Re: Diskografie-Diskussion: Iron Maiden

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MetalEschi

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Iron Maiden – Somewhere In Time

Line-Up:

Bruce Dickinson (v.)
Dave Murray (g.)
Adrian Smith (g.)
Steve Harris (b.)
Nicko McBrain (dr.)

VÖ: 29. September 1986
Höchste Chart-Position: 3
Recording: Electric Ladyland Studios, New York City

Irgendwann im späten 1985. Das Heavy Metal-Flaggschiff IRON MAIDEN hat gerade einen Marathon hinter sich gebracht: die World Slavery Tour, bis heute eine der längsten und intensivsten Tourneen der Rockgeschichte, 24 Länder, 322 Tage, insgesamt 190 Konzerte. Das entsprechende Live-Album erschien ein ganzes Jahr nach „Powerslave“, zu einem Zeitpunkt, als die Band immer noch unterwegs war. 1985 wurde das erste Jahr seit dem Debüt, in der IRON MAIDEN kein neues Studioalbum veröffentlichten. Im Juli 1985, nachdem die Jungs den exzessiven Dauerstress überstanden hatten, waren alle an einem Punkt absoluter körperlicher und seelischer Erschöpfung angelangt, ein Zustand, der beinahe das Ende der Band bedeutet hätte, da besonders Bruce Dickinson zu diesem Zeitpunkt für eine Weile nicht Herr seiner Sinne war. Während der Songwriting-Sessions zum „Powerslave“-Nachfolger wurden seine Vorschläge von Steve Harris immer wieder abgelehnt, weil Bruce die Band in eine angeblich falsche Richtung führen wollte. Ständige Meinungsverschiedenheiten und Wortgefechte hätten den Gipfelstürmern beinahe ein jähes Ende gesetzt. Wenn man sich das Ergebnis allerdings anhört, muss man mal wieder feststellen, dass viele Bands nach überstandenen Krisen aber erst so richtig zur Höchstform auflaufen.
Das, was die beste Band der Welt auf „Somewhere In Time“ zelebriert ist beinahe nicht in Worte zu fassen. Was war das Gemosere groß, als MAIDEN es wagten, auf dem Album stilistisch leicht neue Wege zu gehen, mit Synths zu experimentieren, ein Skandal war es, ja geradezu Ausverkauf, Kommerz, die ganze Palette halt. Fast schon ironischerweise ist es aber gerade dieses Gottalbum, das, dem Albumtitel entsprechend, die Zeit überdauert hat und von so vielen Fans noch heute als das beste der Band (und möglicherweise das beste aller Zeiten) angesehen wird. Bandleader Steve Harris mag das Teil neben dem Debüt für das mieseste seiner Karriere halten, Millionen von Musikhörern weltweit sehen das aber anders. Es gibt auf diesem Werk absolut keinen Ausfall, die Krisenzeiten ließen MAIDEN zu kreativer Höchstform auflaufen, jede Note sitzt, von der ersten bis zur letzten Sekunde. Bruce’ Gesangsleitung toppt alles, was er bis dahin eingesungen hatte, die Gitarristen Adrian Smith und Dave Murray schütteln sich ein Gott-Solo nach dem anderen aus dem Ärmel (ganz großes Kino zum Beispiel Adrian’s Genialität bei „Stranger In A Stranger Land“) und vor allem stimmt das Wesentliche: die Songs. Die erste, von vielen als kommerziell verachtete Single „Wasted Years“ (die die oben erwähnten schweren Zeiten der Band, das Leben On The Road und die damit verbundenen Schwierigkeiten verarbeitet, „all the things I sometimes do, it isn’t me but soemeone else“, wer kann davon kein Liedchen singen?), „The Lonliness Of The Long Distance Runner“ (die Einsamkeit eines Langstreckenläufers, das Ziel vor Augen, aber dennoch scheinbar unerreichbar, zugleich eine Message in Richtung des ewigen Kampfes des Lebens) und natürlich das unglaubliche Geschichts-Epos „Alexander The Great“ sind nicht von dieser Welt, absolute Killer-Songs zum Niederknien, über die man stundenlang philosophieren könnte. Und auch der Rest dieses begnadeten Silberlings ist von dermaßen hoher Qualität, dass sogar Eddie Schwierigkeiten hat, bis da oben zu schauen. „Sea Of Madness“, „Heaven Can Wait“, „Deja-Vu“ (unterbewertet as fuck) – es gibt nichts, was man auf dem Album besser hätte machen können. Der Bombensound (auf den Remasters von 98 IMO noch besser als auf dem CD-Original) trägt noch seinen Teil dazu bei, allerdings wäre SIT auch in Mono noch der pure Hammer.
Das Burn-Out hat die Band noch einmal zusammengeschweißt, größer und besser als je zuvor. „Somewhere In Time“ wird für immer einen Ehrenplatz in meiner CD-Sammlung haben, das, was dieses Album bereits bei mir ausgelöst hat, ist definitiv mit keinem Geld der Welt zu bezahlen. Im Grunde ist das Teil ein kleines Wunder, denn es gibt nichts, was schneller dazu im Stande ist, einen wieder aus der Scheiße zu ziehen. Sollte ich irgendwann die Gelegenheit haben, einen der Jungs persönlich zu treffen, ich werde ihm persönlich dafür danken.
Und die Band hat es tatsächlich geschafft, dem Album einen fast ebenso genialen Nachfolger an die Seite zu stellen und sich damit endgültig an die Spitze der Szene zu katapultieren, dies ist jedoch eine andere Geschichte…

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