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@deoulf (in Anlehnung an ein früheres Gespräch und bez. „Zeiten ändern dich“): Falls du deinen Filmgeschmack suchst, ich habe ihn bzw. sie bei den neuen Folgen der „Mädchengang“ durch das Bild huschen sehen. Ich bin sicher, bei einem Gespräch unter vier Augen bei Tee und Keksen kann sich alles wieder einrenken. ^^
@topic:
„A Serious Man“ – prima. Story in a nutshell: Bei einem amerikanischen Endsechziger-Spießbürger droht langsam aber sicher die gesamte Existenz auseinanderzufallen. Die Eherau verlangt die Scheidung, weil sie sich in einen Freund der Familie verguckt hat (die Gespräche zwischen dem Hauptprotagonisten Larry Gobnik und diesen beiden grotesken Verzerrungen von Ernst und Mitgefühl sind das Highlight des Films), die akademische Laufbahn hängt unsicher in den Seilen, da ein Student, der bei der Prüfung durchgefallen ist, sich einfach nicht abwimmeln lässt, der (mutmaßlich) autistische Bruder quartiert sich erst im Haus und später in Larrys Zimmer im Jolly Rogers ein, dem Sohn steht seine Bar Mitzwa bevor…und wer soll den ganzen Quatsch eigentlich überhaupt bezahlen? Da das Ganze sich im Verlauf des Filmes noch weiter zuspitzt, konsultiert der verzweifelte Larry Gobnik mehrere Rabbis, die ihn allerdings eher in seiner Grundhaltung bestärken, als ihm irgendwelche Ratschläge geben zu können, die ihm auf Dauer helfen könnten, mit alldem fertigzuwerden.
Was mich anfangs noch ziemlich gestört hat, war die statische Kameraführung. Es fiel mir bei „True Grit“ neulich nicht negativ auf (wurde dort allerdings auch nicht allzu exzessiv eingesetzt) und war hier sicher so gewollt, aber diese erschreckend reglosen Bilder leuchtend heller Vorstadtidylle waren teilweise, uh, anstrengend. Hat man das aber erstmal überwunden, bieten die Coens einem hier ein so faszinierendes wie abstoßendes Panoptikum an subtilen Alltagsabsurditäten, dessen Komik sich vor allem durch den Hauptprotagonisten entfaltet. Larry Gobnik ist die Personifikation eines guten amerikanischen (Ober-)Mittelschicht-Bürgerchens, in dieser Kulisse jedoch vor allem ein armes Würstchen sondergleichen, das in dieser Umgebung an aus dem Ruder laufenden Dingen nie beweisen können wird, dass es eigentlich im Recht sein müsste. Ein ziemlich cooler Film, den eine gewisse zeitliche Distanz aber gewiss noch aufwerten wird.
Plus: Der ästhetische Kniff mit Jefferson Airplane – Somebody To Love war clever und hat mich während des Films auf leicht nerdige Weise gefreut.
(Vorsicht, evtl. Spoiler – andererseits, wer außer mir hatte den Film denn noch nicht gesehen? ^^‘)
„Apocalypse Now“ – einer der Filme aller Zeiten weil oh mein Gott. Die Anfangssequenz hat mir in ihrer Bildgewalt, der kongenialen Wechselwirkung aus Bildern und Musik (nach AN dürfte es laut „Zeit“ eigentlich keine Kriegsfilme mehr geben…nach AN darf es vor allem keine Filme mehr geben, in denen The Doors – The End vorkommt – und erst recht keine Verfilmung von „Heart of Darkness“, auch wenn es sie später doch wieder gegeben hat) und einem vollkommen entfesselten Martin Sheen komplett den Kopf weggeblasen. Danach muss der Film natürlich erstmal seine narrative Struktur finden. Diese stellt im übertragenen Sinne der Fluss dar, auf dem Willard und seine ungeeigneten, unreifen oder verschreckten Soldaten an die kambodschanische Grenze schwimmen, um Colonel Kurtz, der sich Jahre zuvor von der Armee abgesetzt hat, offenbar den Verstand verloren hat und sein eigenes Reich im Kriegsgebiet beherrscht, zu liquidieren. In den ersten, keine Ahnung, zwei Stunden der Redux-Version werden die verschiedenen Stationen dieser Reise gezeigt. Die dargestellten Situationen zeigen neben der offenkundigen Grausamkeit vor allem die unhintergehbare Sinnlosigkeit des (Vietnam-)Krieges und legen erstaunlich langsam und subtil die Abgründe des Menschen frei, die sich in einer solchen Ausnahmesituation eben zeigen. Ich fand diese Abgrundexplorationen dabei nie wirklich schockierend, eher schien es mir, als würden sie langsam und hinterhältig meine Weltanschauung untergraben und irgendwas in meinem Bewusstsein zum Zerreißen bringen. Das sorgte bei mir für ein Gefühl ständiger Unsicherheit und Entfremdung, und diese Vorgehensweise ist über zwei Stunden erstens kaum wirklich auf gleichem Niveau durchführbar und verunmöglicht zweitens einen Überwältigungseffekt (abgesehen von den großartigen Bildern/der Kameraarbeit und dem pulsierenden Soundtrack, die waren wirklich immer toll und illustrierten sehr treffend die überwältigende und überlegene Hitze, die Stickigkeit und den Druck des Dschungels). Am Ende aber, in Kurtz‘ Lager bzw. eher Tempel, wird all dies aufgehoben. Eine archaische Kraft geht von den Bildern des mit abgeschlagenen Köpfen übersäten Tempelgebietes aus, eine erschreckende Faszination von Marlon Brandos Gesicht im Halbdunkel, der man dann doch nichts entgegenzusetzen hat. Jede einzelne Szene ist orgiastisch, brennt auf der Netzhaut – Kurtz, Willard und der Zuschauer werden mit etwas kontrontiert, was man weder aussprechen noch verstehen kann, dessen ständige Präsenz aber unhintergehbar und überwältigend ist. The Horror.
PS: Ja, ich habe den Film zum ersten Mal gesehen. :-X
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