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Nezyrael:horns::mrgit::horns::mrgit:
Schreib mal was.
:haha: Ach, so ein Düngemittel. Hast du denn selbst eine Meinung drüber?
Ich bin selbst wirklich erstaunt darüber, wie gut das Album geworden ist. Das soll dabei eigentlich nicht heißen, dass es qualitativ aus ihrer fast (die Alben mit John Parish sind…sagen wir gewöhnungsbedürftig) ausnahmslos formidablen Diskographie herausstechen würde, aber nachdem ich mich mit den vorher bekannten Einzelsongs nicht wirklich anfreunden konnte, bin ich doch überrascht, wie gut sie sich in den Gesamtkontext einfügen. „Let England Shake“ steht also doch noch in einer gewissen Tradition; in der der durchgehend hohen Klasse und in der ständiger Veränderung. Musikalisch gibt es nach dem klavierbasierten Sterbebett-Album „White Chalk“ keine Rückkehr zu Blues(rock)-Wurzeln, dafür hat Polly Jean Harvey erstmals in ihrer Laufbahn den Folk als durchgehende Triebfeder ihrer Songs für sich entdeckt. Kombiniert wird er mit etwas, was ich als luftigen Dreampop („Written On The Forehead“) bezeichnen würde, wäre Musikbürokratie bei dieser Frau nicht ab einem gewissen Punkt problematisch. Die Instrumentierung ist vielfältig und ungewöhnlich, aber keins der Instrumente drängt sich auf. Eine gravierendere Veränderung als bei der Musik gab es allerdings bei den Texten, die nun zum ersten mal keine Innenansicht zeigen, sondern sich mit ihrem Heimatland England beschäftigen. PJ Harvey klingt „draußen“ noch nicht so selbstbewusst und sicher wie in den psychischen Untiefen ihrer früheren Persönlichkeiten und gerade in den höheren Lagen (auf die Madame sich auf LES größtenteils verlagert) klingt ihre Stimme brüchig und schüchtern. Nach „White Chalk“ hätte ich eigentlich nicht gedacht, dass sie irgendwas aus dieser Erfahrung mitnehmen und direkt wieder verarbeiten würde, dass ich irgendein seiner Bestandteile in einem anderen Zusammenhang wieder hören würde…nice to be wrong. Die Texte zeichnen ein Bild von England als ein disparates, zerrissenes, widersprüchliches Land, in dem sich immer deutlicher der hohe Preis zeigt, mit dem Wohlstand und Ansehen erkauft wurden. PJ Harvey singt über gefallene Soldaten und Waisenkinder, aber ohne sich vom Land losreißen zu wollen (denn sie würde es nicht anklagen, wenn ihr nichts daran läge) und nicht ohne gleichzeitig den Blick über die Schönheit von cruel nature schweifen zu lassen. Überhaupt gilt das, was ich über die Texte gesagt habe, für das gesamte Album, denn musikalisch klang Frau Harvey lange nicht mehr so schillernd hell, einladend und teilweise regelrecht beschwingt. „Let England Shake“ lässt die Hand über das Kornfeld gleiten und schärft den Blick für die poetische Schönheit im Alltäglichen, Absurden und Fehlerhaften.
Das erste wirklich große Album 2011. PJ Harvey is the new PJ Harvey.
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trying to leave [COLOR=#808080]a mark more permanent than myself[/COLOR]