Re: 2012 – der letzte Jahresrückblick ever

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Axe To Fall

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Axe To Fall“s artsy farty Jahresrückblick Teil 2:

Weiter gehts. Die Kategorie heute ist eigentlich selbsterklärend. Sie beschreibt Alben die irgendwie die Erwartungen erfüllt haben, den Hoffnungen aber weit hinterher hinken. Naturgemäß sammeln sich in einem Jahr viele Alben dieser Kategorie an, deswegen mal nur die prominentesten Beispiele.

„Ferner liefen…“:

Hands down, wer hat noch die Nase voll von Alcest oder Neige im Allgemeinen? Vielleicht ist es diese Übersättigung die mir die letzte Alcest-Platte teilweise so madig macht. Vielleicht ist es aber auch einfach ihre fehlende Konstanz. Wirklich schöne, dynamisch-berauschende Momente wechseln sich mit endlos öden Träumereien ab. Vielleicht bin ich inzwischen ein paar mal zu oft durch die nebelverhangene Lichtung im Wald geschlendert – vielleicht haben Alcest aber auch mit „Écailles de lune“ alles gesagt. Ich vermute eher letzteres.

Anathema sind zumindest wieder auf dem richtigen Weg. Nach der dem die letzte Esoterik-Schlacht ja schon eher eine Bauchlandung war, war die letztjährige Resteverwertung für mich der Gipfel der Abscheulichkeit. Mehr Kitsch, mehr Belanglosigkeit ging nicht. Mit einer entsprechenden Skepsis ging ich auch an „Weather Systems“ ran – und wurde zumindest partiell positiv überrascht. Die Melodien stimmten wieder häufiger, die Song waren wieder (positiv) dramatisch und die Briten zeigten sich auch wieder etwas experimentierfreudiger. Die Texte schlagen zwar nachwievor jeden Boden aus, dieses Mal konnte ich zumindest manchmal drüber weg sehen. „Alternative 4“ ist dennoch weit, weit weg…

Martin Van Drunen ist überall. Egal ob diese aktuelle neue Band (die ja quasi auch Asphyx-II sein könnte), Hail Of Bullets oder eben Asphyx. Letztere ist ja quasi van Drunens Hauptband, glaube ich. „Deathhammer“ macht auch Spaß und bekommt die Melange aus schnellen Abschädelern und doomenden Lavaflüssen gut hin. Mehr als Fast Food ist der „Deathhammer“ dennoch nicht – zu undifferenziert ist der Sound, zu bekannt ist die alte Formel. Schlecht geht anders, überragend aber auch.

Gojira haben ein Problem: übertrieben große Erwartungshaltungen. Demnach können neue Alben der Franzosen eigentlich nur enttäuschen. Bis jetzt bewiesen sie immer das Gegenteil. „L’enfant sauvage“ ist nun leider der erste Gegenbeweis. Duplantier und co. stagnieren – auf hohem Niveau, aber sie stagnieren. Die Formel nach denen gut 90% der Songs funktionieren ist wohlbekannt. Da helfen auch keine „djentigen“ Riffs weiter, die Songs auf den Vorgängern waren besser. Gut finden kann man „L’enfant sauvage“ dennoch, muss man wahrscheinlich sogar. Denn das Niveau der Franzosen ist nachwievor ein Wolkenkratzer – der allerdings dieses mal den Himmel verpasst.

Retro-Rock ist der Shit, akzeptiert es. Er boomt, und das auch in kommerzieller Hinsicht, egal ob okkult oder zeppelinesk. Graveyard schalten mit „Lights Out“ vollkommen auf Angriff, Hits haben sie ja mitgebracht. Das Debüt hatte mehr Langzeitwert, „Hisingen Blues“ mehr Biss. Und „Lights Out“? Liegt irgendwo dazwischen, bündelt dabei aber auch die Schwächen der beiden Vorgänger. Der Drittling wirkt deshalb etwas unentschieden – und auch hier spielt zunehmende Übersättigung eine Rolle.

Ihsahn’s Retrospektive ist voller Klassiker, gelungenen Zwischenwerken und wenigen Stinkern. „Eremita“ pendelt sich schlussendlich irgendwo zwischen den beiden letzteren ein. „After“ war super, weil es so luftig und gleichzeitug erdrückend finster war. Ihsahns vierter Solostreich wirkt aber wie ein Rückschritt – etwas zu verwirrt klingen manche Songs, auch wenn man ihnen eine gewisse Grundqualität nicht absprechen kann. „Eremita“ bietet schönes Hirnfutter, konzentiert sich dabei aber etwas zu sehr auf das Gehirn. Und zu wenig auf den Bauch.

Ich sagte bereits, in dieser Kategorie sind viele Bands gelandet. Eine weitere sind Nachtmystium. Eigentlich ist „Silencing Machine“ ziemlich gut und auch bei weitem nicht so konventionell wie viele behaupten. Viel gehört habe ich die Scheibe aber dennoch nicht. Warum? Vielleicht weil die Qualität der Songs etwas zu sehr schwankt? Weil die beiden Vorgänger einen übergroßen Schatten werfen? Weil sich bis auf den Titeltrack und „Borrowed Hope…“ noch kein Song endgültig im Kleinhirn eingenistet hat? Wahrscheinlich von allem etwas.

Eine Frage sei erlaubt: Inwiefern können Meshuggah noch überraschen? Die Schweden waren Pioniere einer ganzen musikalischen Strömung und haben mit „Destroy Erase Improve“ und „Catch 33“ zwei für mich unsterbliche Alben geschrieben. Da verzeiht man auch die unangenehme Vertrautheit mit „Koloss“. Wobei „The Demon’s Name…“ dürfte als zukünftiger Bandklassiker durchgehen, denn das ist wohl der erste tanzbare Song von Meshuggah. Ansonsten gibt es Polyrythmen und Dissonanzen und, ach ihr wisst doch selbst wie Meshuggah klingen. Zieht mir nicht alles aus der Nase.

Normalerweise hatte ich Devil Sold His Soul fest im oberen Bereich des Polls eingeplant. Eigentlich hat „Empire Of Light“ auch das Potenzial dazu. Aber was nun: war die Konkurrenz zu stark? Nein, DSHSs neues Werk zeigt fast nur das Potenzial, schöpft es aber nie vollkommen aus. Vielleicht sind es auch die etwas zu kompakten Songs, vielleicht ist es auch etwas zu schnell. Ich weiß, komische Kritikpunkte. Aber der Vorgänger machte halt vieles besser.

Zeit für das Enfant terrible des MH-Forums: Katatonia. Die beiden Vorgänger sind bei mir jeweils im oberen Bereich der jeweiligen Jahre zu finden. Was hat „Dead End Kings“ dann hier zu suchen? Simple Antwort: man hat sich irgendwie dran gewöhnt. Katatonia üben nur vage Variation, was ich ihnen gar nicht übel nehme. Nur stimmt die Anzahl der wirklich „großen“ Songs dieses Mal nicht. „The Racing Heart“ ist so einer, „Ambitions“ auch. Das wars. Der Rest ist gut, aber nicht mehr.

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Musik-Sammler „I met God and he had nothing to say to me.“