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Erst lesen, dann meckern!
6. Meshuggah – Obzen
Das besondere an Sieben- oder Achtsaitern, wie sie Meshuggah, aber auch beispielsweise Ion Dissonance oder meinetwegen auch die etwas verkannten Kollegen von Admiral Angry, die auf diesen Sound besonders Wert legen, verwenden: es klingt so anders, so…so außergewöhnlich, überwältigend. Den ganzen Tag hört man Sechssaiter in den immer gleichen Tunings – und auch so ein Drop B (schon verdammt tief) lockt keinem mehr so wirklich vom Ofen – und dann sowas. Vielleicht stehe ich mit dieser Erkenntnis ziemlich alleine da (zumindest in meinem unmittelbaren Umfeld, welches bei bloßer Erwähnung dieser Teile schon schreiend davon läuft), aber mich haben sie mitsamt ihres speziellen Sounds, immer fasziniert. Und da erwischt man sich auch immer mal wieder dabei, beispielsweise inmitten eines Meshuggah-Songs, wie man nur der ungebändigten, schweren Kraft einer solchen Gitarre nicht nur lauscht, nein gar ausgesetzt ist. Und dann auch noch Meshuggah. Muss man über diese Band noch ein Wort verlieren? Viele halten sie ja für gnadenlos überbewertet, andere für die wohl großartigste und eigenständigste, unkopierbarste (ein Plagiat jagt das nächste, und auch After The Burial hauen mich nicht um) und ja faszinierendste Band dieser Zeit. Und die Wahrheit liegt ausnahmsweise mal nicht in der Mitte, haha! Sie als die Besten zu feiern mag vielleicht ein hartes Stück sein (Subjektivität und so), dass ihr Stil aber zu den ganz ganz ganz ganz gaaaaaanz ganz wenigen dieser von drittklassigen und uninspirierten Bands nur so überfluteten Welt gehört, der einfach in keine Schublade passt und dem man auch tunlichst nicht kopieren sollte (wie gesagt: jedes Plagiat dem Tode), daran ist wohl auf jeden Fall etwas dran. Und faszinierend sind sie ja, zumindest für mich, wie oben geschildert ohnehin, das steht außer Frage.
Aber warum eigentlich? Achtsaiter benutzen ja jetzt immer mehr, werden folglich auch immer häufiger hergestellt und selbst im popligem Nebenprojekt des Misery-Signals-Sängers Carl finden sie mittlerweile Verwendung. Also: Was bleibt sonst? Nun, zum einem diese Polyrhythmen, diese vertrackten, abwegigen, ich-wage-gar-nicht-mehr-den-Gebrauch-des-Worts „Riff“-Riffs, was natürlich auf Basis dieser schwergewichtigen Klampfen, die ja doch immer noch was besonderes sind (und eben auch noch bei jenem popeligen, aber by the way trotzdem sehr netten Nebenprojekt) besonders Spaß macht. Aber generell schon diese Atmosphäre des Wahnsinns. Dem Höhepunkt dieser Entwicklung setzte dabei zuletzt noch „Catch 33“, dieses großangelegte, hypnotisierend-dissonante Einsong-Album-Projekt. Oder die letzte, „Obzen“, der ich, nach all dem Drumherum, jetzt eeeeeeeendlich doch noch ein paar Worte gönnen möchte.
Also Obzen. Warum eigentlich ausgerechnet die? Das Teil ist vielleicht nen Jahr draußen, und wenn man so Riesendinger , so Klassiker wie „Destroy Erase Improve“, „Nothing“ oder eben genannte „Catch 33“ in der Hinterhand hat; ja, warum dann die? Nun, um es in einem Satz auf den Punkt zu bringen: „Obzen“ ist von all diesen, ja auch aus meiner Sicht Meisterwerken wohl doch das als ganzes Album schlüssigste, aber auch spannendste und faszinierendste – noch vor „Catch 33“. Wenn man mich fragt haben Meshuggah hier nicht nur all ihre Stärken zu einem großen Ganzen gebündelt; viel mehr spricht hier der Wahnsinn noch am lautesten; er schreit gar.
Und dann die Songs. Mit „Combustion“ kommt als überraschender Eröffnung mal eben ihr geradlinigster und thrashigster Song seit vielleicht 15 Jahren daher – und es klappt. „Electric Red“ klingt dann schon wieder mehr 2008, lässt einen ersten Hauch von Apokalypse ins Zimmer. „Bleed“ – für viele DAS Aushängeschild der Platte, im Herzen aber eigentlich ebenso vom eigentlichen Album abwegig wie der Opener, da als Song deutlich unvariabler als das Restprogramm, auf monotone Dissonanz wertlegend. Aber sein wir ehrlich: Gibt es hier überhaupt eine klare Linie? Einzig und allein diese apokalyptische Stimmung, die wir in dieser Intensivität zuvor nie von dieser Band vernommen haben (und das will schon was heißen), die zieht sich bis zum Ende durch. Und wie „Pravus“ mit donnernder Kriegstrommel das Ende beschwört, so kommt es – „Dancers Of A Discordant System“. „We trust, so we’re betrayed“ – nie standen Meshuggah näher am Abgrund der Welt. Aber sie fallen nicht; felsenfest stehen sie da, im Auge des Turms, und sie kämpfen weiter. Oder sind sie nicht doch der Sturm selbst?
Klar: Jedes Werk dieser Band hat etwas Besonderes. Viele werden mir auch mit dieser Rezension wiedersprechen, viele halten „Obzen“ auch bloß für ein „weiteres, gutes“ Album dieser Band. Ich hingegen sehe aber hier – ähnlich wie bei der oft vergessenen „I“-EP – eine klare Unterbewertung. Ein Album, das mich zum einem derart fesselt, zum anderem aber auch so fasziniert, das etwas so Besonderes und Eigenständiges inne hat, ein solches Album habe ich selten gehört. „Obzen“ verleiht das Gefühl von Unbesiegbarkeit, bringt das Herz zum stottern; ist von Anfang bis Ende pure Intensität – und damit, durch diese besondere Energie, die es in mir freisetzt, nicht umsonst sowohl mein Lieblings Meshuggah-Album wie einer meiner wichtigsten Platten überhaupt. Echt jetzt.