Re: Top 50 Alben

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Ilo

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20. Joy Division – Unknown Pleasures

Was an Joy Division so faszinierend ist, ist im Grunde etwas, über das man sich nicht freuen sollte, ganz im Gegenteil. Die Feststellung ist zugegebener Maßen sehr morbid, aber die Tatsache, dass sich Ian Curtis nach seinen zwei Meisterwerken „Unknown Pleasures“ und „Closer“ umgebracht hat, macht die Musik erst so faszinierend. Klingt übertrieben, ist es sicher auch irgendwo; doch nur so versteht man die Kälte, die Leere all dieser so prägenden Post-Punk/New-Wave (man nenne das Kind nach Belieben) Kompositionen.

Dabei fängt das Ganze noch recht normal an. Zwar singt Ian bereits früh mit zum einem einer sehr krassen Intensität (seine Stimme überschlägt sich förmlich), zum anderen eben auch dieser gewissen Gelassenheit und Ruhe. Dennoch wirkt „Disorder“ noch nicht allzu beklemmend. „Where will it end?“ heißt es dann im zweiten Akt, es bahnt sich langsam an; treibende Bassläufe (die Musik ist generell EXTREM bassfixiert, die Gitarren ergänzen eher) wie Gitarren geben die Richtung vor. Es ist nicht unbedingt Melancholie, zumindest nicht direkte, die sich hier breit macht; vielmehr pure Leere. „She’s Lost Control“ mit markanter Bassline setzt dem nochmal einen drauf, verliert in der dunkelsten Ecke des Zimmers, die es nur finden kann. Einer meiner persönlichen Favoriten, „Shadowplay“, wird dann wieder rockiger, besticht durch ein einfach nur wundervolles Gitarrenriff, generell wird wieder etwas mehr der Richtung gefrönt, die zeigt, dass Joy Division auch anders sein können. Dass die Band oder zumindest Ian Curtis aber nicht anders sind/ist, dass das, was in seiner Seele da vorgeht, pure Einsamkeit und Leere ist (ja, ich verwende das Wort zu oft), zeigt dann aber das Ende. „I Remember Nothing“ ist wie der musikalische Beleg dafür, warum sich Ian erhangen hat, zumindest klingt es so; man ist sofort Gefangen von der Schwärze und der Enge dieser Komposition; wie gefesselt ist man vom Schmerz, und erst mit dem Ende des Songs ist man befreit.

Kaum zu glauben, dass das hier gelieferte bereits Ende der 70er erschienen ist. Hochaktuell immer noch ihre musikalische Bedeutung, weit voraus war man seiner Zeit (ich denk bei der Musik ja eher immer an die düsteren 90er als die kunterbunten 70er und 80er), und inspirieren tut man noch heute. Dabei war, was Joy Division geschaffen haben nie der unmittelbare Versuch, anders zu klingen; dieses „andere“ entsprang bloß einer Gefühlswelt, die kurz vor dem Zusammenbruch stand; einer Hoffnungslosigkeit gegenüber dieser Welt.

19. The God Machine – Scenes From The Second Storey

Inmitten des obligatorischen Grunge-Hypes, zwei Jahre nach „Nevermind“ und einem großen Umschwung in der Musikindustrie blieb vor allem eine Band unverdient unbemerkt. Waren The God Machine schon zu weit für Mainstreamohren? Waren sie zu unkonventionell? Während Nirvana es schafften, ein ganzes Genre groß zu machen – und mit ihrer Auflösung und dem Kurt Cobain Suizid dieses auch wieder zu Grunde richteten – gingen The God Machine weiter, vereinten noch mehr Elemente zu einen völlig neuen, eigenen Stil. Nur hatten Nirvana mehr Glück, hatten bei weitem eher den Sound, den sich der MTV-Stereotyp dieser Tage wünscht, und konnten so diesen auch durchsetzen; The God Machine hingegen versunken in Vergessenheit, bevor sie überhaupt von der Musikwelt wahrgenommen wurden.

Dabei steckt in ihrem Magnum Opus doch soviel mehr. Während man den typischen, ungeschliffenen Sound des Grunge wohl als Basis nennen darf, so muss man auch auf die vielen anderen kleinen und großen Referenzen aus verschiedensten Genres hinweisen. Von dem schleppenden Charakter des Doom Metals und Sludge über die Anleihen zum Postpunk bis hin zu Tendenzen, die irgendwo auch was postmetallisches haben. Man könnte ewig so weiter machen. Die Liste der Einflüsse ist gewaltig; gewaltiger nur das Resultat und vor allem dieser Stil, der trotz allem doch so homogen klingt. Denn merkt man ihnen auch an, dass die Palette der Einflüsse bis ins unendlische reicht, so ist es schwer diese zu konkretisieren; es wird nicht zitiert, es wird ein völlig neuer, eigener Sound erschaffen.

„Scenes From The Second Storey“ ist dabei aber in erster Linie ein melancholisches, tiefsinniges Album mit ganz großer Atmosphäre und noch größeren Momenten, welches gar nicht den Anspruch daran legt, so eigen zu klingen wie es klingt. Denn da haben wir auch Nummern wie „It’s All Over“, die völlig ohne Experimente auskommen, in diesem Fall einfach eine am Herz nagende Ballade sind und nur dadurch so berühren, weil sie vor allem eins sind: Ehrlich. Gerade dieser Nummer ist ein Paradebeispiel dafür, wie sehr das amerikanische Trio ihr Handwerk versteht: So zerreißend, so traurig ist keine Ballade, die ich je (!) in meinem ganzen Leben gehört habe. Auf der anderen Seite gibt es dann auch wieder einer dieser psychedelischeren Nummern. „The Desert Song“ – passender kann man einen solchen Song gar nicht nennen. Hypnotisierende, verstörte Riffs, die einen im Laufe der Zeit in die Enge treiben. Oder eher straightes Grunge Futter, welches jedoch so gut gespielt und arrangiert ist, dass man es klar vom restlichen Grunge-Stoff abgrenzen muss. „She Said“ ist so eine, gewinnt wie ein Schneeball den Berg runter rollend immer mehr an Größe und ist am Ende nicht weniger als die pure Apokalypse der Intensivität. Herzstück des Albums ist jedoch der 16 Minuter „Seven“. Auch hier fressen sich The God Machine immer weiter ins Gemüt, bis sie irgendwann am absoluten Nullpunkt angekommen sind: „I don’t exist“. Streicher und final Klavier verabschieden in den letzten Stücken dann dieses auf diesem Gebiet unerreichte Album.

Nur ein Jahr später löste sich die Band bereits wieder auf: Bassist Jimmy verstab tragisch an einem Gehirntumor. Heute ist Gitarrist/Sänger Robin Gründer einer Plattenlabels und Mitglied in der Band Sophia, Drummer und Keyboarder Ronald dreht und produziert Filme.

18. Cubbiebear – The Rape


„The Rape, is not referring to sexual assault. It relates to how the music industry rapes us as artists.”

Erstmal: Was soll der Name? Wie kann sich ein HipHop-Künstler, nein; wie kann sich SOLCH EIN HipHop-Künstler so nennen? Kein Wunder, dass der gute von der Musikwelt immer noch leichtfertig umgangen wird. Dabei hat er so viel zu sagen.

Lyrisch wie als Producer. Während sich die meisten lieber der alten Schule anvertrauen, was ja auch völlig OK und legitim ist, geht Cubbiebear weiter; und gehört neben vielleicht Dälek zu den wenigen HipHop-Artists, die es nicht nur schaffen, eine Brücke zwischen Noise und HipHop zu schlagen, sondern auch, dass dies gelingt. Ihn als Dälek-Plagiat abzustempeln wäre jedoch völlig falsch, ist doch allein schon sein Stil viel mehr Sage Francis als beispielsweise Public Enemy oder Gang Starr. Und während Dälek entweder auf verstörte Sounds oder dicke Soundwände setzt, vertraut Cubbiebear (waaah, dieser Name!!) lieber auf Offbeats, Tempo, Intensität. Ja, Intensität ist das richtige Wort: Es ist das Schneeball Prinzip, es mutet böse an, doch gerade Nummern wie „Ink“, der Titelsong oder „Kick Rocks“ rollen immer weiter; selbst, wenn die Hemmschwelle zur Explosion eigentlich schon überschritten ist. Allein deswegen dürfte auch „The Rape“ gerade Metalern zusagen – zumindest, wenn immerhin ein wenig Affinität zum HipHop gegeben ist.

„The Rape“ ist einer der spannendsten HipHop-Platten der letzten Jahre, ja vielleicht sogar überhaupt. Es sind diese Gänsehaut-Momente, es sind aber auch diese straighten, unnosigen Passagen wie auch die ruhigeren, die Cubbiebears Debüt zu etwas ganz besonderen machen. Und selbst, wenn man glaubt, alles, ja erlebt (!) zu haben, so setzt der gute immer noch einen drauf. Hört beispielsweise das obligatorische Finale, das episch anmutende „Number One“ – mit einer Stimme, die man so in diesem Genre einfach nicht gewöhnt ist – einfach, weil sie allein schon durch ihren Klang berührt. Apropos: Stimmlich ist das Ganze ebenfalls ganz groß. Cubbiebears Performance dürfte sogar damit den ganzen Screamo-Nerds zusagen, die nur auf das bisschen Zerbrechlichkeit und Emotionalität warten. Aber auch alle anderen: Kauft euch diese Platte. Rahmt sie euch ein, schreibt Lobeshymnen über sie, verbreitet sie. Dieser Mann hat noch Großes vor sich; und hoffen wir, dass seine Botschaft dann nicht ins leere hallt.

17. Deftones – White Pony

Hach ja, eine solche Liste kommt kaum ohne dieses Album aus. Irgendwie haben Deftones nur Glück: Jeder mag sie, jeder verehrt sie. Für jeden sind sie die kleine Ausnahme, die kleine Sünde, die man sich doch mal gönnen darf, des Nu Metals; gleichzeitig gehören sie zu den ganz ganz wenigen überlebenden dieses Sounds (und bringen selbst heute noch top Alben raus). Jeder sieht in ihnen mehr, jeder verehrt ihren speziellen, düsteren Sound. Chino kann dazu nicht nur böse fauchen, er kann auch liebevoll, gar romantisch singen, er gibt den Songs Wiedererkennungswert. Und die Songs sind teils düster und gewaltig, meist aber dennoch eingängig, sodass selbst das kleine Nirvana-Girly aus der Parallelklasse Gefallen dran findet. Und mit „White Pony“ findet sich dann gleichzeitig auch noch ein Album, welches all dies verbindet, welches Psycho-Romantik auf Psycho-Anfall folgen lässt, welches schön angenehm glatt produziert ist und wo Hit auf Hit folgt. Halbwegs übel nehm ich ihnen aber nur das mit der Produktion, aber selbst die ist schon ok wie sie ist.

Ja, und auch ich bin ihrem einzigartigen Charme verfallen. Sehr sogar. Aber wie will man denn anders, wenn Musik so einen hohen Wiedererkennungswert besitzt, wenn Musik so mitreißt, zu manch Stunde so gut passt?
Und sie gehören auch zu den wenigen, die bei mir Refrains singen dürfen. Wenngleich das auch hier nicht immer klappt: jede Deftones-Platte hat 1-2 Durchhänger. Geschenkt. Dafür klappt’s an anderer Stelle umso dicker, umso mitreißender. Und dafür hat ihr Sound abseits dessen noch genug Ecken und Kanten, genug Facetten, genug Faszinierendes – und passt perfekt in mein verstörtes musikalisches Weltbild.

Mit Chino hat man dann gleichzeitig auch noch einer der charismatischsten Sänger überhaupt am Start. Will den nicht jeder in seiner Band? Er kann toll singen, trällert aber nicht bloß kitscherfüllt daher; es klingt kaum minder abgedreht als sein, und da kommen wir schon zum nächsten Punkt, spastisches Rumgebrülle. Für dieses hat sich der Gute auch gleich einen ganz eigenen Stil entwickelt, klingt vielleicht nicht immer hundertprozentig kontrolliert – wie auch beim Singen – aber das ist auch gut so. Dieses Schiefe passt nämlich trefflich zu den monstertiefen, fiesen Gitarren. Diesem Wunderknaben kann für mich nur noch einer das Wasser reichen: Maynard Keenan, bekannt als Aushängeschild von Bands wie Tool oder A Perfect Circle. Huch, und da ist er auch schon, „Passenger“, als ob Chino beweisen wolle, er fürchte keine Konkurrenz. Wer jetzt hier den besseren Part abliefert ist freilich schwer zu sagen, fest steht aber dass die beiden sich prima ergänzen und kaum besser auf dieses von Melancholie und Schauer nur so besetztes Album passen könnten.

Zuletzt noch ein Nachtrag: „White Pony“ macht nur knapp für mich das Rennen, „Around The Fur“ bedeutet mir ähnlich viel und auch „Saturday Night Wrist“ kann viel. Letztendlich viel die Wahl jedoch auf „White Pony“, da hier, wie oben gesagt, der beste Spagat aus allem, was die Band ausmacht, gelingt, weil die Atmosphäre als Ganzes am stimmigsten und stärksten und die Hitdichte am größten ist (wenn ich Aufzählen müsste, müsste ich so gut wie jeden Song nennen).

16. Massive Attack – Mezzanine

Bereit für etwas Blockbuster-Bombast? Nicht umsonst ist der legendäre Auftakt des Albums, „Angel“, eine populär zitierte Nummer für die ganz besonderen Momente in Filmen, beispielsweise im glorreichen Gangster-Epos „Snatch“ (geiler Film, by the way): als der Wohnwagen mitsamt Mutter des nuschelnden Boxers und (nicht Haupt-)Protagonisten in Flammen steht, und er, gehalten von den umstehenden Herren, sie zu retten versucht; letztendlich der Tragik aber nur noch zusehen kann. Ganz so dramatisch ist die Platte dann doch nicht, eigentlich ist sie sogar recht dezent und minimal gehalten, ja es sind sogar recht geradlinige Trip-Hop-Nummern. Und doch: Die Stimmung, die „Mezzanine“ verkörpert, oder besser die Stimmungen, die gerade durch die sehr verschiedenen Sänger auf den düsteren, schleichenden Beats verkörpert wird und werden, sind von großer Macht.

Es ist eine Stimmung, die vor allem zu Filmen wie „Fight Club“ passen würde, oder Spielen wie „Splinter Cell“, oder einfach zum eigenen Film namens Leben; der dann natürlich optimal Nachts in einer U-Bahn – oder so – spielt. Aber nicht umsonst sind Massive Attack gefragt wenn es um Filmsoundtracks geht, zuletzt beispielsweise noch in „Gomorrha“. Ihr Stil ist markant, ihr Gefühl für düstere Beats, manchmal sogar mit leicht orientalischen Hauch, ist wegweisend. Außerdem recht unverbraucht, tatsächlich wünscht man sich hier doch mal das ein oder andere Plagiat – sogar ihrer selbst. Zu selten klangen und klingen Massive Attack so intensiv wie hier.