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Scheiß drauf, keinen bock zu warten. Gerade bock gehabt zu Schreiben und das ist das Resultat:
35. Primordial – To The Nameless Dead
2007 schaffte eine Band, die ohnehin schon immer etwas zwischen den Stühlen saß – und diese Stühle heißen Pagan- und Black Metal – endlich den wohlverdienten Aufstieg. Soundchecksiege, u.a. im gern verhassten, jedoch stets an der Spitze präsenten Metal Hammer und das sich rumgesprochene Gerücht, Primordial wären auch für Solche, die diese beiden Genres sonst tunlichst meiden, attraktiv, machten die Runde; jedoch war es letztendlich auch die unglaubliche Stärke dieses mittlerweile sechsten Studioalbums, die den Erfolg ermöglichte.
Primordial kommen aus Irland. Das hört man – irgendwie. Es ist eine spezielle Atmosphäre, die sie schon immer ausmachte, und es sind die Bilder dieses so faszinierenden Landes, die mir beim Hören dieser Musik durch den Kopf gehen. Damit passen sie schon ausgesprochen gut in die Pagan-Ecke; jedoch malen sie mit weniger Kitsch und offensichtlichen Pathos. Es scheint dort drüben eine trübe Welt zu sein, und zu Teilen blickt man wohl dem Ende direkt ins sprichwörtliche Gesicht. Mit „As Rome Burns“ werden sie dann doch etwas plakativer; jedoch funktionieren die hier unglaublich gut ausgearbeiteten, episch-anmutenden Momente wie bei kaum einer anderen Band. Und dann dieser Sänger: Einmalig! Kraftvoll, rau, doch irgendwie emotional, doch ab und an fauchend. Er ist einer der Faktoren, warum die Musik von Primordial so gut funktioniert.
34. War From A Harlots Mouth – Transmetropolitan
Das Album, was die Karatekids mit aufs sprichwörtliche Boot geholt hat. Aber man muss schon zugeben: Hier reicht man ihnen auch regelrecht die Hand. Während sie sich davor („Falling Upstairs“ EP) und danach („In Shoals“) eher auf atmosphärischeres Besinnen, sind es vor allem die Moshparts und Breakdowns, die im ansonsten recht vertrackten Sammelsurium hervorstechen – und dieses damit wiederum eingängig machen. Nur zwischendurch oder in episch-anmutenden Nummern wie „Mulder“ oder dem Titeltrack gibt man sich dieser allgegenwertigen Affinität wieder hin, und letztendlich ist „Transmetropolitan“ schon ein schlaues Album, so ist das nicht. Es ist nur einfach ein Album, was in die aktuelle Zeit so perfekt passt, hinter dem sich jedoch auch soviel mehr verbirgt. Ob nun Steffens schier wahnsinnige Stimme, die für mich – Nico in allen Ehren – immer etwas besonderes sein wird; ob nun eben jene tanzbaren Momente, die einfach funktionieren und Spaß machen; ob nun der (geglückte!) Versuch, „richtige“ Hardcore-Parts ins Mathcore-Becken zu werfen; oder halt diese gigantischen Momente, die selbst beim x-ten mal noch Gänsehaut hervorrufen – es ist große Klasse, was sich hinter diesem Album verbirgt. Dass das auch großartige Musiker sind, die keinerlei Weiterentwicklung trotzen und wissen, ihr Potenzial anständig zu nutzen, beweist ihr jüngst erschienenes Zweitwerk „In Shoals“, welches vielleicht irgendwann diesen Platz hier für sich einnehmen wird. Solange ist „Transmetropolitan“ jedoch auch – bei allem Hype – eine Sache, die sich hier sehen kann.
33. Bohren & Der Club Of Gore – Sunset Mission
Die Aufgabe der „Sun“ ist das Spenden von Wärme und damit die Gewährleistung eines geregelten, nein überhaupt des Ablaufs unseres Ökosystems. Und die des „Sunset“? Schauen wir auf das Cover, hören wir die Musik von Bohren & Der Club Of Gore. Ist das Feeling vom malerischen Sonnenuntergang nicht auch etwas wert? Etwas, was den vollen Menschenverstand ganz umweglos wieder zeigt, dass es auch Schönheit in dieser Welt gibt? Oder gerade diesen vollen Kopf neusortiert? „Sunset Mission“ ist jetzt vielleicht nicht die Revolution des eigenen Ichs, doch zumindest ist sie letzteres: etwas Gelassenes, Entspanntes im Dickicht einer Welt, die stets in Bewegung zu sein scheint; und ist wohl gerade deshalb auch unter Metalern so beliebt, die zwischen Cannibal Corpse und Brutal Truth auch mal etwas Zurückhaltung wünschen.
Dabei liegt das mit Metal gar nicht so fern. Doch reichen Anfänge und Wurzeln in härteren Gefielden, um im Metal Hammer mit einer Seite gefeatured zu werden? Die Parallele ist wohl eine andere: Bohren sind im Grunde wie Doom, nur bloß verpackt als Minimal Jazz mit anderem Thema. Ist aber auch mal gut so, statt Beerdigungen und Apokalypse die Mitternacht, Sonnenuntergänge oder einsame Bars zu vertonen. Dabei bleiben Bohren gewiss nichts für Leute, die von Musik erwarten, sich in jedem Takt neu zu erfinden. Oder brauchen nicht gerade die mal sowas?
Als einer, der ja gerade auf solche Musik steht und immer nur Aktion und Faszination wollte, stand ich einst vor dem selben Problem. Lange hat’s gedauert, bis ich mit langsamer, minimalistischer Musik so richtig warm wurde; und auch Bohren waren für mich lange bloß vertonte langweile. Erst der Umweg über den Post-Metal hat die Erkenntnis gebracht, dass Faszination eben auch oder gerade in der Länge und in der Tiefe der Musik liegt. Und anders ist es sicherlich nicht auch mit „Sunset Mission“.
32. Portishead – Dummy
„Was ist dein Können Wert, wenn jeder das Gleiche kann / Wenn du depressiv bist macht dein Producer eine Geige an“ rappte der Kölner Retrogott auf der letzten Huss und Hodn, „Der Stoff aus dem die Regenschirme sind“. Da hat er gleich in zweierlei Hinsicht nicht ganz so unrecht. Und da selbst Melancholie mittlerweile austauschbar zu sein scheint und zum Fastfood-Produkt der Musikindustrie verkommt – wo bleiben die Alben, bei denen man noch regungslos auf dem Bett liegt, ins leere starrt und ins Grübeln kommt? Der Dolch einer jeden Depression dürfte wohl zumindest „Dummy“ von Portishead sein. Hier haben sie nicht nur mal eben den TripHop, also die Fusion aus HipHop-Beats und teils poppigen Gesang, erfunden (so sagt man zumindest); zugleich liegt hier ein Klassiker der regungslosen Kälte, der tiefsten Trauer, ja verwenden wir nochmal dieses leidige Wort – Melancholie –, vor. Und dafür brauchen sie keine Geige, keinen abgefuckten Bombast; bloß eine sich ins Herz fressende, zarte, ja schmerzliche Stimme, der man die Trauer auch wirklich abkauft, und ein paar dezente Beats. Das war’s eigentlich schon, eigentlich könnt ich hier Schluss machen. Mach ich auch. Nur eins noch: Die neuste, „Third“, sollte man auch gehört haben. Nicht so übereinsam und trippig wie das Debüt, aber schön gewagt und vielseitig.
31. Altar Of Plagues – White Tomb
Irland, die zweite. Und zerreißt mich in Stücke; diese Platte ist erst aus diesem Jahr. Und jajaja, ich hab die „Sol“-EP gehört. Sie ist super! Aber wirkliches Alltime-Fave-Potenzial hat nur die neue. Es ist unglaublich, wie schnell sich eine Platte, wenn sie denn endlich mal gezündet hat, sich ins eigene Herz fressen, dort einen wesentlichen Teil für sich einnehmen und schon in so kurzer Zeit bei so wichtigen Momenten meines Lebens dabei sein kann. Ich habe nichts erwartet – und wurde umso krasser überrascht. Überrascht von diesem Mammut, dieser unglaublichen, einzigartigen Atmosphäre, die Wolves In The Throne Room NIE hinkriegen werden, sprich diesen homogenen (!!) Mix aus Black Metal und postrockigen Tendenzen, dieser Spannung, dieser Emotionalität, dieser epischen Macht, die in all diesen Songs steckt, die sich langsam aufbaut, die auch mal direkter kommt, mal auch beschwörender, letztendlich aber immer mitten ins Herz trifft und vor allem eines tut: berührt.