Re: Filmbewertungsthread

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palez

Registriert seit: 04.01.2007

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DeoUlfEin Restaurantkritiker muss nicht zwingend ein Koch sein, ein Politiker nicht unbedingt politische Wissenschaften studiert haben, um andere zu kritisieren und ein Filmkritiker muss nicht sekbst Filme drehen, um sich über eben jene unterhalten, auszulassen und gegebenenfalls kritisieren zu können. Wenn dem so wäre, hätten wir ein großes journalistisch-klaffendes Loch in der Medienlandschaft. Aber: in Zeiten des Internets und den unendlich vielen Platformen für zu rezensierende Kunstwerke, denken viele, sie hätten ein jorunalistisches Gespür und könnten Schreiben, was und wie sie wollen.

Es kann keine objektiv-perfekten Bewertungen geben, da immer eine gewisse subjektive Wahrnehmung in eine Wertung einfließt. Kein Kritiker – und sei er noch so gut – kann das abstellen. Das ist aber auch gut so, denn einem gern gelesenen Kritiker, der über eine entsprechende Schreibe verfügt, (einigermaßen) objektiv bewerten kann und vielleicht auch noch über einen erlesenen künstlerischen geschmack verfügt, kann man dann auch blind vertrauen (ich verweise auf eine Zeit vor Youtube und Myspace, als man als Fan noch nicht die Möglichkeit hatte, sich selbst ein Bild von Filmen und/oder Musik zu machen und auf Reviews vertrauen musste). Und genau das ist auch das Problem, das ich mit dem Journalismus schon angedeutet hatte: jeder Depp, der einigermaßen ein Keyboard bedienen kann, muss seine Meinung kundtun, obwohl er das Handwerk (kreatives Schreiben) nicht erlernt hat.

Und, ja, man kann einen Film objektiv genug bewerten aber: eben nicht jeder kann das umsetzen. Ich kann auch keine Restaurantkritik verfassen, da es überhaupt nicht meine Baustelle ist (ich kann aber obejktiv sagen, ob das Essen gut war oder nicht).

Die Punktedebatte finde ich müßig und auch eine Abschaffung eben jener halte ich für verkehrt. Die Punkte dienen (im eigentlichen Sinn) der Orientierung und helfen vielleicht anderen Lesern/Usern bei einer Entscheidungsfindung. Dennoch: wer nicht objektiv bewerten kann, muss/sollte es lernen oder zumindest begründen, warum Film XY die Wertung verdient hat.

Erst einmal danke für die Antwort. 🙂

Ich habe mich wohl missverständlich ausgedrückt…das, was du im ersten Absatz schreibst, wollte ich eigentlich gerade nicht sagen. Natürlich ist es nicht die Pflicht des Rezipienten, über alle handwerklichen Vorgänge zur Herstellung eines Kunstobjekts (o.Ä.) Bescheid zu wissen. Wenn es das wäre, wäre es eine Schranke für die unvermeidliche Bildung einer eigenen Meinung und die Kommunikation. Was ich sagen wollte, war eher, dass man sich immer einen gewissen Respekt vor der Herstellung eines Kunstwerks (insbesondere eines Films) bewahren sollte…und dass das Scheitern am beschriebenen Objekt immer im Beschreibungsprozess inbegriffen ist. Das sollte man halt IMO im Hinterkopf haben, aber es ist kein Grund zur Resignation.
Ein enzyklopädisches Fachwissen ist IMO auch gar nicht wirklich nötig, um etwas über einen Film/ein Album/… zu schreiben, was für den Leser (ich gehe jetzt mal von einem Internetforum aus) interessant sein könnte. Ein Mindestmaß an Wissen über das Kunstobjekt ist nötig für ein grundlegendes Verständnis, aber wem hilft ein Herunterbeten von allgemein bekannten und ersichtlichen Fakten? Was sagt nebensächliches Nerdwissen über den besprochenen Film aus? Kann man das nicht alles auf Wikipedia (+ Quellenverweise) nachlesen? Was hilft ein Herunterschreiben und Bestätigen von allgemeinem Bewertungskonsens, wenn man selbst ihm in diesem Falle vielleicht gar nicht zustimmt? Die objektiven (Kunsthandwerk, geschichtlicher Zusammenhang, Nerdwissen) und die intersubjektiven (allgemeiner Bewertungskonsens) Aspekte sind das Fundament der Meinungsbildung, im Vordergrund der Kommunikation/der Diskussion steht aber die Meinung selbst. Die kann gut oder schlecht begründet sein und wird danach auch bewertet, aber eine gut begründete Meinung ist nicht gleichzusetzen mit einem objektiven Fakt und kann nur nach einem längeren Zeitraum zu intersubjektivem Konsens werden.

Eine größere Bringschuld und Verantwortung liegt natürlich beim Kulturjournalisten (auch wenn sich das, da sich im Internet gefühlt mehr Kulturblogs als potentielle Leser finden, mittlerweile verschoben haben mag…ersetze „Kulturjournalist“ durch „jeder, dessen Meinung in einer Diskussion auf einer gewissen Podestposition steht“). Der darf die objektiven und intersubjektiven Aspekte natürlich nicht missachten, aber auch in dem Falle gibt es für ein abschließendes, persönliches Fazit immer noch einen gewissen Spielraum. Das eigentliche Interesse besteht auch da (zumindest kenne ich es von mir so) am subjektiven Aspekt und vor allem der Begründung; vielleicht kann diese Begründung mir eine neue Sichtweise auf das besprochene Kunstobjekt eröffnen, vielleicht finde ich mich darin wieder und der Verfasser hat etwas formuliert, wofür ich selbst nicht die Worte finden konnte.

Ich bin mir auch nicht ganz sicher, was ich von deinem abwertenden Ton gegenüber dem Foren-Feuilleton halten soll. In manchen Fällen bin ich ja geneigt, dir zuzustimmen, die Verbreitung von Foren und Blogs fördert schon ein wenig den Narzissmus und es gibt gewiss welche, die sich im Zuge dessen, dass nun an jeder Ecke eine eigene Bühne entstehen kann, selbst überschätzen. Andererseits habe ich gerade an mir selbst die Erfahrung gemacht, dass das mit dem Schreiben über Kunst (bzw. in meinem Falle vor allem Musik) Erfahrungs- und Übungssache ist und dass man dem besprochenen Objekt nach ’ner Zeit näherkommt, wenn man bereit ist, an sich zu arbeiten und auf Einwände einzugehen. Ist ja teilweise auch so eine Sache mit der Selbsteinschätzung.

Mit deiner Einschätzung von Zahlenbewertungen hast du im Grunde völlig recht, ich würde sie aber gerade deswegen nicht überschätzen. Und genau das ist meiner Meinung nach halt im Fall von Emigrate passiert…nur deswegen kam ich damals überhaupt auf die Idee, den Beitrag zu verfassen, eigentlich sollte er auch gar nicht so lang werden. ^^
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Und ich sehe, hier regt man sich schon wieder über eine Zahlenbewertung auf. Mein Gott, Leute, es sind Zahlen. Zahlen. Wenn da nichts gestanden hätte, wäre das nicht passiert. Da dienen die Punkte halt echt eher der Desorientierung.