Re: Paula Pantoffeltierchens Drogentrip mit Nikki dem Clown, Schachtmenschen, Mördern und einer Aberratio Mentalis Partialis

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palez

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@Cranes: da habe ich dir aber auch mit Absicht den schwersten Brocken hingeworfen, die Schleifsteingitarren haben die son normalerweise nicht auf Albumlänge, auch wenn die Spukhausatmosphäre so bleibt. Die späteren Alben bieten dann süßen, wehmütigen, halbwegs harmlosen Dreampop.

Ich mach dann mal weiter:

2. The Vernian Process – Something Wicked (That Way Went)

Das ist ja natürlich wieder typisch, die sogenannten Freaks bekommen den undankbarsten Platz. Aber was soll’s, Alonzo der Armlose klimpert mit seinen Affenzehen noch ein bisschen auf der Orgel herum, Beatrice die Bärtige stößt den Vorhang auf und ich trete berufsmunter in die Pedale unserer Rautenrädermaschine. Nicht einfach mit Schuhen in Größe 66. Aber schön, dass mich diese rotglänzende Foltervorrichtung nach dem Runtetspringen zu großen, perfektioniert ungeschickten Schritten zwingt, so muss ich über den richtigen Gang nicht nachdenken. „Meine seeeehhrrr geehhhrrrrrten Daaaamen und Herrrrrren, herrrrrrrzlich willkommen zum Grrrrrrande Finale, der letzten Vorstellung des CIRRRRCUS MACABRE! Lassen Sie sich entführen in eine Welt, in der ERRRRRSTAUNLICHES zu Tage gefördert wird, RRRRREISSEN Sie Ihre Augen auf ob der WUNNNNNDERRR, die Ihren prrrräsentiert werden!“

Ich watschele also auf eine adrette junge Dame in der ersten Reihe zu, ein lachendes Baby im Arm. Lachende Babys sind die einzigen Lebewesen auf der Erde, die in ihrem Blick eine schreiende Dummheit haben, die es mit der von Hühnern aufnehmen kann. Ich verziehe mein Gesicht, so, dass es meinem aufgemalten Lächeln widerspricht, das Baby schlägt mir mit seiner Milchflasche auf die Stirn. Es lacht und gluckst. Nein, wie drollig! Guck mal, Kleines, da, ich hab deine Nase! Wie die adrette junge Dame kreischt, als ich meine Faust öffne und sich dort tatsächlich eine Nase findet. Natürlich nicht die von ihrem Balg – ein guter Clown sollte für seinen Auftritt immer ein paar Nasen bei sich führen, vor allem im Circus Macabre. Wo ich die herhabe? Betriebsgeheimnis, ha-ha-ha!

Beatrice die Bärtige, meine reizende Assistentin, reicht mir wieder das Megafon. „Sie sind also herrrrrgekommen, um von Ihrem öden, sinnfrrrrrreien Alltag Abstand zu nehmen? Sie sitzen am Schrrrreibtisch, stehen am Fließband, um Ihre Familie durchzubrrrrringen? Oder du, Bürrrrrschchen, gehst du auch immmmerrr brrrrav zur Schule, um einen guten Abschluss zu haben? Damit du später auch ja einen Job bekommst, in dem du am Schrrrreibtisch sitzt oder am Fließband stehst, um deine Familie durchzubrrrrringen? Und Sie trrrräumen alle -“ – ich mache einen Schritt auf die Manege zu, nehme Blickkontakt auf zu denen, die nicht sich nicht schnell genug abwenden können, und greife mir einen dystrophischen Brillenträger heraus – “ – von Macht?“ – dasselbe adrette Fräulein, das gerade dabei war, sich nach hinten zu setzen – „Von Geld?“ – eine verhärmte, rothäutige Hausfrau, von quengelnden Kindern umgeben – „Von Liebe und Lust? Oooooder einfach davon, mal wieder JUNG zu sein, durch Felder zu hüpfen, ohne an die arthrrrritischen Knochen zu denken, alles einmal ANDERRRS und BESSSSERRR zu machen? Nun, IHNEN ALLEN KANN GEHOLFEN WERDEN! Schafft das KARRRRRUSSSSELL herein, Kinder!“

Klara die Kleinwüchsige rafft ihr Kleidchen und kommandiert ihre Meute. Kurz verschwinden sie hinter dem Vorhang, um mit einem fahrenden Ungetüm herauszukommen, über das ein flickenübersetzter Vorhang geworfen wurde. Ich reiße ihn herunter und erfreue mich an den ungläubigen Gesichtern. Ja, in eine solche Kutsche, obwohl nur knapp einen dreiviertel Meter an Höhe, passt tatsächlich ein ganzer Mensch! Wie? Betriebsgeheimnis! Ich lasse meinen Adlerblick für Unbeteiligte durch die Zuschauertribünen schweifen, sehe schließlich einen Anzugträger, der nicht aussieht, als hätte er während der Vorstellung den Blick auch nur einmal von seiner Zeitung, oder was das sein soll, abgewendet. „Heeey, Sie da! Wollen sie die Wunnnnderrrrmaschine nicht gleich mal ausprrrobieren?“ Ich gebe meiner reizenden Assistentin ein Zeichen, sie steigt über die Köpfe der Zuschauer hinweg, nimmt ihn in ihre starken Arme, bevor er etwas sagen kann, drängelt sich zurück und stellt ihn auf dem Boden ab. Klara und die Kinderchen hüpfen um ihn herum und zerren ihn an den Hosenbeinen ins Auto. „Fürrrr jeeeedes Jahhhrrr eiiiine Umdrrrrehung!“, nöle ich ins Megafon und zähle laut mit für die, die es nicht können. Nach einer Weile beugt sich Beatrice die Bärtige vor, um mir etwas ins Ohr zu flüstern, ich fasse mir gespielt bestürzt an die Wange und gestehe dem Publikum: „Aber NEIIIIN, wir haben ja völlllllllig vergessen, unsere Testperson nach ihrem Alter zu fragen? Nun, wie alt mag er jetzt wohl sein?“ Die Tür der Kutsche öffnet sich, die Kleinen strömen heraus wie Maden aus einer verfaulten Frucht und als letzter ein torkelnder Kleinwüchsiger in einem viel zu großen Anzug. Solange das Publikum unverhohlen gafft oder sich entsetzt aneinander festhält, schleicht Beatrice hinter den Vorhang, empfängt dort den Anzugträger und begleitet ihn durch den Hinterausgang hinaus. It’s all part of the show.

Wenn ich jetzt gemein wäre und es mir hier tatsächlich etwas ausmachen würde, dann würde ich auch bei Vernian Process den stumpf rhythmischen Klang der Gitarren bemängeln. Aber ich bin ja nicht gemein und es stört mich hier nicht im Geringsten. Mein persönlicher Hit des Samplers ist sehr gewissenhaft auf Zirkusgroteske getrimmt, mit seinem windschiefen Rhythmus, der käsigen Leierorgel und einem Gesang, der so überkandidelt nur von einem Träger von Schweißerbrillen und dampfbetriebenen Hüten kommen kann. Zum Glück nicht so gewissenhaft, dass es ins Nervige abrutscht, was wohl daran liegt, dass man mich mit solch aufgekratzten, sturen Eingängigkeit einfach oft rumkriegt. Doch, hat mir sehr gefallen (bzw. würde mir immer noch sehr gefallen, hätte ich den Song jetzt nicht zwecks Review unzählige Male in Dauerschleife gehört).