Re: Top 50 Alben

Home Foren Maximum Metal Plattenladen Top 50 Alben Re: Top 50 Alben

#3395133  | PERMALINK

Ilo

Registriert seit: 23.09.2007

Beiträge: 13,393

30. Despised Icon – The Ills Of Modern Man

Despised Icon sind ein Traum. Zwei Sänger – der eine besser als der andere -, dickste Breakdowns, beste Hardcore- (!) und Moshparts, technisches Geschick – und dennoch Gefühl fürs Songwriting – und eine stilistische Vielfallt, die alle relevanten Gefilde des Death Metals abdeckt. Das haben zwar viele andere moderne Death Metal Vertreter auch inne; den meisten fehlt jedoch das Talent, dies alles homogen und songgerecht umzusetzen, schmeißen stattdessen alles wild in einen Mixer und schauen, was dabei raus kommt oder wollen halt möglichst br00tal sein – und loten damit die Extreme auf die falsche Art und Weise aus. DI sind anders: Sie sind präzise. Sie wissen, wann was gefordert ist. Sie schlagen eine viel zu seltene Brücke zwischen Tanzbarkeit und ausgeklügelten Songwriting. Auch toll: Sie entwickeln sich. Das mit der Extreme haben sie auch mal versucht, auf dem Debüt, „Consumed By Your Poison“, wobei man hier weniger versucht hat, soviel Krach wie nur gut möglich ist zu machen, sondern eher mehr vertrackt-abstrakt zu tönen. Mit „The Healing Process“ wurde man dann stilistisch offener und letzten Endes mit „The Ills Of Modern Man“ sogar richtig eingängig – zumindest weitestgehend. Denn selbst wenn Nummern wie „In The Arms Of Perdition“, „Furtive Monologue“ oder der Titeltrack zweifellos Hits sind, an denen jeder Part sitzt und jeder dieser zum abfeiern einlädt, so enthält „The Ills Of Modern Man“ auch reichlich Atmosphäre und vor allem Tiefe, die es selbst nach unzähligen Durchgängen noch interessant machen. Man darf durchaus gespannt sein, was uns da in nicht allzu ferner Zukunft noch alles so erwartet.

29. Scarlet – Cult Classic

“Welcome to the world of the manic depressed”

An eine Neuinterpretation von Dillinger Escape Plan haben sich schon viele gewagt. Viele versagten dabei auf ganzer Linie; klangen vielleicht technisch dem Vorbild entsprechend, jedoch ohne einen Hauch von Seele und Eigenständigkeit. Andere wiederum entwickelten den Sound weiter, verpassten ihm neue Facetten, ein neues Gewand. Neben den obligatorischen Ion Dissonance, denen hier noch an anderer Stelle genug Zeit gewidmet wird, sind es vor allem Scarlet, die es geschafft haben, mit ihrer Musik nicht bloß die Extreme auszuloten, sondern diese Grundidee völlig neu zu Interpretieren.

„You need me –
And I need this illusion of safety”

“Cult Classic” ist ein Meilenstein des Pessimismus. Mag sein, dass die hier vorgestellten Missstände vom Kollektiv nicht als gut befunden werden; am Narbenreichtum des Albums ändert dies jedoch hörbar wenig.

„Cult Classic“ pendelt zwischen Anti-Easylistening Mathcore-Geballer und diesen größeren, nennen wir sie, „musikalischeren“ Momenten. Ich glaube man würde lügen, wenn man sagen würde, „Cult Classic“ wäre jetzt DIE Ausreizung der Extreme schlechthin, trotz teilweise schon recht anstrengenden Parts (zumindest für die Gelegenheits-Mathcoreler). Das ist aber auch gut so, denn sowohl Sänger Brandon als auch die Instrumentalfraktion wissen, wann sie mal einen Gang zurück schalten müssen, wann auch mal nebst ungebändigter Aggressionen Atmosphäre von Nöten ist. Das mündet dann schon mal ganz gerne im Pathos – aber immerhin abgefuckt-depressivem.

„Cult Classic“ ist kein perfektes Album. Ich denke es gibt viel an diesem Album zu kritisieren, und ich denke, es dürfte wirklich nur den wenigsten gefallen. Im Grunde, und das kann man dem Album nämlich schon doch vorwerfen, sind es doch gerade diese „großen“ Momente, auf die man wartet. Die Übergänge dahin finde ich größtenteils zwar auch super, schließlich steh ich auch auf solch plumpen Hirnfick, und letztendlich zieht sich auch durch diese diese unglaublich pessimistische Atmosphäre; andere werden hingegen nie verstehen, warum Leute wie Ich oder Serpentine dieses Album so sehr feiern.

28. Death – Symbolic

Tote Musiker sind schon cool. Wie viele verehren nicht Dimebag Darrell als ihren Helden, bespammen nicht die Foren dieser Welt inflationär mit tausenden „R.I.P.“s, wenngleich ihre Beziehung zur Musik oder zu seinem Gitarrenspiel nie die Größte war, oder besser: sie ist erst mit dem Ableben ins unermessliche gewachsen?! Und was ist mit Kurt Cubain: Millionen Jugendliche eifern einem vermeintlichen Idol nach, dessen Schlussstrich nicht nur perfekt gesetzt ist, sondern seinem Hype nochmal den Extraschub verpasste; ihn unsterblich gemacht hat? Oder aktuell Jacko: Wie viele sind plötzlich Fan, wie viele müssen plötzlich eine Thriller-LP Original von ’82 im Regal haben, koste es, was es wolle; es gibt ja Ebay?! Der Mann, der schon ganze Dekaden nichts mehr musikalisch (dafür soll man ihn ja verehren) zu Stande gebracht hat, der nur noch durch Skandale in der Boulevard-Presse von sich Aufmerksam gemacht hat, der wird plötzlich wieder als King Of Pop gefeiert. Und jetzt erinnern sich auch wieder alle, dass er mal den Pop neuerfunden, oder zumindest einen entscheidenden Impuls gegeben hat. Und was ist eigentlich mit Chuck Schuldiner?

Nun, der Mann war oder soll (zu der Zeit haben mich eher Matschbox und Lego interessiert als prägende Death-Metal-Geschichte) schon zu Lebzeiten prominent gewesen sein, zumindest in seiner kleinen, brav wachsenden Szene. Er war der ja auch immer einen Schritt voraus: Mit „Scream Bloody Gore“ reihte er sich neben Bands wie Morbid Angel oder Possessed zu den Vorreitern der alten Death-Metal-Schule, mit Alben wie „Human“ gehörte er zu den ersten, die technischer worden; später dann auch progressiver, wie beim den Kreis sehr ordentlich schließenden „The Sound Of Perseverance“ – dann war ja erstmal Schluss, Anfang dieses Jahrtausends, so oder so, und Chuck konzentrierte sich auf sein neustes Baby, „Control Denied“. Das Phänomen Death war also so oder so abgeschlossen, er hatte alles gesagt und jetzt wollte er sich anderen Dingen widmen. Hätte man sein Lebenswerk nicht also so oder so in den Himmel gehuldigt? Erstmal: Ja. Jeder, der bei den Anfängen dieses Genres schaut, (fast) egal welcher Subgliederung, der muss unweigerlich auch auf Death schauen. Aber letztendlich ist es auch hier nicht anders, und sein trauriger, da trotz kräftigster Bemühungen (Benefiz-Konzert…) nicht abwindbarer Gehirntumor-Tod hat ihn endgültig die Legenden-Krone aufgesetzt. Aber: Sie ist verdient.

Genug Geschichtsstunde; kehren wir lieber zurück ins Jahr 1995 und preisen einer seiner glorreichsten Werke, „Symbolic“. Eigentlich war es kein besonderes Album (für Death-Verhältnisse), es entsprang inmitten einer Zeit in der Schuldiner und seinen stetig wechselnden Mannen sich langsam einem technischeren, progressiveren Sound zuwandten. Nun, der Große Sprung zum technischem gelang schon mit dem Vorgänger „Human“, an dem auch spätere Cynic- und Atheist-Mitglieder beteiligt waren; richtig progressiv wurde man erst danach, mit dem wohl uneingängisten Werk der Band, „Individual Through Patterns“ . Was zeichnet also „Symbolic“, welches schon damals von der Fachpresse bloß als weiteres, wenn auch sehr gutes Album abgetan wurde, so aus? Nun, wie so oft in dieser Liste muss ich mit folgender Begründung kommen: Weil’s halt die Stärken der Band noch am besten vereint! Ist halt die perfekte Mitte aus Technik, intelligentem Songwriting und bösen Geballer.

Was „Symbolic“ vor allem so stark macht sind die wirklich schön ausgearbeiteten, von tollen Momenten nur so um scharrten Songs. Vom legendären Eröffnungsriff über so große, epische Stücke wie „Zero Tolerance“ oder „Empty Words“ – es ist erstaunlich, mit was für eine Liebe und Hingabe, aber auch Power diese Stücke versehen sind. Was spätere Death vor allem von all den vielen mittelprächtigen Tech-Death Combos da draußen unterscheidet, ist einfach das so perfekt (weil so ist es einfach) ausbalancierte Songwriting was genau weiß, wann es härter, wann harmonischer sein soll. Und dann noch Chucks Gitarrenspiel: Immer das richtige Gefühl für tolle Riffs – auch wenn schon mal ein durchschnittliches dazwischen rutscht, das ist mir (jaja, Blasphemie, blablabla) vor allem beim, wenn auch großartigen, Vorgänger „Human“ aufgefallen. Und in Sachen Soli hat sich der Herr im Laufe seiner Karriere auch ordentlich gesteigert, von einstigen wilden Frickeleien sind es auf „Symbolic“ vor allem die schön melodischen, mitreißenden, die den Atem stocken lassen (pah, wer übertreibt nicht, wenn er diese Formulierung verwendet, haha!).

Ganz rückratlos also mal ein dickes „R.I.P.“ und alle Huldigungen an die wohl wichtigste, für mich aber noch heute beste Death-Metal-Band ever und den verstorbenen Altmeister persönlich. Sie haben es verdient!

27. All Shall Perish – The Price Of Existence

Ich glaube, ich habe in meiner Vergangenheit kein Album so oft gehört wie dieses. Und es will sich auch einfach nicht tot hören. Klar: der Reiz ist heute maßgeblich verblasst, ich höre sie mittlerweile auch nur noch selten, kann mir solches Zeug auch nur noch in manchen Stimmungen geben; der Genialität und Hitdichte dieses Klassikers werd ich mich wohl nie entziehen können. Maßgeblich verantwortlich dürfte dafür wohl Chris Storeys Gitarrenspiel sein, welches zwar technisch flexibel und spektakulär, jedoch auch melodie- und gefühlsbetont daher kommt. Schade, dass er sich nach dem drittem Album bereits aufgrund persönlicher Differenzen verabschiedet hat; sein Spirit war immer einer der Hauptgründe, warum sich All Shall Perish so vom restlichen Deathcore-Zirkus gelöst und unterschieden haben – obgleich der Rest der Band auch ungemein talentiert ist.

Letztlich bleibt zu sagen: „The Price Of Existence“ ist einer der Werke, um die man nicht herum kommt, wenn man sich für Deathcore interessiert, weil man schon hier recht früh diese Symbiose aus Breakdowns, Moshparts und Death-Metal-Elementen auf hohem Niveau und gänzlich klischeelos perfektioniert. Und neben der Despised Icon Diskographie und der „Doom“-EP von Job For A Cowboy (die ich, wie mir gerade auffällt, völlig vergessen habe) einer der Werke, die mir für dieses Genre eigentlich schon völlig reichen – mehr braucht man eigentlich echt nicht.

Und den phänomenalen, tiefemotionalen und gänzlich unerreichen Rausschmeißer „The Last Relapse“ wollt ich auch nochmal erwähnt haben…

26. Intronaut – Prehistoricisms

Ich frage mich immer wieder, wie die Musik von Intronaut so Live wirkt. Ist das Musik, dessen Kraft man im Pit auslebt – oder die man tankt, im beobachtenden, meditativen Sinne? Bei üblichen Genrevertretern wäre sicherlich letztere Option die einzig wahre. Doch irgendwie ist diese Neurosis-/Cult-Of-Luna-/Isis-Neuinterpretation völlig anders; sie ist so Spannungsgeladen, und doch so gelassen wie auch atmosphärisch.

Es sind Riffs, die voller Kraft sind, die regelrecht brettern, jedoch so wirklich nie explodieren. Das mag vor allem am erfrischend dominanten Bass liegen, der selbst in den härteren Passagen oft die Führungsposition einnimmt, jedoch eben auch den ruhigeren einen schicken Anstrich verpasst. In jedem Falle gibt es der Musik etwas weiches, fast schon etwas jazziges, aber auch Schwebendes. Die Gitarren ergänzen dieses Fundament trefflich und glänzen durch Vielfallt und Gefühl, und selbst den Drums wird der nötige Raum gelassen, ja, selbst Drumsoli funktionieren hier, fügen sich perfekt in einen Kontext, der mal überraschend direkt daherkommt, mal aber auch so völlig sorglos und frei sich zur Schau stellt und zum psychedelischen Träumen einlädt. Den Song vergisst man dabei jedoch nie, denn trotz aller Abwegigkeiten sind die Songs stets mit magischen Momenten gefüllt und wissen, wann sie wieder Gas geben müssen, wenn man zu sehr abgetaucht ist; abgetaucht in dieses Wechselbad der Gefühle, diese besondere, teils schon wüstenartige Atmosphäre (man beachte auch das Cover), die immer wieder aufs neue fasziniert.