Re: Kosmo und Niks russischer Plagiatsmarkt mit Weltraumschlachten, Plüschhasen, Fairy Goodparents, komischer Musik und viel Senf!

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Nik

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N・H・Kにようこそ!


Der Raum ist dunkel, kaltes, fahles Licht strahlt von einer einzigen, verstaubten Glühbirne, welche am nackten Drath herabhängt. Ich starre im Raum umher. Der Boden ist beladen mit Abfällen – leere Dosen, Essensverpackungen, Staub, Taschentücher, Flaschen und allen möglichen Sachen, welche man am liebsten gar nicht erwähnen möchte. Der Müll quillt sogar unter dem kleinen Tischchen und dem Pc hervor, ja sogar vom Bett, welches ich eh seit Wochen nicht mehr benutzt habe. Lediglich die kleine Stelle dort, wo ich sitze, ist frei, Und selbst das stimmt nicht, denn dort sitze ich. Und ich bin wohl der größte Abfall in dieser kleinen Wohnung. Mein Name ist Tatsuhiro Sat
ō. Ich bin zweiundzwanzig Jahre alt. Von diesen zweiundzwanzig Jahren war ich seit vier nicht mehr in der Öffentlichkeit. Ich bin ein Hikokomori. Und ich habe keine Aussicht darauf, jemals etwas anderes zu sein… warum auch…. wenn ich rausgehe, werden sie mich eh nur anstarren, auslachen, auf mich zeigen, diese abartige gesichtslose Flut an Menschen…

Satō (Satou) ist ein eigentümlicher Protagonist für einen Anime. Aber das ist etwas, an das man sich bei N・H・K ni yōkoso! gewöhnen muss.- nichts ist wirklich gewöhnlich.
Satous Leben ist ehrlich gesagt ziemlich beschissen. Er schläft 16 Stunden am Tag, nimmt Drogen, er verlässt seine Wohnung nur ganz selten -wenn, dann nur mitten in der Nacht, und auch dann nur, um das nötigste einzukaufen, wovon er irgendwie von seinem mageren Unterhalt leben kann.
Satou ist der Inbegriff des Hikokomoris – eines japanischen Sozialphänomens von Leuten, welche panische Angst davor haben, dass Haus zu verlassen: aus Angst, verlacht zu werden, vor Angst, dem Druck der strengen japanischen Gesellschaft nicht standhalten zu können, vor Angst an der ganzen Lebenssituation ausserhalb der eigenen Wohnung zu zerbrechen.
So viel zur Ausgangssituation. Wie soll man aus so einer verkorksten Persönlichkeit, und solch fatalen Umständen einen Anime mit knapp über 20 Folgen kreieren?

Das Leben von Satou geht total den Bach runter. Als es nicht mehr möglich zu sein scheint, tiefer zu sinken, zieht nebenan ein alter Bekannter ein. Gleichzeitig lernt er ein mysteriöses Mädchen kennen, welches scheinbar alles über ihn weiß, und ihm ohne (bekannte) Motivation helfen möchte – ihn dafür aber an einen seltsamen Vertrag bindet.
Während Satou versucht, sie zu beeindrucken, und sich nicht anmerken zu lassen, was er tatsächlich ist, beginnt er bei seinem Bekannten zu arbeiten und bildet die Fantasie aus, dass hinter all seinem Elend nur eine Verschwörung stecken kann – eine Verschwörung der N・H・K. Einer großen japanischen Mediengesellschaft, welche nach Satou die Welt zu Hikokomorisklaven machen will.
Und so macht sich Satou auf eine lange Reise, sein Leben zu ordnen, das Mädchen zu erobern und die furchtbare N・H・K zu vernichten. Und so nimmt der Wahnsinn seinen Lauf….

Das, was ich da geschrieben habe, mag schon wie ein riesiger Spoiler erscheinen – tatsächlich umreisst es aber nicht einmal die erste Folge. Denn Welcome to the N.H.K stellt die Schicksale vieler verschiedener Personen da, welche in der Gegenwart und in der Vergangenheit irgendwo mit Satou verknüpft sind. Verschiedene Personen mit verschiedenen Sozialstati, Lebensstilen und Eigenarten. Und doch haben sie alle eins gemeinsam – im Grunde sind sie alle allein. Allein mit ihren Ängsten, ihrer Vergangenheit und ihren tiefen Depressionen und tragischen Schicksalen.
Die Geschichten sind alle ineinander verwoben, und zeichnen ein gescheitertes und trostloses Bild der japanischen Gesellschaft, welches sämtliche Tabus der japanischen Gesellschaft anspricht und bricht (Realitätsfluct, Drogen, Hikokomoris, NEETS, Otakus, der zu hohe Leistungsdruck, Aussichtslosigkeit für die Zukunft etc.). Und so stolpert Satou von einem traumatischen Erlebnis zum anderen, bis er schließlich bei seinem Suizid angelangt ist, und den Anime ausklingen lässt.

Welcome to the N.H.K. ist wahrscheinlich der mit Abstand beste Anime, den ich je gesehen habe. Ein wahres Juwel. Die Charaktere und Handlungsstränge sind wundervoll realistisch, und doch so grotesk überzogen, dass blanke Komik überbleibt.
Aber diese Komik ist keine gute Komik. Es ist kein überzeugtes, fröhliches Lachen, dass einem heraushüpft. Es ist ein zähes Lachen, welches durch den mit Gewalt zugedrückten Mund entschlüpft, und ein Gefühl von Selbstekel und Schock zurücklässt. Denn alles, worüber man unwillkürlich lassen muss, ist eigentlich viel zu tragisch. Jeder Lacher basiert auf der Zerstörung und Erniedrigung einer der Charaktere, welche einem im Laufe der Handlung so ans Herz wachsen. Ganz langsam offenbaren sich die schon Anfangs kaputten Lebensgeschichten zu deprimierenden, menschenverachtenden Verkettungen traumatischer und grausamer Schicksale, ohne die Menschlichkeit der Personen dabei verblassen zu lassen. Und so ist jede Folge eine Mischung aus Freude, Glück, Hass und Ekel.

Die Geschichte um Satou und seine Freunde (?) ist mitreißend, spannend und zu keiner Sekunde langweilig. Es gibt keine Stelle, zu welcher ich sagen würde: Gut, das hätte jetzt nicht reingemusst. Im Gegenteil – nach dem Ende der letzten Folge blieb eine große Leere zurück, die Frage nach den weiteren Schicksalen, eine verzerrende Ungewissheit.
Ich kann sämtliche Versionen hier nur empfehlen. Der Anime ist großartig umgesetzt, wenn auch an manchen Stellen etwas harmloser gestaltet, als die anderen Versionen – was wiederum nicht heißt, dass er harmlos ist.
Der Manga und das Buch hingegen sind noch drastischer, zeigen die Schicksale der Charaktere noch brutaler und gnadenloser, was vor allem den Manga durch den düsteren, wirren Zeichenstil noch wahnsinniger und deprimierender zeigt.
Empfehlen würde ich vor allem beim Anime die Version mit englischem Subtitle, denn die japanischen Synchronstimmen sind mMn um einiges großartiger als die englischen oder gar deutschen.

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