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RabenschreiVöllig unnötig und auch komplett sinnfrei für die effektive Story sind die von dir angesprochenen sexuellen Spielereien. Weder die beiden Szenen in der sie an sich selbst rumspielt, noch die Lesbenszene macht für mich irgendeinen Sinn, zumal mich nervt, dass nicht klar wird, ob es letztere wirklich gab.
Für mich haben beide Szenen eigentlich vollkommen und ohne irgendwelche abstehenden Kanten in den Film gepasst. Die sexuellen Ausschweifungen von Nina sind einerseits eine Form der Rebellion gegen ihre Mutter, die sie ihr ganzes Leben an der kurzen Leine gehalten hat, andererseits der persönliche Schluss, den sie aus Thomas‘ Anweisungen und ihrer Doppelrolle zieht. Auch die Unsicherheit darüber, auf welcher Wahrnehmungsebene sie jetzt stattgefunden hat, bei der letztgenannten Szene passt insofern ins Konzept, als dass es Ninas psychischen Klingentanz illustriert.
Ich meine das dabei nicht einmal ausdrücklich positiv. Es ist eine Sache, seinem Film eine Art von konzeptionellem Überbau zu geben. Eine andere Sache ist es, jedes Detail in den Dienst einer einfachen Gleichung zu stellen und bei seinem Film am Ende jede Deutungsfreiheit zu verunmöglichen. Aronofsky wollte offenbar einen größtmöglichen Effekt erzielen, hat dafür jedes äthetische und narrative Mittel auf ebendiesen ausgerichtet, damit zugegebenermaßen einen ziemlich großen Leinwand-Überwältigungseffekt erzielt, seinen Film aber eindimensional und oberflächlich gemacht, und zwar viel mehr als vielleicht nötig. Ich verlange nicht von jedem Film eine sorgsam ausgearbeitete Tiefenebene, Aronofsky selbst hat ja sogar gesagt, dass er mit „Black Swan“ lediglich unterhalten wollte. Aber um als reiner Unterhaltungsfilm zu funktionieren, nimmt der Film sich zu ernst.
Eigentlich sauschade, dass sich der sehr gute Eindruck nach dem Kinobesuch gar nicht halten konnte…
Filmabend mit der Besten, das ist dabei rausgekommen: „Biutiful“ stelle ich irgendwo unter „ferner liefen“ ab, so richtig paralysiert hat der mich leider nicht. Javier Bardem kann kein Vorwurf gemacht werden (ebensowenig wie dem ganzen Cast), der hat seine Sache als durch die Sümpfe aus Leid und Dreck watender Drogendealer Uxbal großartig gemacht. Dennoch hat der Film es irgendwie verfehlt, mich wirklich zu berühren. In den Elendsvierteln von Barcelona, zwischen illegalen Gastarbeitern, psychischen Krankheiten, Tod, Angst und der Spiritualität als letzter rettender Strohhalm leben die Figuren, und es gibt keine Zumutung, an die sie sich trotz immer wieder hochkommender Verzweiflung nicht scheinbar gewöhnen könnten. In dieser Umgebung ist weder ein noch tieferer Fall noch ein Aufstieg möglich, und selbst sein bevorstehender Krebstod kann Uxbal kaum und nur für kurze Zeit aus diesem Gleichgewicht herausholen. In „Biutiful“ ist (von ein paar schönen Szenen vielleicht mal abgesehen) schon alles verloren, bevor es überhaupt angefangen hat. Diese Grundstimmung mag gewollt sein, für den Aufbau des Filmes ist dies aber reinstes Gift. Plus: Was hatte der „Transformers“-Farbfilter da zu suchen?
Dann noch den durchaus niedlichen und kurzweiligen „Shaun of the Dead“, über den ich nicht so viel schreiben kann, weil er eben so niedlich und kurzweilig war, aber das soll ihn hier ja nicht abwerten. Hab mich gut amüsiert. Der Gore-Faktor hielt sich überraschenderweise in Grenzen (stört mich nicht) und vor allem die Zapping-Szene (The Smiths – Panic :haha:) war ziemlich gut gemacht.
Dann noch mit „Taxi Driver“ eine Wissenslücke geschlossen. Weil man damit schneller fertig ist, erst einmal das Negative: nicht unbedingt ein zeitloser Film. Einige der Dialogszenen hätte man anno 2011 vermutlich anders inszeniert, heute hätte man dem Plot vermutlich noch viel mehr an zugespitzter Verzweiflung herausgewrungen, hätte mehr manipuliert. Der Film wirkt weit weniger aufdringlich, als er hätte sein können, seine Wirkung und Intensität entfaltet sich erst in der Retrospektive (gut, eigentlich kein wirklicher Kritikpunkt). Zudem scheint mir die Wirkung des Films auch an seinen zeitlichen Kontext, das urbane Amerika der 70er, gebunden. Ich bin mir nicht sicher, dass ich ihn somit zu Genüge erfassen konnte.
Dennoch: Einer der traurigsten (und besten) Filme, die ich kenne. Die Geschichte entwickelt sich um den 26-jährigen Ex-Vietnamsoldaten Travis Bickle, einen einsamen jungen Mann, der im Leben keine wirkliche Perspektive zu haben scheint und sich für den Job als Taxifahrer bewirbt, weil er nachts nicht schlafen kann. Er hat fundamentale Schwierigkeiten, Kontakte und Freundschaften aufzubauen, vor allem zu Frauen, er ist fast schmerzhaft naiv, sein Weltschmerz und damit verbundenes Überlegenheitsgefühl wahnhaft und kindisch, er ist ein ständiger Fremder in einer Welt, die nie auf ihn angewiesen war, manchmal zermürbt und alt, doch nie erwachsen. Die Zurückweisung seitens einer Wahlkampfhelferin (ein Date im Pornokino – schwedische Pornos sollen ja müde machen – ist natürlich auch eine grandiose Idee…) und das von allen möglichen Auswüchsen von Kriminalität geprägte Millieu, in dem er sich als Nachttaxifahrer bewegt, lassen den Weltekel in einen scheinbar festen Entschluss münden; Travis besorgt sich Waffen, trainiert. Kurz danach steigt die vor ihrem Zuhälter flüchtende minderjährige Prostituierte Iris in sein Auto…
„Taxi Driver“ ist ein Film der Unsicherheit, der moralischen Ambiguität und Ambivalenz. Man kann sich kaum mit seinem Dreh- und Angelpunkt Travis Bickle identifizieren, aber es ist auch schwer, sich nicht un ihn Sorgen zu machen. Martin Scorsese schenkt Travis zwar so etwas wie einen Lebenssinn und dem Zuschauer damit ein einigermaßen versöhnliches Ende – dass es aber Resultat eines unvorhergesehenen Fehlers im Plan, eines Zufalls ist, wirft einen Schatten auf den Film, auf seine Hauptperson, nicht zuletzt auf die amerikanische Moral, und zwingt zur Reflexion. Die Eskalation am Ende ist keine Helden-, sondern eine Verzweiflungstat. Wie das in einen grundsätzlich ruhigen, unangestrengten und dabei jederzeit fesselnden Film verpackt wurde, verdient Bewunderung.
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trying to leave [COLOR=#808080]a mark more permanent than myself[/COLOR]