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xkillwithpowerxDie Platte gilt ja wie du schon sagst bei vielen Fans nicht gerade als Highlight des Bad Religion Backkatalogs. Häufig wird ihr ein allzu poppiger Ansatz vorgeworfen, was zwar auf Einzellieder wie It’s a Long Way to the Promised Land oder das sehr fragwürdige I Love My Computer durchaus in einer eher negativen Weise zutrifft, insgesamt aber meiner Meinung nach nicht wesentlich stärker ins Gewicht fällt als man es von Bad Religion ohnehin gewohnt ist. OK, zugegebenermaßen ist allein der Gitarrensound schon weit weniger punkig als auf den Vorgängern und auch der Anteil an ruhigeren und/oder dynamischeren Stücken ist überdurchschnittlich hoch, aber das alles fügt sich wie ich finde auf eine sehr natürliche Weise ein, zumal die Entwicklung hierhin ja durchaus von Stranger Than Fiction über The Gray Race und No Substance in erster Näherung recht kontinuierlich vonstatten ging. Zusammengefasst: In Hinsicht auf den Popanteil ist The New America definitv nicht in der Weise hervorzuheben, wie es oft getan wird, noch weniger ist dieser bei genauerer Betrachtung eine Überraschung.
Wesentlich stärker unterscheidet sich das Album von seinen Vorgängern jedoch im Hinblick auf die Texte (wobei sich das auch hier zumindest ansatzweise schon auf No Substance abgezeichnet hat). Gesellschafts- und Religionskritik rücken – anders als der Titel suggeriert – recht weit in den Hintergrund und auch auf die in Fremdwortorgien ausartenden abstrakten Metaphern wird weitestgehend verzichtet. Stattdessen sind die Texte persönlicher und direkter, handeln vom Aufwachsen in der frühen Punkszene (A Streetkid Named Desire), Sackgassen des sozialen Lebens (The Hopeless Housewife) oder sind von Greg Graffins Scheidung inspiriert (There Will Be a Way, A Whisper in Time und andere). An dieser Stelle ist vielleicht eine gute Gelegenheit, um auf den aus dieser Zeit stammenden Demosong Pretenders hinzuweisen, der es leider nie auf ein Album geschafft hat, auch wenn die Riffs teilweise auf The Process of Belief in The Lie verbraten wurden. Musikalisch gehört er trotz der für einen solchen Song stattlichen Länge von vier Minuten, die auch recht wenig Abwechslung bieten, für mich zu den besten Bad Religion Liedern des vergangenen Jahrzehnts, noch viel bemerkenswerter aber ist der Text: Ich bin wirklich kein Fan von Herzschmerzliedern, zumal ich eine sehr geringe Toleranzgrenze für Kitsch habe, aber eine so eindringliche, erbarmungslos ehrliche und geradezu beklemmende Darstellung einer gescheiterten Beziehung wie in Pretenders habe ich noch sonst nirgends gehört. Definitiv ein Gänsehautsong, wenn auch auf eine etwas andere Weise. Zusammengefasst: Lyrisch werden neue Regionen erforscht und das mit sehr großem Erfolg. Wenn ich ausschließlich die Texte betrachte, dürfte The New America es in meine Bad Religion Top Five schaffen.
Jetzt habe ich (wie immer) schon ziemlich viel drumherum erzählt, bin aber immernoch nicht richtig auf den Punkt gekommen: Wie sieht das Songwriting aus abgesehen vom Popanteil und was halte ich ganz subjektiv von den Liedern? Auffallend sind die häufig von gängigen Standardschemata abweichenden Songstrukturen, die auch oft weit mehr als die üblichen zwei bis drei verschiedenen Riffs benutzen (You’ve Got a Chance, A World Without Melody und mehr) und auch die Melodieführung im Gesang folgt öfter eher unkonventionellen Wegen – das alles natürlich gemessen am Status Quo im Punk und nicht im Prog Rock. 😉 Mir persönlich gefällt dieser Ansatz super in ihren Liedern und ich bin froh, dass sie ihn zum Teil auch auf den Alben nach dem Comeback von Brett Gurewitz weiterverfolgt haben. Dass sie trotzdem auch ohne diesen noch mitreißende Punk Stücke schreiben konnten, demonstrieren eindrucksvoll The Fast Life und das geniale Don’t Sell Me Short, die zum Ende hin nochmal die letzten Reserven hervorholen.
Auf die eingangs erwähnte Geringschätzung, die The New America bei vielen genießt, bin ich nun bis hierher gar nicht weiter eingegangen und vermutlich liest sich dieses Review auch so, als hätte ich eine vollkommen andere Meinung. Ganz richtig ist diese Vermutung leider nicht, denn neben einigen wirklich sehr, sehr starken Songs, sind hier leider auch einige Lieder zu finden, die in meinen Augen stark abfallen, zum Beispiel die beiden oben bereits angesprochenen zu schleimig-poppig geratenen It’s a Long Way to the Promised Land und I Love My Computer, außerdem auch noch die einfach nur belanglosen Let It Burn und Believe It. Die ziehen ein eigentlich sehr, sehr gutes Album leider doch ein wenig nach unten und führen auch dazu, dass ich The New America nich allzu häufig am Stück höre.
Zum Abschluss demonstriere ich mal den Einfluss, den palez auf mich in letzter Zeit nicht nur musikalisch hatte, und gebe Bad Religion für dieses Album sieben von zehn gescheiterten Ehen und eine halbe Unterhaltsklage. Hey, das macht ja sogar Spaß. :haha:Um deine Anfrage zu guter letzt auch noch auf eine ganz kurze Art zu beantworten: Runtergemacht wird sie definitiv zu Unrecht, aber um sie zu meinen liebsten zu zählen, sind a) zu viele Filler drauf und b) ist die Konkurrenz innerhalb der Diskographie einfach zu groß. 😉
sehr sehr toll geschrieben!
hat wirklich spass gemacht das zu lesen. ich finde auch das „It’s a Long Way to the Promised Land“ abfällt. dennoch liebe ich „you’ve got a chance, whisper in time, the fast live usw. ich mag das album sehr.
demnächst mal wieder laufen lassen.
zu pretenders: ich kenne den song und hab ihn sehr oft gehört. wirklich ein jammer das der es nicht aufs album geschafft hat.