Re: Paula Pantoffeltierchens Drogentrip mit Nikki dem Clown, Schachtmenschen, Mördern und einer Aberratio Mentalis Partialis

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Nik

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Beiträge: 9,611

And also the trees – Anchor Yard
http://www.youtube.com/watch?v=JpoFz65qyAQ
Erst einmal vorweg, bin ich der einzige der findet, das der Name, sowohl Lied als Band, geradezu penetrant nach Klischeepostrock schreit? Aber okay. Musikalisch wird dieser Schrei vollkommen ignoriert. Was auch daran liegen mag, dass sich wichtige Postrockvertreter wie GY!BE! erst ein paar Jahre nach dem Album gründeten, und selbst diese Anfangstage noch Jahre vor den Klischeenamen kamen. Und so liefert mir dieser Brocken von 89 irgendwas zwischen verstörend depressivem Postpunk in krank repitiv, aber irgendwie auch mehr Country als Punk, mit leidender Stimme und bedrückender Atmosphäre. Alles in allem irgendwo sehr eigen. So ein typisches Palezlied eben. So, keine Ahnung, Terra Tenebrosa goes Dark Wave. Auf jeden Fall sehr toll!

Wenn hohes Lachen die Stille zum Erbeben bringt, flattern leinerne Bandagenbänder von dünnen Händen durch die Luft, umwickeln den Körper in einer gespenstischen Kür. Ihre rosafarbene Haut errötet leicht merklich, die klaren Augen starren in die Leere, die roten Lippen unmerklich gespreizt.
Dünne, fleischige Beine strecken sich wie Gazellen, gespenstisch hüpft sie durch die Luft. Sie hat keine Kontrolle, als ihr Haar entgegen der absoluten Windstille in sämtliche Richtungen weht. Das flackernde Licht wirft ihre Schatten hundertfach an alle Wände, übertönt die rostigen Eisenhaken. Schwere Gerippe aus gebrochenen Knochen hallten die schwere Kathedrale, die gebröckelten Rände entlassen Kabel aus ihren Ritzen. Wie Schlangen werfen sie zuckend Blitze in die Gegend, tanzen auf den dünnen schwarzen Pfützen, sprenkeln die Dunkelheit mit Lichtkegeln.
Ein großes Loch eröffnet ihr Ziel – ein riesiger Zylinder, ewig hoch. Tausende und Abertausende Schächte laufen aus den Wänden heraus. aus allen Höhen und Ebenen. An ihren Enden fällt es steil ab, direkt in die Tiefe. In der Mitte des riesigen Zylinders erhebt sich ein ebenso monumentaler Turm, auf welchen selbst der Turmbau zu Babel niederknien würde. Unmengen an Treppen und Leitern, Aufstiegen und Rutschen, Aufzügen und Bahnen besteigen ihn zu hunderttausenden Ebenen, eine riesige Stadt. Ihre Eingänge zieren Häuser und Geschäfte, Terassen und Gärten, Bäder und andere Gebäude. Alles getaucht in staubiges graubraun.
Ununterbrochen ihrer Kür fröhnend lösen sich die Füße von der Kante in die stillstehende Luft. Sie schwebt wie ein Engel im Vakuum.
Eine Sekunde zwei Sekunden drei Sekunden vier Sekunden fünf Sekunden sechs Sekunden sieben Sekunden acht Sekunden neun Sekunden zehn Sekunden elf Sekunden zwölf Sekunden dreizehn Sekunden vierzehn Sekunden fünfzehn Sekunden sechszehn Sekunden siebzehn Sekunden achtzehn Sekunden neunzehn Sekunden zwanzig Sekunden einundzwanzig Sekunden zweiundzwanzig Sekunden dreiundzwanzig Sekunden vierundzwanzig Sekunden Knacken.
Ihr Körper besprenkelt den Boden gleichmäßig. Ungeachtet ihres zertrümmerten Behältnisses wuseln die Schachtmenschen hektisch durch die Gegend. Mit dem Brechen ihrer Gliedmassen ertönt ein Horn in der Nähe. Nichts imposantes, oder einschüchternes. Eher in verqueres Quäcken, entstammend aus einem verdrehtem, welligen blechernen Corpus voller schlampig angebrachter Flicken.
Sofort eilen drei Schachtmenschen herbei. Der erste, der Anführer, thront einschüchternd vor den anderen. Sein sehniger, anorexischer Körper wird von einer schwarzen, schmutzigen Kutte umspielt, der lange dürre Hals presst einen Adamsapfel wie einen echten Apfel hervor. Die eingefallenen Wangen lassen das lange Gesicht noch länger wirken. Dunkle Augenhöhlen halten schwarze Knöpfe, die im Dunkeln leicht sachte aufblitzen, und aus denen drahtige schwarze Linien sein Gesicht zieren. Die Wangen sind mit schwarzen Spiralen beschmiert, welche die weiße Schminke aufbrechen, die Haare stehen borstig zu allen Seiten ab und durchstechen die Luft. Darüber, arrogant und überheblich, sitzt schief wie der Turm von Pisa ein gigantischer Zylinder, schwarz weiß gestreift. Ein ähnliches Bild bieten seine beiden Begleiter, welche ihm gebückt folgen. Doch sie sind klein und dick, das bleiche Fett bei jedem Schritt schwabbelnd. Ihre schweinischen Wangen sind von roten Kringeln bekrickelt, und auf ihren Köpfen sind kleine Spitzhüte plaziert. Ungeschickt stolpern sie umher, heben die Stücke ihres Körpers auf und sammeln sie ihn bauchigen Körben, welche sie mitgetragen haben, während der Aufseher sie, gleich einem Geier, nicht aus dem Blick lässt.
Schneller als ihre fetten Stummelbeine es vermuten lassen, kriechen sie umher, immer auf der Suche nach verlorenen Knochen, Gliedmaßen oder Hautfetzen. Die Pickerei beendet, erheben sie sich wieder, und das Trio verlässt den Platz. Ehrfurchtsvoll öffnen die Passanten ihnen eine Gasse.

>’ssts die kleene hoch g’wes’n? ’ssts ja alles verstükkelt wie’n geplatztes Glas. ’ss wird ’ne Heedenarbeyt, do…< Langsam erhebt sich der kleine, dürre Mann. Sein Gesicht zieren mehr Drahtlinien als die der anderen. Vorsichtig setzt er ein Monokel auf, und beugt sich über die Körbe. > ’ss wird dauern.. geht’s ma‘ lieber, brauch‘ meene Ruh‘..<, in der brüchigen Stimme eine scharfe Dominanz, welche die dicklichen Lakaien. zurückweichen lässt. Nachdem sie den Raum verlassen hatten, setzen die dünnen Finger eine dünne Nadel mit kratzendem Knistern auf eine runde Scheibe Vinyl. Zu den beunruhigenden repitiven Tönen beginnt er langsam hin- und herzuwippen, während er die Stücke aus dem Korb auf einem großen Tisch ausbreitet und sortiert. Vier Tage sortiert er. Dann beginnt er, die Stücke langsam zu vernähen, dabei bestreicht er sie mit seltsamen, stinkenden Mixturen, welche er frisch ansetzt und braut. Dicke Bände mit alchemischen und okkulten Symbolen liegen herum, und werden hektisch geblättert und studiert, Bandagen angebracht, Fäden durchgeschnitten, Drähte und Stangen eingeführt und eingesetzt, und allerlei Obskuritäten werden angewendet, um aus den Überresten etwas zu formen, das dem ähnelt, was es einst einmal war. Auch so vergehen weitere drei Tage. Nicht, dass er das so wahrnehmen würde. In den Schächten gibt es keinen Tag-Nacht-Zyklus. Die Schächte haben ihr eigenes Tagsystem. Und in diesem arbeitet er genau einen Tag. Die Dauer der Geburt eines Schachtmenschen. Mit unsicheren Schritten tapst sie durch die fremden Gassen. Wer sie einmal war, weiß sie nicht. Aber sie weiß, dass sie jetzt ein Schachtmensch ist. Eine neue Existenz. Sie pfeift eine beunruhigende, repitive Melodie vor sich hin, welche gespenstisch durch die Luft hallt. Ihre dünnen Beine staksen durch die Menschenmengen, die bandagierten Hände ziehen Bänder hinter sich her. Ihr Gesicht sieht nach oben. Knöpfe spiegeln das Licht, weiße Schminke bedeckt das Gesicht in einer verkrusteten Schicht, Die Wangen glühen von rotem Puder, die Haare sind kunstvoll hochgebunden, und doch stehen immer wieder borstige Strähnen wie Stöcker heraus. Ein einziger, schwarzer drahtiger Strick biegt sich in einer Krümmung von ihren Augen über die Wange. Sie besteigt die erste Treppe des Turmes. Zwischen dem Boden des Fahrstuhls, wenn er im untersten Stockwerk zum Stehen kommt, und dem Grund des Fahrstuhlschachts gibt es einen Zwischenraum, und der ist so groß, dass da ein ganzer Mensch hineinpasst. Vielleicht sogar mehrere. Das sind dann die Schachtmenschen, die leben in ihrer eigenen Welt mit eigenen Regeln. Eine Schachtstunde ist, wenn der Fahrstuhl einmal ganz unten angekommen ist, und wenn er da lange genug bleibt, dann schlafen die Schachtmenschen. Wenn der Fahrstuhl oben ist, dann strecken sie sich aus und jagen Tiere und Vögel, die es nur in den Schächten gibt, nicht bei uns. Viele verschollene Kinder aus Amerika sind nun Schachtmenschen und leben glücklich und zufrieden. Das behauptet man oben zumindest.

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