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NezyraelNö haben wir nicht. Ist der Film wirklich so gut?
Nein, aber man muss ihn trotzdem sehen. Voll schöne Bilder und so, ey. Voll das schöne Universum. Und die Dinosaurier, Altah! Gut, diese vielleicht halbstündige Sequenz ist mittlerweile berühmter als der Film selbst, aber es ginge an der Sache vorbei, das in allen Berichten vorkommende „grandiose Bilder“ nur darauf zu beziehen. Kein Film, den ich kenne, kam der menschlichen Wahrnehmung so nahe; die entfesselte, abgelenkte Kamera ist das wache Augenpaar eines scheinbar direkt Beteiligten, sie drängt sich in laufende Szenen und Prozesse und nimmt erschütterte, traumatisierte Bilder mit. Gleichzeitig wirkt alles so überästhetisiert, dramatisch und dauernd am Intensitätslimit wie in einer Parfümwerbung – eine typische amerikanische Vorstadtfamilie plötzlich larger than life. Die „tollen Bilder“ von „The Tree of Life“ übersteigen die „tollen Bilder“ von beispielsweise „Avatar“ in dem Punkt, dass der Film und seine narrative Struktur unter ihnen (und der zur Steigerung des Überwältigungseffekts super eingesetzten klassischen Musik) zerbricht, dass sie der Bedeutungsträger werden. Mit dieser Ausgangslage baut Malick so viele Symbole in jedes Bild ein, dass man nach kaum der Hälfte des Filmes an einer Alkoholvergiftung sterben müsste, wenn man bei jedem religiösen Bezug einen Kurzen trinken würde. Es gibt zur Beurteilung und Interpretation gar keinen anderen Ausgangspunkt als den religiösen, und da kann man sich schnell unwohl fühlen. Für mein eigenes Ermessen hat zum Beispiel der sehr ähnliche (bildgewaltig, religiös verquast) „Angel’s Egg“ das wesentlich besser gemeistert. Hinzu kommt, dass schnell klar wird, wie kalkuliert das alles ist. Der „lebensnahe und authentische“ Flüchtigkeistimpressionismus der Bilder ist in Wahrheit Ergebnis einer jahrelangen Schnippelarbeit, der scheinbare „große Naive“ Malick verschleiert seinen Perfektionismus. Und so bekommt die täuschend unschuldige Frage nach dem Leben, dem Universum, Gott und allem doch noch eine andere Bedeutung – als Ausgangspunkt dafür, ob man sie immer noch stellen kann/darf. Ein Film, dem man nicht trauen kann.
@Lazytown: Ja, aber den habe ich da doch noch gar nicht gelesen, Schätzchen. Mein Internet ist nicht so schnell wie ihr.
Dass hier im Forum vor allem Meinungen ausgetauscht und zur Diskussion gestellt werden, ist für mich irgendwo selbstverständlich. Wenn objektive Tatsachen oder intersubjektiver Konsens reingebracht werden, wird das viel eher irgendwie kenntlich gemacht.
Dann: Natürlich kann einem auch ein handwerklich sehr gut gemachter Fim komplett missfallen, wenn die handwerkliche Umsetzung in den Dienst von etwas gestellt wird, was gegen den eigenen Geschmack/das eigene Kunstverständnis geht. Es wäre in solchen Fällen fair, zwischen solchen Filmen und richtigen Trash zu unterscheiden, ja. Es wäre auch ziemlich fair, gegenüber dem eigenen Kunstverständnis immer skeptisch zu sein, vor allem dann, wenn ein Film einem absolut nicht zugesagt hat, und für sich selber herauszufinden, woran das liegen könnte und was der Regisseur einem damit überhaupt sagen wollte. Aber ist nicht jeder sich seiner Meinung in manchen Fällen absolut sicher? Und ist diese Sicherheit nicht die festeste Grenze für den eigenen Horizont?
Plus: Ich glaube, viel schreiben, groß begründen und auf Fragen antworten, die nicht gestellt wurden, ist einfach nerdig geworden. Andererseits: Was hättest du gesagt, wenn in irgendeinem nichtssagenden 1-Satz-Statement zum Film eine neutrale bis positive Bewertung gestanden hätte?
€: Mann, diese bescheuerte (aber immer wieder nette) Diskussion führe ich hier wahrscheinlich schon zum fünften Mal, und allmählich glsube ich ernsthaft, dass es das Einzige ist, wovon ich überhaupt halbwegs Ahnung habe.
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