Home › Foren › Maximum Metal › Plattenladen › PLAYLIST OF THE WEEK › Re: PLAYLIST OF THE WEEK
Oh Gott, wann habe ich eigentlich zum letztenmal Musik rezensiert, die sich nicht auf irgendwelchen Samplern befand? :aah:
Richtiges Leben im falschen: The Beauty of Gemina – At the End of the Sea
The Beauty of Gemina haben mir mit ihrem aktuellen Album „At The End of the Sea“ bewiesen, wie sehr es sich manchmal lohnen kann, über seinen eigenen Schatten und die meterhohen Vorbehalte zu springen. Sie sind im Grunde eine Band, die zur aktuellen Gothic-Szene mit all ihren leeren Gesten, ihrer gestelzten Selbstverherrlichung und ihren auch musikalischen und textlichen Entgleisungen gehört, und auch „At The End of the Sea“ funktioniert innerhalb dieser Schranken und leistet sich keinen Akt der Rebellion, wenngleich der Weg oft auch über Umgehungsstraßen führt. Was das Album interessant macht, ist seine Inkonsequenz und der Unwille, sich zu entscheiden; zwischen Tradition und Moderne, zwischen Technologie und organischem Leben, zwischen dem Nischendasein und dem Dancefloor. Da kann man die hypnotische Clubsingle „Sacrificed to the Gods“ remixen, wie man will; das hier wird nie Musik für die Discos sein. Anstatt pflichtbewusst und ohne Umwege in die Beine zu gehen, treiben die ihre Aggressivität hinter unheimlicher Gefasstheit verbergenden Beats in „Kings Men Come“, „Counting Tears“ und „Black Cat Nights“ Sänger Michael Sele vor sich her, bis an den Rand der Paranoia. Diese Wirkung ist nicht selbstverständlich, tritt bei vielen artverwandten Bands nicht in der Form zu Tage und ist zum Teil vielleicht das Resultat eines glücklichen Zufalls, viel mehr jedoch das der großen Sorgfalt beim Arrangieren. Die (isoliert von der Musik sich vielleicht kaum vom üblichen Gothic-Phrasenmist abhebenden) Texte greifen wie Zahnräder in den gesanglichen Vortrag, dieser in die musikalische Untermalung, die Maschine läuft. Die Musik klingt tatsächlich so, wie das wunderbare Artwork aussieht; eine alte Hafenstadt im November, umgeben von einer eisigen Mischung aus hellem Türkis und leblosem Grau, der Nebel lässt Raum für Fantasie und verwischt die Konturen, in der Luft liegen Liebe und Hass, Fragen, Unausgesprochenes, Verborgenes, Spannung. Das Album hat vielleicht noch keinen klaren Plot und kein übergeordnetes Konzept, evoziert in seinen besten Momenten aber in beachtlicher Klarheit prägnante potentielle Filmszenen vor dem inneren Auge. ATEOTS wirft vielleicht keine einzige veritable Single ab, birgt aber dennoch, das soll nicht verschwiegen werden, Potenzial für zahlreiche ständig wechselnde Lieblingssongs. An dieser Stelle könnte ich eigentlich alle nennen, aktuell herausstechend sind für mich aber das verführerisch neblige „Obscura“, „Rumours“, ein perfekter, konziser Popsong zwischen den einschmeichelnden Melodien von A-Ha, der Luftigkeit später Chameleons und der unterschwelligen Hinterhältigkeit von Placebo, vor allem auch die tiefdunkle Klavierballade „In Silence“ mit ihrem langsamen Herzschlag.
Freunde von Dark Kirmestechno-/Diary of Dreams-Machismen werden an dieser klug arrangierten, stilvollen Variante des (halbwegs) modernen Dark Wave zwischen Rockband-Instrumentierung und Elektronik wohl eher keinen Spaß haben, andererseits muss „At the End of the Sea“ Fans von Editors und Interpol, aber auch von deren Vorbildern (trotz dämlicher Frisuren und standesgemäß klischeehafter Musikvideos) nicht peinlich sein, und auch die Leute, die sich ihre Depeche Mode nach „Songs of Faith and Devotion“ mit mehr Nähe und Hingabe zum Abgrund gewünscht hätten, kommen hier auf ihre Kosten. Bemerkenswertes Album jedenfalls – und es gibt doch richtiges Leben im falschen.
http://www.youtube.com/watch?v=f3dxNDusQfg
http://www.myspace.com/thebeautyofgemina
Der feine Unterschied: Anathema – Judgement & We’re Here Because We’re Here
Sie sind eines der größten Ärgernisse in der Wechselbeziehung zwischen Künstler und Publikum: die erzkonservativen, die Besitzansprüche stellenden, die sich auf den Schlips getreten fühlenden Fans, die es ihrer Band vorwerfen, dass sie das Vorgängeralbum nicht mit anderen Songtiteln neu veröffentlichen will und kann. Klar, ein unkritisches Annehmen jedes schiefgegangenen Experiments ohne Hinterfragen des dahinterstehenden Motivs kann’s irgendwie auch nicht sein, die ablehnende Haltung, die Kreativität und Mut in diesem Zusammenhang teilweise entgegenschlägt, ist aber nicht selten (bestimmt nicht nur für die betroffenen Bands) frustrierend.
Nun stelle ich aber fest, dass ich mich im Falle von Anathemas „We’re Here Because We’re Here“ doch widerwillig auf ihre Seite stellen muss, denn „Judgement“ macht es mir fast unmöglich, dieses Album zu mögen. Theoretisch ist „Judgement“ dabei gar nicht mal weit von WHBWH entfernt; beide Male hochmelodische, atmosphärische, quasi-progressive Rockmusik, beide Male annähernd dieselbe Kernbesetzung, zwischen den Alben ein unüberblickbarer Abgrund. Was also ist passiert? Wodurch ist dieses klaffende Loch entstanden?
Während der Aufnahmen waren Anathema eine vom Schicksal gnadenlos in die Mangel genommene Band. Nicht nur der Alkoholismus und der Tod der Mutter von Danny und Vincent Cavanagh, (mutmaßlich) auch der damals nicht ganz verdaute Ausstieg von Duncan Patterson spiegeln sich in Texten und allgemeiner Stimmung wider. Es ist vermutlich gerade diese Authentizität, die „Judgement“ zum Grande Finale und fast zum Höhepunkt der Sturm und Drang-Phase von Anathema macht und die vom Album ausgehende Faszination zu einem nicht unerheblichen Teil auch ausmacht. Pathos mit der großen Schöpfkelle über die Stücke gegossen, kerzengerade und unmissverständlich, „Comfortably Numb“-Gedächtnissoli, zum Klagegesang in den Himmel emporgehobene Arme und nüchtern betrachtet – was ungefähr der größte Fehler ist, den man bei einem Album wie diesem machen kann – teilweise fast plattitüdenhaft formulierte Texte – das alles dürfte unter normalen Umständen gar nicht funktionieren. Die Ehrlichkeit, die Tiefe, die Dringlichkeit und die Überzeugung, mit denen die Band hier vorgeht, sind allerdings entwaffnend. „Judgement“ hätte keine andere Band und keine andere Situation in dieser Form und Qualität hervorbringen können – in den folgenden Jahren zugegebenermaßen nicht einmal Anathema selbst. „Judgement“ ist der musikalische Ausdruck verdichteter Verzweiflung, Sehnsucht, Liebe, Enttäuschung und Katharsis, fragil, flüchtig und eingefangen an seinem Siedepunkt. Und wenn dann das Titelstück sich in einen flammenden Rausch steigert, „Forgotten Hopes“ das Gefühl erweckt, unerlaubt im Tagebuch der Cavanagh-Brüder zu lesen, und Vincent Cavanagh am nebelschwadenumgebenen Gipfel von „One Last Goodbye“, bei dem die betörend warme Produktion am besten zur Geltung kommt, fast zu zerfließen droht, dann kommt man sich klein vor, und zumindest für ein paar Minuten von einer ungeheuren Last erlöst. Einen großen Anteil daran trägt vor allem auch Sänger Vincent Cavanagh, dem man auf dem Vorgängeralbum „Alternative 4“ schon eher einen Oscar als einen Grammy verleihen wollte und der einem sein Seelenleben hier auf ähnlichem Niveau vor die Füße wirft – bloß fällt das aufgrund der gegenüber „Alternative 4“ üppigeren Instrumentierung nicht sofort auf.
Ja, und dann, elf Jahre und zwei weitere, wirklich sehr gute Alben später, hört man eine Band, die Verzweiflung, Resignation, Aufbegehren und die vibrierende Ruhe danach vollständig hinter sich gelassen hat und eine grundlose Glückseligkeit vertont – we’re here because we’re here eben. Gegenüber der trotzigen, kämpferischen Hoffnung, mit der sich „Emotional Winter“ am eigenen Haarschopf aus dem Morast zieht, wirken Songs wie „Dreaming Light“ und „Everything“ wie pseudospirituelle Heilsversprechen und Somarausch. Und den Gedanken daran bekomme ich selbst bei den eigentlich gelungenen Songs von WHBWH nicht aus dem Hinterkopf.
Es ist gut und wichtig, dass Anathema nicht völlig auf der Stelle treten und sich immer noch weiterentwickeln. Mit diesem Album kann ich ihrer Weiterentwicklung aber leider nicht mehr folgen.
http://www.youtube.com/watch?v=n-blC4ZnkJo (habe die „Judgement“-Version nicht finden können, aber hey, Tarkovsky!)
http://www.youtube.com/watch?v=3saCGcwXDvc
The Sound and the Fury: Crippled Black Phoenix – I, Vigilante
Manchmal gibt es sie ja. Die Alben, die einen, ohne Widerstand zu ermöglichen, wochenlang an die Anlage fesseln und nach jedem Hören noch beschäftigen. Die alle anderen für eine gewisse Zeit obsolet machen. Die einen am besten noch völlig unvorbereitet treffen und bald eine für das soziale Umfeld bestimmt sehr nervige Art Missionseifer erwecken. „The Ressurrectionists / Night Raider“, ein mit Box und 47-seitigem Booklet prächtig ausgestaltetes Doppelalbum, war 2009 so ein Fall. Ein Lobgesang auf David Gilmour-Soli, trunkener, knorriger Folkrock, ein Schwertransporter des Unglücks und eine Asphaltspaltenblume der Hoffnung zugleich. Nun, ein gutes Jahr später veröffentlichen CBP „I, Vigilante“ als Überbrückungsrelease bis zur kommenden dritten Full Length und ich erlebe ein höchst erfreuliches Déjà-vu.
Der textliche Schwerpunkt liegt bei „I, Vigilante“ auf Geschichte, Geschichtsbewusstsein, Geschichtsaufarbeitung. „Bastogne Blues“ handelt von den Traumata eines 2. Weltkriegs-Veteranen, aber auch die anderen Songs umweht eine Aura vergangener Zeiten. Es ist dabei nie eine bloße Rekonstruktion von Schauplätzen, vielmehr wird aus der aufgebauten Umgebung und ihren Begleitumständen etwas viel Wichtigeres, Universelles, Zeitloses herausdestilliert – Verzweiflung, ja, wirkliche Hoffnung eher selten, aber in jedem Moment der Unwille, sich mit den gegebenen Umständen einfach so abzufinden, Appell, Aufbegehren, Widerstand. Und Liebe, selbstverzehrende, grausame Liebe zum Leben, das Abhängigkeitsverhältnis vom unermesslichen Wert dessen, was man bewundert und von dem man sich nicht kampflos trennen will, und der eigenen Wertlosigkeit. Ergreifend, im bestmöglichen Sinne pathetisch. Und diese Herangehensweise überträgt sich sogar auf die Musik.
Wirklich abgeebbt ist dieser Retrotrend in der zeitgenössischen Rockmusik ja eigentlich nie, und auf dem ersten Blick lassen sich auch Crippled Black Phoenix mittlerweile als Vertreter dieser Bewegung bezeichnen. Der feine Unterschied: CBP zitieren nicht und „I, Vigilante“ ist kein post-postmoderner Selbstzweck, sie ironisieren nicht, das pathetische Moment bleibt ungebrochen im Raum, sie spielen auch kein Heldentribut und lassen die Musik, die teils überdeutlich für sie Pate stand, einfach unhinterfragt. „Those who cannot remember the past are condemned to repeat it.“, um an dieser Stelle wie die Band selbst bei „We Forgotten Who We Are“ George Santayana zu zitieren. Was man hier hören kann, ist (Übertreiben? Ich doch nicht…) eine Neuschreibung scheinbar unveränderlich in Stein gemeißelter Rockklassiker, nur diesmal ohne Muckertum, rivalisierende Egos, Testosteronüberschuss und Zeitgeist. Der Opener „Troublemaker“ verbindet „Animals“-Pink Floyd mit grobschlächtig rumpelndem Deep Purple-Hardrock und ist der optimistische Rettungsanker inmitten des flutenden Wassers und des Blutes der Kriegsgefallenen, aus dem man luftschnappend seinen Kopf streckt.
Mit „We Forgotten Who We Are“ folgt dann das eigentliche Herz dieser EP. Nach dem wässrig glitzernden Klavierintro erhebt sich das Stück mit einem unnachgiebigen, unbeirrbaren Rhythmus, unter der Last von Joe Volks Gesang fühlt man sich unweigerlich schuldig. Das Klavier hämmert neben den durch den Morast stampfenden Drums. Der Gesangseinsatz bei ungefähr vier Minuten schließlich ist der vielleicht atemberaubendste Part des Songs; der Vorwurf in Volks Ton so schmerzhaft gegen die Wand drückend, das flehende Fragen so eindringlich, das atempausenlose Übergehen der Worte in einen konstanten Melodiefluss so sehr Vertonung von stream of consciousness, dass man, ehe man unter dem Druck endgültig zusammenbricht, mit unerschutterlicher Überzeugung Joe Volk dahin folgt, wohin sein Arm zeigt. Das Crescendo ist rauschend, dramatisch; sturzbachartig fallen Klavier, Drums, Hammond-Orgel und Kometenschweifgitarren übereinander, bis plötzlich nur noch eine friedliche Ruhe zurückbleibt. Gospelartige Frauenchöre, nostalgisch-traurige Farbtupfer von Klavier und Cello, eschöpft dahinschlurfende Drums, alles vorbei. Doch dann, in der Minute, die dem Song noch bleibt, richtet er sich wieder auf, um seinen aussichtslosen Kampf zu kämpfen, heulend solierende Gitarren legen sich wieder auf das unverändert bleierne Rhythmusfundament, mit tränenblinder Entschlossenheit marschiert er dahin, bis das Stück nach 10:47 Minuten plötzlich und viel zu früh endet.
Nahtlos schließt das Klaviermotiv von „Fantastic Justice“ daran an. das Stück ist weniger zerstörerisch und tragisch als sein Vorgänger, aber mindestens genauso kraftvoll und entschlossen. Mit einem überlegenen Lächeln und irrationaler Siegesgewissheit zieht man nun in den Kampf, sein Mut entwächst dem Zerfall um ihn herum. Immer weiter schaukelt es sich hinauf, seinen Gipfel bildet ein episches Zusammenspiel aus Rockband-Instrumentierung, der bekannten Klaviermelodie, Hammond-Orgeln und sehr dominanten Trombonen.
Nach der Erhebung folgt mit „Bastogne Blues“ der Niedergang. Eingeleitet von einem Sprachsample eines traumatisierten Kriegsveterans, versetzen Text und Musik einen in das Geschehen der Ardennenoffensive und die kriegszerstörte Kulisse der kleinen französischen Stadt Bastogne, aus einfachen, trägen Akkorden entsteht gravitätischer Folkrock. Über dem Schauplatz liegt eine gespenstische Totenruhe, die angesprochene countryeske Tonfolge, langsames Drumming und im Hintergrund flirrende Godspeed You! Black Emperor-Gitarren bilden das musikalische Fundament für Joe Volks Gesang. Es ist ein eigentlich sehr schwacher und gebrochener, nicht einmal weit in den Vordergrund gemischter Gesang, fast schwindsüchtig scheinend unter der Wucht, die die Kompositionen von CBP teilweise entwickeln, und inmitten von Nick Drake’schem Songwriterminimalismus vielleicht sogar besser aufgehoben als hier – aber doch so charismatisch, niemand könnte die vermittelte Stimmung besser tragen und artikulieren. Im Verlauf des Songs schält sich eine ernste und erhabene, üppig orchestrierte Melodie heraus, die „Bastogne Blues“ schließlich krönt.
Abgeschlossen wird „I, Vigilante“ von zwei Coverversionen, dem größenwahnsinnig melodramatischen „Of A Lifetime“ (Journey) mit Daisy Chapman am Mikro und dem sehr seltsamen Cover von The Mike Curb Congregation – Burning Bridges (eventuell bekannt durch den Film „Kelly’s Heroes“), welches nach einem gemeinsamen Häkelnachmittag von ABBa und Andrew Lloyd Webber klingt und sich zumindest ganz gut dafür eignet, Leute, die immer noch denken, die Band spiele Post-Rock, in die Flucht zu treiben (wenn sie dies nicht schon beim Song davor getan haben).
Ich habe ein wenig Angst, nach dieser Verbalorgie zwischen Superlativen und Selbsterniedrigung endgültig als nicht mehr zurechnungsfähig zu gelten, vor allem aber frage ich mich, was ich erst machen soll, wenn sich der Trend bei CBP, jede Veröffentlichung mit der folgenden deutlich zu übertreffen, fortsetzt. Crippled Black Phoenix spielen für mich die schönste, emotional aufrüttelndste und wahrhaftigste Rockmusik seit der Jahrtausendwende und sind auf dem Weg zur aktuell besten Rockband des Planeten. Mark my words!
http://crippledblackphoenix.bandcamp.com/album/i-vigilante
It’s gonna be alright: Zola Jesus – Stridulum II
Nika Roza Danilova alias Zola Jesus ließe sich leicht in die Riege aktueller Singer-Songwriterinnen von Bat for Lashes über Florence + the Machine und Fever Ray zu Rose Kemp und Soap&Skin einordnen, die es aufgrund der Diversität ihrer Vertreterinnen in der Form gar nicht geben kann, deren Existenz vom Feuilleton aber gerne herbeigeredet wird. Sie ist jung, ungewöhnlich, irgendwie popkompatibel, irgendwie aber auch wieder nicht, und konnte in einschlägigen Kreisen mit „Stridulum II“, einer um drei Songs erweiterten Neuveröffentlichung der „Stridulum“-EP, bisher beachtlich viel Aufmerksamkeit auf sich lenken.
Hinter dem Hype und dem bemerkenswert hässlichen Cover steckt vor allem die Frage, ob und ab welchem Zeitpunkt man sich in fremder und eventuell feindlicher Umgebung wohl fühlen kann. Die musikalischen Möglichkeiten sind auf dem ersten Blick limitiert; den musikalischen Unterbau bildet gezähmter, harmonischer LoFi-Noise, um ihn herum schwirren wogende, flächendeckende Synthesizer, der Fokus liegt auf dem Gesang. Nika Roza Danilovas Stimme ist geschult durch eine klassische Gesangsausbildung, klingt mekrwürdig verfremdet und sorgt für eine Menge netter Déjà-vus. Der Befehlston von Siouxsie Sioux kommt einem mehr als einmal in den Sinn, ebenso der Soul von Florence Welch und die bleiern-tödliche Gefühlskälte von Nico. Die glatten Stahlwände und die metallische, roboterartige Stimme, die in dieser Umgebung die einzige Gesellschaft ist, ergeben zusammen eine Umgebung, die dazu einlädt, schleunigst da raus zu wollen, auf dem zweiten Blick fallen einem in der scheinbaren Fremde jedoch vertraute Harmonien und erstaunliches Facettenreichtum auf. „I Can’t Stand“ und „Sea Talk“ zum Beispiel verfügen über unverschämt optimistische Pop-Refrains, der Opener „Night“ verführt mit einem warmen, rot-orangen Leuchten und nimmt einen in der Dunkelheit bei der Hand und das euphorisch-schöne „Lightsick“ durchbricht die selbstauferlegten Grenzen, indem es Danilovas Gesang nicht mehr industrialisiert-noisigen Electropop, sondern ein wunderbar klar klingendes Klavier als musikalisches Fundament bereitstellt. Dem gegenüber stehen Songs wie das prozessionsartige „Tower“, das mit dramatischen Streichern versehene „Manifest Destiny“ und der Titelsong, ein ritualistisches Negativ-Abbild des naturmystischen Zauberartpops von Bat For Lashes. Einen Grund, sich zu fürchten, hat man bei dieser äußerlich abweisenden, doch innerlich warmherzigen Musik aber eigentlich nie. Die Hoffnung stirbt zwar, aber sie stirbt zuletzt.
http://www.souterraintransmissions.com/ecards/zolajesus/swf/index.htm
Sonst noch:
Between The Buried and Me – The Great Misdirect
Deftones – Diamond Eyes
Devil Doll – The Girl Who Was…Death
Fear of God – Within The Veil
--
trying to leave [COLOR=#808080]a mark more permanent than myself[/COLOR]