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2. Misery Signals – Of Malice And The Magnum Heart
„Wenn wir jung sind, denken wir schnell, das alles wäre das Ende, doch das stimmt nicht. In Wirklichkeit ist es gerade erst der Anfang.“ Etwas zynisch, mit einen Zack-Affren-Filmzitat die Nummer 1 einzuleiten, oder? Dennoch hat mich gerade dieses Zitat irgendwie angesprochen. Selbst wenn der dazugehörige Film „17 Again“ mal wieder Hollywood von der Stange zeigt – irgendwie ist da schon was dran. Wie schnell verliert man nicht im Dickicht der Adoleszenz den Überblick, wie schnell ist man nicht von ihr überfordert? Eine, die es war, und zugleich zu früh aufgegeben hat, war eine gute Freundin von mir. Und nicht nur das: Ich habe sie geliebt.
Was darauf folgte, war klar. Ein schleppender Winter, ein depressiver; ein träger, langatmiger. Man verdrängt unterbewusst was man im Leben eigentlich hat, vergisst den Sinn all dieser Kämpfe. Als einziges Wrack lief ich durchs Leben, vernachlässigte Schule, vernachlässigte Hobbys; lag den ganzen Tag bloß auf der Couch und habe mir stattdessen Staffelweise Serien reingezogen. Oder „Of Malice And The Magnum Heart“ von Misery Signals. Wenn die Welt um einen umlängst untergegangen ist bedarf es keine Weltuntergangsmusik mehr; es bedarf einen positiven Antrieb. Misery Signals liefern ihn auf ihrem Debüt. Und wie.
„…to hear you laugh one last time.“ Nie ließ sich aus Melancholie so viel Kraft ziehen, nie bedeuteten Texte mir mehr, sprachen mich so sehr an. Es waren keine vertrackten Dichtungen, keine blumigen Aufsätze, deren inflationärer Gebrauch von englischen Fachbegriffen Leo.org in die Taskleiste zwang; es waren ehrliche, direkte, dennoch aber schön formulierte Texte, die aus einer Phase sprechen, die jeder von uns, wenn auch immer anders, aber vor allem immer wieder, erlebt. Doch Herzschmerz wird nicht mit Geige und Kuschelrock kuriert; viel eher durch lebendige, energische Musik – zumindest bei Menschen wie mir. Positive Mental Attitude – selbst, wenn der Zeigefinger nicht aufs übliche Szenengewäsch, sondern auf die persönliche Erfahrung, die persönlichen Emotionen zielt.
„A Victim, A Target“ – weit holen sie da aus. Von Sekunde eins an auf dem Sprung, aber noch nicht im Sprint. Ein sehr ausdrucksstarker Akkord begrüßt uns da, Jesse singt nur wenige Zeilen, jede wohl überlegt und gehalten. Von da an geht es los: Größtenteils Hardcore-Riffing, viel Stakkato, aber auch die mehr oder weniger typischen, jedoch nicht unbedingt schwedischen Gitarrenmelodien; hier mal eine Akustik-Gitarre, da mal etwas Romantik; emotionale Shouts mit dezenten Spoken Words, anfangs noch nicht wirklich hervorstechend, später durch recht markante Betonung jedoch sehr sympathisch; ein homogenes Wechselbad der Gefühle aus Energie und Harmonie. Man könnte sie als die Opeth des Metalcores schimpfen, zumindest auf den wirklich ersten Alben, wo Cleargesang – wie hier – noch die Ausnahme macht. Progressivität gibt’s hier und da, jedoch nicht ganz so stark wie auf den beiden darauffolgenden Alben, hier regieren noch eher die Hardcore-Tendenzen – mit passend schön organischer, differenzierter, dennoch aber dicker Produktion. Abgerundet wird das ganze durch einen schön den Kreis schließenden, jedoch dennoch sich vom Album gut genug abhebenden Rausschmeißer. „Difference Of Vengeance And Wrongs“ zeigt Misery Signals von einer ganz anderen Seite, mit herzzerbrechender, klarer Stimme und sanfter Instrumentalisierung; letztlich aber immer noch Misery Signals.
Mit Converge und Ion Dissonance in der Konkurrenz fiel die Wahl wahrlich nicht leicht. Doch zwischen diesen beiden Referenzwerken einer Musik, die so dermaßen kaputt und verstört ist, zwischen diesen wollte ich doch ein eher bzw. sehr optimistisches Album an erster Stelle haben. Denn letztendlich zeugt dieser aufbauende Faktor neben all den Stimmungen, in die man sich so gerne vertieft, die einen, ja so faszinieren, doch von meister Bedeutung: Den Wert von Musik als Selbsttherapie.
Ach ja: Und ich hoffe, mir wird hier mit dieser Rezension keine Wichtigtuerei angeheftet (und ich muss auch zugeben, dass sich mir beim Korrekturlesen schon öfter mal die Nackenhaare aufgetan haben, weil das ganze schon sehr krass die Grenze des Privatem schrammt und viel von Selbstinszenierung hat). Mir ging es jedoch nur darum, klar zu machen, warum gerade dieses Album so einen besonderen Stellenwert für mich hat.
Aber mooooooooooment mal! Das ist doch gar nicht die Nummer 1!? …