Re: Filmbewertungsthread

#1694469  | PERMALINK

DeoUlf

Registriert seit: 28.09.2004

Beiträge: 4,313

Ein Film, wie eine Vision. Ein Film um Freundschaft, Vertrauen, Rassismus, soziale und gesellschaftliche Differenzen. Ein Film, wie ein Vorschlaghammer. Ein Film, der die Grenzen zwischen was darf gezeigt werden und was nicht sprengt. Ein Film…

…der so dermaßen mlich ist, dass der Fremdschämfaktor bei Betrachtung dieses Mammutwerks mit jeder Sekunde ins unermessliche steigt.

Bushido, einer der erfolgreichsten (wenn nicht sogar der erfolgreichste) Gangsterrapper Deutschlands spielt sich in seiner Biographie selbst und liefert eine schauspielerische Unterleistung ab, die auf Jahrzehnte seinesgleichen suchen wird.

Doch der Reihe nach: Am Tag seines 29. Geburtstages erhält Bushido auf Tour eine Postkarte seines Vaters, mit der Bitte, dass er ihn doch anrufen möge. In Folge dessen lässt Bushido sein Leben Revue passieren – und Regiesseur Uli Edel lässt dabei kein Klischee aus, egal, wie hanebüchen es auch erscheinen mag.

Als kleiner Steppke etwa trägt Anis (so Bushidos bürgerlicher Name) nicht etwa den Erlkönig von Goethe in der Schule einfach so auf. Nein, er rappt ihn. Klar, was denn auch sonst. Häusliche Gewalt seines Vaters (später seines Stiefvaters) in einer runtergekommenden Plattenbausiedlung in Berlin inklusive.

Dabei hat Klein-Anus, äh, Anis nur einen Wunsch: „Respekt“. Und wie bekommt man diesen? Röchtöch, ein harter Hund sein, der nicht vor Gewalt und Drogen zurückschreckt. So gestaltet sich Bushidos Retrospektive als einzige Gratwanderung zwischen I- und legalität, zwischen Ausländerfeindlichkeit und dem Wunsch, angepasst unangepasst zu sein.

Doch das gestaltet sich schwieriger, als es den Anschein hat. Sein innerer Dämon (sein Vater) verfolgt ihn ein ganzes Leben lang und der Stachel sitzt dabei so tief, dass sogar das größte Konzert seiner Karriere (am Brandenburger Tor) dadurch in Gefahr steht.

Meine Güte, was zum Henker hat sich der Biograph von Bushido nur dabei gedacht, als er die „wahre“ Geschichte des Rappers aufschrieb?!

Um ihn von der kriminellen Bahn weg zu bekommen lernt er in der Besserungsanstalt den Beruf des Maler und Lackieres. So weit stimmt die Story ja wohl noch aber als es darum geht, warum er mit dem Rappen angefangen hat, hört es sich echt auf. 1. seine Exfreundin aus gutem Hause und 2. 9/11…

„Als ich die einstürzenden Hochhäuser in New York sah, wurde mir schlagartig klar, wie vergänglich das Leben doch ist“. Himmelherrgott. Es kommt noch besser: als er einer Richterin wegen schwerer Körperverletzung vorgeführt wird, bietet er ihr die Alternative an, statt selbst in den Bau zu wandern, doch einfach ein Konzert für die Häftlinge zu geben.

Sein altes Label Aggro Berlin (aus rechtlichen Gründen Hardcore Berlin benannt) wird als unterirdischer Sauhaufen dargestellt. Um aus seinem Vertrag raus zu kommen, engagiert er einen Gangsterboss (Moritz Bleibtreu), dessen Bodyguard mit einem Säbel beim Label für klare Verhältnisse sorgt. Auweia.

Na ja, langer Text, kurze Pointe: natürlich verträgt er sich mit seinem Daddy, Mutti bekommt ihr Autogramm von Karel Gott, beim Abschlusskonzert vorm Brandenburger Tor steht sein Buddy Fler selbstverständlich in der ersten Reihe (seine Ex-Ische steht glücklich verliebt mit ihrem Neuen natürlich auch mitten drin), er gibt das größte Konzert seines Lebens und alle haben sich wieder lieb.

Boah. So scheiße der Film ist, langweilig ist die Gurke nicht. 3/10 Punkten für einen kurzweiligen Abend, der dadurch getrübt wird, dass viele Kids den Scheiß als authentisch ansehen werden und sich Monsieur Bushiods Leben wohl leider Gottes weiterhin als Vorbild nehmen werden.

--