sounds zu tun bekommen werden, aber nichts könnte ferner von der Wahrheit sein.
Stattdessen gibt’s unaufgeregte Singer/Songwriter-artige Musik, die ich aufgrund der im Hintergrund stoisch zwischen ganzen zwei Noten alternierenden Hammond-Orgel in die 70er-Kiste stecken würde. Auf diesem Fundament erklingen lagerfeuertaugliche Akustikgitarren-Akkorde und eine dazu passende Stimme, die mir was von Jesus und dem „sound of confusion“ erzählt. Statt Verwirrung macht sich aber eher gepflegte Langeweile breit, denn einmal mehr höre ich aus dem Song keinerlei interessante Stimmungen heraus. Der Sänger scheint so zufrieden mit seinem Leben zu sein, dass er sogar unter Androhung von Verdammnis nach dem Tod nichts daran ändern möchte – ein Konflikt, der sich nicht weiter abseits meiner persönlichen Lebensrealität bewegen könnte. So reißt mich dann auch dieses Stück etwa so mit wie ein sedierter Chihuahua beim Gassigehen.
Verzichtbar.

Leakh – Interim

Einen gewissen Mangel an Enthusiasmus konnte ich bei den ersten drei Songs ja schlecht verbergen, das soll sich nun aber ändern. Schon die ersten Takte kündigen dies an: Nicht mehr als einen Bass hört man da, der aber so bedrohlich knurrt, dass es die intensivsten Sekunden dieses ersten Sampler-Abschnitts sind. Und die emotionale Dichte nimmt nur noch weiter zu. Bald setzen verzerrte Beats ein, wie das Lärmen einer großen Maschine in einer menschenleeren Fabrikhalle. Der Sänger klingt zunächst relativ monoton, aber mit gefährlichem Wahnsinn unter der Oberfläche, der später durchbricht, wenn er in verzweifelter Hilflosigkeit immer wieder ein einzelnes Wort wiederholt (klingt fast wie „nein nein“, aber ich konnte online leider keine Lyrics finden). Das Soundgerüst unterstützt diese Entwicklung durch wildes Aufkreischen der Maschinerie, die wie ein sich ausbreitender Schimmelpilz neue Teile und Mechanismen hervorstößt und dem am Abgrund seines Verstanden stehenden Sänger immer näher rückt; unter dem Lärm erklingt außerdem eine sanfte Pianomelodie, wie eine Halluzination in dieser lebensfeindlichen Umgebung.

Alles, was ich mich nun frage, ist, warum ich diese Künstler noch nicht kannte; aber für Entdeckungen wie diese macht man ja solche Sampler-Aktionen. Musik und Stimmung erinnern mich übrigens an einen Song von Cindytalk, den palez mir mal auf ein Mixtape gepackt hat – von denen wollte ich mir auch mal was besorgen. Mal schauen, ob Leakh oder Cindytalk zuerst den Weg zu mir finden…

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[indent]Jerry lacht wie ein Kind. Schlurft wie ein alter Mann. Langsame, schleppende Sprache. Zufällige Gedanken, die in einem sterbenden Gehirn hängenbleiben. Verworrene Erinnerungen. Stimmen, die sonst niemand hört.[/indent]