Re: Ein Clown bittet zum Tanz

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Dancing Mad God

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Sorry sorry sorry für meine Lahmarschigkeit, ich werde versuchen, den Rest etwas zügiger zu behandeln, bevor ich so richtig mit meiner Bachelor-Arbeit anfange(n muss).

To Kill A Petty Bourgeoisie – Lovers & Liars

Um es mit den Worten eines hochrangigen SS-Offiziers zu sagen: That’s a Bingo!

Die Drums am Anfang dieses Stücks erinnern mich sehr an „A Fairytale About Slavery“ von Miranda Sex Garden und tatsächlich spielen auch To Kill A Petty Bourgeoisie ziemlich experimentelle Musik auf Basis von folkloristischen Klängen; jedoch arbeiten die Mörder des Bürgertums hier noch stärker mit Kontrasten, als ich das von MSG gewohnt bin.
Anfangs wird der Song von dunstigen Drones im Hintergrund und einer monotonen Akustikgitarre beherrscht, auf der eine Frauenstimme von intimer Nähe und Sanftheit balanciert. In der ersten Minute vermittelt sich so das Bild eines jungen Mädchens, das inmitten eines nebelverhangenen viktorianischen Städtchens auf einer Mauer sitzt und vor sich hinträllert. Diese Szenerie wird aufs Verstörendste verzerrt, als plötzlich harscher Lärm über den Hörer hineinbricht. Die Noises klingen elektronisch erzeugt (ein bisschen wie der Klangterror früher Haus Arafna) und damit essentiell künstlich, also nicht wie ein weiteres Element des Bildes, sondern wie etwas, das von außen eindringt und die Realitätswahrnehmung stört; als ob ein virtuelles Szenario durch Störsignale durchrissen und damit sein illusionärer Charakter schmerzhaft deutlich gemacht wird. Im weiteren Verlauf wird der verhallte Gesang der Sängerin noch gedoppelt und in Schichten übereinander gelegt, sodass jede Orientierung verloren geht: Die Welt besteht jetzt nur noch aus Nebel und geisterhaften Stimmen, durchzuckt von den neonfarbenen Gitterlinien nackter 3D-Modelle.

Zusammengefasst: Ich mag Noise und insbesondere Noise gemischt mit anderen Genres. To Kill A Petty Bourgeoisie fallen damit passgenau in eines meiner Beuteschemata und konnten mich mit diesem Song schwer begeistern; daher werde ich mich auf jeden Fall noch näher mit ihnen befassen.

The Peculiar Pretzelmen – Burn Your House Down

Wesentlich bodenständiger kommt dieser nächste Song daher. Ohne mich mit Country und seinen Subgenres sonderlich gut auszukennen, würde ich ihn in die Bluegrass-Schublade packen, hauptsächlich wegen des prägnanten Banjos und des Verzichts auf elektrische Verzerrungseffekte. Wir haben es hier mit einem eher balladesken Stück zu tun, dem vor allem der klagende Gesang eine pessimistische Grundstimmung verleiht. Außer den blechernen Banjo-Akkorden und dem unglückseligen Sänger steuert auch noch ein Blasinstrument (vielleicht eine Oboe?) eher hintergründige Melodien bei; die extreme Einfachheit des Songs wird zudem durch ein paar recht harmlose Klangexperimente aufgelockert, wie z.B. einem klingelnden Beckenwirbel im letzten Drittel.

Obwohl ich das Dargebotene nicht schlecht finde, kann es mich nicht so richtig mitreißen; bei wiederholten Durchgängen fand ich vor allem das Jammern des Sängers doch recht anstrengend. Allerdings bin ich bei einer Suche nach der Band über dieses Video gestolpert, das mir doch einige Lust gemacht hat, mir die Gruppe noch einmal näher anzusehen.

Bruce Gilbert – The Shivering Man

Der Gesang ist zumindest schon mal nicht das Problem dieses Songs, es gibt nämlich keinen. Stattdessen gibt es einen Soundeffekt, der aus einem alten Cartoon stammen könnte, wenn eine Figur blitzschnell von einer Seite des Bildschirms zur anderen flitzt. Durch die stereotype Wiederholung dieses Geräuschs bekommt bereits etwas Merkwürdiges und Unheimliches, doch das ist nichts im Vergleich zu dem, was noch folgen soll.
Zum hohlen Klopfen im Hintergrund gesellen sich in schneller Abfolge auf einen der beiden Lautsprecher gemischte Streicher-Fragmente, die eine sehr desorientierende Wirkung haben; dazu knistert und scheppert es an allen Ecken und Enden und eine wabernde Halbmelodie vermittelt bei geschlossenen Augen den Eindruck, als würde sich die Welt nach innen wölben. Als wäre das noch nicht genug, ist die hungrige Bestie aus dem Nurse-With-Wound-Song gieriger denn je zurückgekehrt und ihr Magen knurrt so laut, als wolle sie die ganze Erde verschlingen. Wenn der titelgebende Herr diesen Song gehört hat, wundert es mich nicht, dass er so zittert…

Mr. Gilbert betreibt hier psychologische Kriegsführung gegen seine Hörer und das ziemlich effektiv (v.a. mit Kopfhörern, wie mir zum Glück rechtzeitig aufgefallen ist). Hier stecken auf jeden Fall spannende und absolut kompromisslos umgesetzte Ideen drin, aber einmal mehr muss ich mich fragen, ob ich mir sowas auf Albumlänge wirklich anhören könnte. Nichtsdestotrotz ein weiterer interessanter Sampler-Beitrag.

Shaolin Death Squad – Fall, Rise, Laugh… Fall

Hm…Prog-Rock? Sieht am Anfang zumindest ganz danach aus. Nicht ganz meine Baustelle, aber schauen wir mal.
Der Einstieg gerät sanft und verträumt, die unverzerrte Gitarre und der zweistimmige Gesang erinnern mich zeitweise gar an Fleetwood Mac und ich muss mich beherrschen, um nicht das böse K-Wort zu benutzen. Daneben gibt es allerdings auch noch Abschnitte mit Leadgitarre und knurrigen Vocals, die den Song gemeinsam mit der unkonventionellen Songstruktur in eine eher progressive Ecke schieben. Weil es den Shaolin-Mönchen dort aber anscheinend zu langweilig ist, machen sie nach zweieinhalb Minuten kurzerhand einen Abstecher in eine indische Disko und tanzen zu Technobässen mit orientalisch leiernden Synthies, bevor sie mit der Gewalt eines metallischen Stakkato-Riffs durch die Wand des Etablissements brechen, während der knurrige Gesang endgültig zum wütenden Growlen mutiert. Die Wandlung zum Metal ist aber nur vorübergehend, denn alsbald besinnen sich die Mönche auf ihre friedfertigen Wurzeln und ganz wie sein Titel endet auch der Song so, wie er angefangen hat, nämlich mit sanftem Pop-Rock – als wäre nichts gewesen.

Hier wird allerlei Grundverschiedenes unter eine Haube gestopft, um eine Hati-typische Merkwürdigkeit zu erschaffen. Zwar verliert die Band die Grundprinzipien nachvollziehbaren Songwritings nicht aus den Augen und hält mich mühelos bei Stange, dennoch weckt der Song in mir nicht unbedingt das Verlangen, mich näher mit dem buddhistischen Todesschwadron zu beschäftigen. Ist einfach nicht meine Musik, wie man so sagt…

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[indent]Jerry lacht wie ein Kind. Schlurft wie ein alter Mann. Langsame, schleppende Sprache. Zufällige Gedanken, die in einem sterbenden Gehirn hängenbleiben. Verworrene Erinnerungen. Stimmen, die sonst niemand hört.[/indent]