Re: Fun Sammelthread

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Daray

Registriert seit: 18.04.2004

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Aus dem eben erhaltenen Newsletter der Autorin Sibylle Berg:

Im Hintergrund klugscheissert das literarische Quartett, oder Quintett oder
Scheiss der Hund drauf. Leute von denen ich Bücherempfehlungen entgegen
nehmen würde, machen keine Literetursendung, gehen wenn überhaupt, nur aus
Versehen vor eine Kamera und reissen danach schnell wieder aus.
Zeigefreudige Menschen haben kein Geheimnis, und wenn, dann eines, das mich
nicht interressiert,draussen ist Frühling und das gute am Rest des Lebens
könnte sein, das wir nie mehr verreisen müssen.

Wer schon einmal im Süden war, wir sprechen hier nicht von Italien,
Frankreich, Mallorca oder anderen Orten für Reise-Feiglinge, weiß , das
unsereins leider nicht für tropische Temperaturen eingerichtet ist.
Was haben wir daheim für rührende Ideen von blauen Meeren, Palmen,
Luftfeuchtigkeit und einfachen,herzensguten Eingeborenen. Und dann sitzen
wir in Thailand oder seinesgleichen, die Gesichter rot und glänzend,
übersät von Moskitostichbeulen, schwitzend in unansehnliche Batiktrikotagen
gewickelt und kurieren Darminfekte aus. Und die sind noch das geringste.
Beri Beri, Dengue Fieber, Malaria und Würmer die in unseren Innereien
Dörfer bauen, lasse ich fast unerwähnt. Wer also weiß, das Asien,Südamerika
und Afrika am besten auf Postkarten aussehen, zuckt die Schultern , sagt
sich: was solls, sind ja nur noch 40 Jahre und macht seinen Frieden mit dem
heimischen Winter.
Die Heizung auf angenehme 30 Grad gedreht, auf DVD`s alle Filme, die man
auch im Kino schon nicht sehen wollte,—-
(hat jemand von ihnen diesen unglaublich albernen Cowboyfilm verstanden,da
Schauspieler denen man noch nicht mal einen Aufenthalt auf einem Tessiner
Campingplatz zutraut, durch öde Landschaften hoppeln und tun als sein sie
schwul und als sei das furchtbar? Und haben sie auch nicht verstanden, was
mit der Welt los ist, wenn so ein alberner -wir spielen
Randgruppen-Mist-fünzig Auszeichnungen bekommt?)
—– sitzt man in Jogginghosen, immerhin von Juicy Couture , auf Coachen
und glotzt. Der Leib wird madengleich, interessant, das sich selbst auf
dünnen Rücken Fettrollen bilden können,die Haut schrumpelt und zwischen den
Fingern bilden sich verhornte Stellen. Das Leben ist herrlich endlos im
Winter, und ich verstehe heute das alte Paar, das ständig
Frachtschiffreisen unternahm, monatelang durch Polarmeere, die Zeit würde
so schön langsam vergehen dabei, sagten sie mir, denn davon hätten sie mit
über 90 nicht mehr soviel.
Man merkt Winters, das man sehr viele Sachen nicht benötigt:.
Freunde,Restaurants,Grünanlagen, eigentlich lebt man unglaublich gut in
seiner Höhle in die man ab und an Nahrung schleppt( Steigerung: Migros
Hauslieferservice) und mit dem eignen Gesicht, das man nicht mehr
schminkt.Vielleicht hat man einen Partner, dem man ab und an im Pyjama
begegnet,oder in der Badewanne, und der Schnittchen macht und kleine Tiere
brät, wenn einem danach verlangt. So könnte es weitergehen, Jahre, wenn
nicht eine miese Laune der Natur uns dazwischenkäme-Sonne irgendwann und
Knospen, Vögel die quicken und –Scheiße, denkt man, jetzt geht das wieder
los. Der Frühling bringt die unangenehme Einsicht, das man nicht in seiner
Wohnung vergammeln darf, weil irgendwann sonst die Polizei ( respektive
Fremdenpolizei ) kommt, und den Menschen aus der Wohnung entfernt, da er
zufrieden schnaufend liegt, zwischen vergorenem Essensresten. Gelegen wird
nicht in der Schweiz, vergammelt auch nicht , das sieht man ein , erhebt
sich mühsam und öffnet die Vorhänge. Donnerwetter, ein Schauspiel dem man
nicht alle Tage beiwohnt: Die Wohnung sieht aus wie etwas, was man unter
dem Bett findet, nach Jahren. Man vermeint große Schatten durch die
Korridore huschen zu sehen, und Spinnen mit Grinsegesichtern baumeln von
Kronleuchtern die nicht vorhanden sind. Die Sonne löst die Netzhaut und es
gibt nur zwei Möglichkeiten: Aus dem Fenster fallen, oder das Spiel da
draußen mitmachen. Obwohl die Schweiz eine sehr propere Selbstmordrate hat,
entscheiden sich die meisten doch für das letztere. Und beginnen die
Wohnung zu putzen. Möbel hochkant, feuchte Lappen, Fenster schlieren,
Staubsauger donnern, Zeitungspakete auf den Müll, Pizzaschachteln, tote
Briefträger, und in Rage gerät man, will ein neues Leben, das daraus
besteht, das man über Wiesen hopst, und alles ändert, besser macht ,
schneller,alles parat für die Möglichkeiten, die vielleicht an die Tür
klopfen( Guten Tag, ich bin von einer Firma, die Landhäuser in Italien mit
Koch verschenkt)–kurz-der Frühjahrsputz ist nicht mehr als ein
verzweifelter Ausdruck der Hoffnung, es würde noch einmal was gehen. Na
und-vielleicht geht ja auch noch was-nach der Wohnung, putzen wir meist uns
selbst: abspecken, absaugen, Masken, Dermabrasion, neue Kleidchen, Füßchen,
vielleicht entsorgen wir gar unser Notizbuch von alten Namen, nach wem uns
in den Wintermonaten nicht verlangt hat, dem gebührt kein Platz mehr in
unserem neuen, sauberen Leben,vielleicht verabschieden wir uns in aller
Herzensgüte von unserem Partner. Mit wem man im Winter nicht gemütlich sein
kann, der wird auch für den Frühling nicht taugen. Der Frühjahrsputz ist
eine heidnische Reinigung, eine Darmspülung für unser Leben, es wird alles
neu glänzen danach, frisch duften, nach Zitrone, wir werden in reizenden
Kleidern in der Aufgeräumtheit sitzen und darauf warten, das jetzt etwas
Wundervoll neues beginnt. Doch beruhigend kann ich raunen: wird nicht. Es
wird regnen, an die sauberen Scheiben, der Frühling wird vorbeilassen, mit
grauem Himmel, und wir werden wartend aus dem Fenster schauen, das es
endlich passiert. Endlich Sonne und Gefühle und alles neu, doch dann werden
wir staunend bemerken, wie Laub von den Bäumen fällt, unbemerkt von uns ist
ein strammer Nord- Nordost Wind aufgezogen, und unsere kleine Aufregung ist
verwässert in zuviel Niederschlag. Und mit leiser Freude werden wir den
Eintritt des Winters begrüßen, der uns erlaubt, unseren wahren Kern zu
leben, ohne aufgesetztes Geplauder und kleine Volants an Blusen. Endlich
ist die Zeit der Schlamperei und des Homelieferservice wieder da! Und keine
Sorge: es wird schon morgen soweit sein!!

Frohes Putzen ihr kleinen Rasseltatzler wünscht euch euer aller Frau Berg.

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