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blacklebaron
1.
Wir müssen uns von der zwanghaften (!) Vorstellung lösen, Zwang reflexartig in einem Atemzug mit Unfreiheit zu nennen.*
Dann frage ich dich, wie du Zwang definierst.
Wäre dies der Fall, dann hieße der logisch umgekehrte Fall Freiheit = Beliebigkeit!
Wobei das Gegenteil von Zwang mitnichten Beliebigkeit ist. Abgesehen davon ist dieser Umkehrschluss wenn A=B ist, ist B=A oder dass das Gegenteil von A = dem Gegenteil von B ist, in vielen Fällen auch nicht gegeben.
Wenn ich entscheiden muß, dann heißt das automatisch, daß ich mich dazu zwinge, alle anderen als die gewählte Handlungsoption zu negieren. Auch dann, wenn eine der anderen Optionen eher meinem momentanen Lustempfinden entspräche.
Zwang ist also wiegesagt eine ganz eigentümlich menschliche „Verhaltensweise“.
Allerdings steckt dadrin keine Freiheit.
2.
Ich widerspreche der Behauptung, ‚Sollen‘ sei nur ein äußerer Zwang. Der Mensch wendet Zwang gegen sich selbst an, z.B. indem er Entscheidungen trifft (s.o.) und sich in Selbstdisziplin übt.
Wobei da die Frage eine Rolle spielt, wovon dieser innere Zwang bewegt wird. Und ich behaupte, dass dies in der Regel äussere Faktoren sind. Wenn ich eine Entscheidung treffe und etwas wähle, dass mir im Moment eher weniger zusagt als die Alternative(z.B. der Höhlenmensch, der das Korn säht, anstatt es zu essen) und ich mich selbst dazu zwinge, dann eher aufgrund anderer Umstände, z.B. dass es auf lange Sicht gesehen klüger wäre, das Korn einzupflanzen. Hier entsteht der Zwang nicht aus einem selbst heraus, sondern daraus, dass die Konsequenzen der anderen Alternative sich negativ auswirken würden. Ergo wäre die andere Alternative nicht gut. In letzter Konsequenz wird der Mensch sich gegen das sofortige Essen entscheiden und das Korn einpflanzen, aber nur, weil ihm keine Wahl bleibt, wenn er weiter zu essen haben möchte. Darin liegt keine Freiheit. Das ist dasselbe, als wenn ich die Wahl zwischen zwei Parteien habe und die eine den Untergang predigt, während die andere halbwegs vertretbare Ansichten hat. Allgemein gesagt : Wenn nur eine Alternative klug ist, alle anderen eher unwünschenswerte Konsequenzen haben, dann ist die Wahl eingeschränkt und nicht wirklich frei.
Alles ‚Sollen‘ ist von Menschen gemacht, die Natur kennt kein ‚Sollen‘, sondern nur (Kausal-)Zusammenhänge. D.h. auch wenn es vielleicht katalogartig niedergeschrieben ist, so entspringt ‚Sollen‘ immer einem geschichtlichen, kulturellen, sozialen, technologischen, und geistigen Kontext. Menschen machen Gesetze, die Gesetze verändern die Menschen, die Menschen ändern die Gesetze usw.
Du beschreibst gerade selber, warum „Sollen“ dogmatisch ist. Sollen ist vom Umfeld diktiert, daher nicht frei.
Das Problem ist nur heutzutage, daß viele nicht mehr verstehen, warum die Gesetze so geschrieben worden sind, wie sie es nun mal sind. Man kann und/oder will den „background“ nicht mehr verstehen, man kapiert nicht mehr, was der eigentliche Hintergedanke des ‚Sollens‘ ist.
Darum geht es doch gar nicht. Nicht der Sinn des Sollens ist interessant, sondern die Freiheit im Sollen, bzw. die Zusammengehörigkeit/Identität des Sollens und Wollens.
Zusammenhänge nicht mehr kennen, nehmen wir das ‚Sollen‘ nur noch als repressiven Verhaltenskatalog wahr.
Wir diskutieren hier über „wahre Freiheit“, die Schöne Seele, die Einheit des Sollens und Wollens auf Basis des freien Willens. Wie gesagt, egal ob das Sollen Sinn macht, frei ist es nur, wenn man ohne äussere Zwänge/Konsequenzen/etc. wählen kann und sich dafür entscheidet. In der Realität ist das natürlich unmöglich, wodurch es sowas wie reale Freiheit gar nicht gibt.
Letztlich ist das ‚Sollen‘ nicht moralisch, sondern vernünftig!
Je nach Hintergrund des Individuums und des Sollens stimmt das meistens auch. Nur argumentierst du hier kein Stück dafür, dass das Sollen Freiheit bedeutet. Du erklärst warum es das Sollen gibt, warum es sinnvoll ist, dass es gewisse Zwänge gibt, etc. Aber mehr nicht.
Warum ist nun absolute Freiheit vorhanden, wenn ‚Wollen‘ und ‚Sollen‘ identisch sind? (Wobei man dazu sagen muß, daß das ein rein hypothetischer Punkt ist, man kann sich dem Punkt höchstens annähern).
Ich hab gerade keine Zeit mehr, daher gebe ich jetzt mal, ohne den Rest zu lesen darauf meine Antwort :
Weil man an diesem Punkt, ist man da angelangt, das Sollen nicht als Sollen, sondern als das, was man will, empfunden wird. Wer keine Drogen nimmt, den stören die Gesetze gegen Drogen logischerweise in der Regel nicht.
Nur der Weg dahin bestimmt, in wieweit das Sollen und Wollen wirklich auf freiem Wege eins geworden sind. Und das geht, mal Zufall ausgelassen, nur durch äusserlichen Druck/Zwang, der Unfreiheit gleich kommt.
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Erklärbär des Forums 2. Vorsitzender des Clubs STOLZER BARTTRÄGER Ich hab "Buuhörns" gerufen. http://www.last.fm/user/DerMuedeJoe/ Piercings by Jana