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PervitinSehr interessante Liste bis jetzt, die auch sehr schön geschrieben ist. Von vielem habe ich vorher nie was gehört, da werde ich bei einigen Sachen sicher noch genauer reinhören. Und du hast mich daran erinnert, dass ich eindeutig mehr von PJ Harvey brauche!
Brauchst du, definitiv. Braucht eh jeder. :8)
Und danke für die Blumen! 🙂
Die Labertasche schlägt wieder zu:
31. This Mortal Coil – Filigree & Shadow
Mit dem 1986 erschienen Nachfolger von „It’ll End In Tears“ rückte das Projekt der 4AD-mehr-oder-minder-Prominenz (Elizabeth Fraser und Lisa Gerrard waren nicht mehr dabei, ein Umstand, den man ob des erstklassigen Gesangs jedoch verschmerzen konnte) ein Stück weit aus dem Fokus der Aufmerksamkeit; klar, hatte man hier doch auch nicht das ungeheure Glück, die namenlosen Komponisten einer Hintergrundbeschallung für Parfümwerbung zu sein *hust*. Doch es liegt gewiss auch daran, dass This Mortal Coil mit ihrem Zweitwerk deutlich unzugänglicher und experimenteller wurden. Die klassischen und weltmusikalischen Ansätze des Vorgängers wurden weiter ausgebaut und es kam ein starker Electronica-/Ambient-Einschlag hinzu, die klassisch strukturierten Songs drängte man in den Hintergrund. Songs wie „Tears“, das Nina Simone-Cover „My Father“, „I Want To Live“, das wunderschöne „Morning Glory“ und das leidenschaftliche, leicht rockig angehauchte „Strength of Strings“ mögen im Gegensatz zu den experimentellen Soundcollagen und klassischen Interludien auch einzeln Sinn ergeben, entfalten sich jedoch erst als Bestandteil der in 25 nahtlos ineinander übergehende Teile gegliederten Symphonie „Filigree & Shadow“. Obwohl man sein musikalisches Spektrum beträchtlich ausweitete (was sich auf dem sehr guten Nachfolger „Blood“ manchmal zu Lasten der Homogenität auswirkte), ist diesem Umstand eine bemerkenswerte in-sich-Geschlossenheit zu verdanken. „Filigree & Shadow“ wirkt außerdem besonders zum Ende hin deutlich dunkler und melancholischer als sein Vorgänger; was dort nicht wirklich zu Ende gedacht wurde, nimmt beim von Wire-Sänger Colin Newman arrangierten „Alone“, dem beklemmend pulsierenden Instrumental „The Horizon Bleeds And Sucks Its Thumb“ sowie dem neurotischen, Funk-lastigen Talking Heads-Cover „Drugs“ Überhand. Dadurch gewinnt „Filigree & Shadow“ gegenüber „It’ll End In Tears“ zusätzlich an Tiefe. Auch in Sachen Produktion hat man deutlich Fortschritte gemacht: dass das Album nunmehr über 20 Jahre auf dem Buckel hat, hört man ihm ob der klanglichen Sauberkeit und Transparenz keineswegs an.
Ein zeitlos schönes Album – das Meisterstück von This Mortal Coil.
http://www.youtube.com/watch?v=01o6AB8MKyg
http://www.youtube.com/watch?v=usYEImDgztM
http://www.youtube.com/watch?v=vlWJozNRVHw
30. Siouxsie and the Banshees – Peepshow
Haben sie sich erstmal ihre Schublade geschaffen, kamen sie da nur schwerlich wieder raus: nach „Juju“ begannen die Banshees zu experimentieren und sich vom selbst miterschaffenen Gothic-Begriff zu distanzieren, mussten sich jedoch trotz anderer Ambitionen immer an Szene-Ansprüchen messen lassen, durchbrachen nie die auch selbstauferlegten Barrieren. Mit einem kokettem Blick und einer galanten Handbewegung des Openers war damit jedoch Schluss. „Peek-a-Boo“ ist eine völlig untypische Halloweenreim trifft Disco trifft Kabarett-Nummer, die von frühen Anhängern der Band sofort leidenschaftlich gehasst wurde, die Band einen großen Teil ihrer Authentizität kostete und letztendlich eine völlig neue Herangehensweise ermöglichte. Willkommen im dunkelbunten Märchenschloss zur Peepshow/Rocky Horror Picture Show von Siouxsie and the Banshees! Das leicht an „Spellbound“ von „Juju“ erinnernde „The Killing Jar“ und „Burn-Up“, das gleichzeitig nach Rodeo und Disco klingt, sind luftige, leichtfüßige, lupenreine Popsongs, die zumindest in der Form auf den frühen Alben nicht denkbar gewesen wären. Auch durchaus an die Vergangenheit angelehnte Songs wie „Ornaments of Gold“ und „Turn to Stone“, relativ düstere („Scarecrow“) und sperrige („Carousel“) Stücke klingen nun angenehm ballastfrei. Man merkt der Band die Freiheit an, die mit dem so nachdrücklich und effektiv ruinierten Ruf einherging, und besonders Madame Siouxsie Sioux klingt charismatisch wie eh und je. Die Diva führt mit einer bemerkenswerten Selbstsicherheit durch den inszenierten Showverlauf. Abgeschlossen würde „Peepshow“ von „The Last Beat Of My Heart“ werden, einer zarten, leicht sentimentalen Akkordeon-/Streicher-Ballade…wenn, ja, wenn es sich die Banshees nicht anders überlegt hätten. Das opernhaft gesungene, dramatische „Rhapsody“ lässt das vorher so hübsch aufgebaute Märchenschloss mit Karacho einstürzen.
Das 1988er „Peepshow“ ist eine bizarre, poppige und experimentelle, herrlich kitschige, ironische und dekadente Platte. Mit beachtlicher Stilsicherheit und neugewonnener künstlerischer Reife richtet man sich wieder nach dem Grundsatz des 1977er Debüts „The Scream“: Habe keine Angst davor, billig zu sein. Und obwohl man mit dem Album eigentlich gar nicht mehr wirklich der Szene angehörte, war es neben den großen Werken zu Anfang der Bandkarriere gerade „Peepshow“, das Gothic mitdefinierte und ihm ein neues Gesicht gab. Leider hatte man danach etwas die Zügel schleifen lassen, doch „Peepshow“ ist und bleibt für mich das Meisterwerk von Siouxsie and the Banshees.
http://www.youtube.com/watch?v=i41W-NIjMfs
http://www.youtube.com/watch?v=blGPnobxTiM
http://www.youtube.com/watch?v=0Ul7bqFguPg
http://www.youtube.com/watch?v=i2RHAOGuFGg
29. Placebo – Without You I’m Nothing
Es ist ja irgendwie nicht so wirklich vorteilhaft, das beste Stück des Albums (und möglicherweise das beste Stück der gesamten Bandkarriere) gleich am Anfang zu präsentieren: „Pure Morning“ stützt sich auf einen monotonen, kalten Schlagzeugbeat, im Hintergrund wummern leicht überverzerrte, noisige Gitarren. Brian Molko klingt unbeteiligt und arrogant wie eh und je, wenn er diese Zeilen intoniert: A friend in need‘s a friend indeed ,a friend with weed is better. Wie wahr. Und es bestätigt sich hier auch eigentlich wieder das Vorurteil, Placebo wäre eine songorientiert arbeitende Band. Gleichzeitig zerschlagen Brian Molko, Stefan Olsdal und Steve Hewitt hier aber auch das daran gekoppelte Vorurteil, man würde von Placebo, wenn überhaupt, nur die Singles brauchen. „You Don’t Care About Us“, „Allergic (To Thoughts of Mother Earth)“ und natürlich „Every You Every Me“ sind luftige, lakonisch-melancholische, perfekt auf den Punkt gebrachte Popsongs, die elegant die Gewässer der Banalität umschiffen, doch „Without You I’m Nothing“ hat mehr zu bieten: das Titelstück klingt melodramatisch und schwer wie Blei. „My Sweet Prince“ und „Burger Queen“ sind stille und introspektive Songs, die in ihrem schwebend-sphärischen Sound genüsslich Radioformat und Singletauglichkeit ignorieren. „The Crawl“ suhlt sich in Niedergeschlagenheit und hat einen Basslauf, der wohl auch The Cure zu Zeiten von „Faith“ gut zu Gesicht gestanden hätte. „Scared of Girls“, einer der meiner Meinung nach besten und meistunterschätzten Songs von Placebo, lebt neben seiner Widerhaken-Melodie auch von seiner ungestümen, an Debüt-Tage erinnernden Energie.
„Without You I’m Nothing“ ist das Gesellen- und Meisterstück von Placebo. Den jugendlich-trotzigen Indie Rock des selbstbetitelten Debüts von 1996 verfeinerte man zwei Jahre später mit interessanten Details und ließ nur noch das Nötigste an Kanten in den Songs. Diese neugewonnene Reife hält sich die Balance mit einer jugendlichen Frische und Unverbrauchtheit, die auf den späteren Alben leider (naturgemäß) abhanden kam. Auch der Klang hat den übrigen Alben das rettende Bisschen Makellosigkeit voraus und außerdem perfektionierte Brian Molko hier seine Taktik, selbst trivialstes Blabla so zu formulieren oder zumindest gesanglich so auszudrücken, dass es Bedeutung bekam und diese sogleich durch Ironie gleich wieder etwas zu brechen, wenn er sich allzu pathetischen Gefilden näherte. Eine Gabe, die auf dem aktuellen Album „Battle For The Sun“ leider etwas verloren ging…aber das ist eine andere Geschichte.
http://www.youtube.com/watch?v=SwxwzBvuIpQ
http://www.youtube.com/watch?v=3_NME1Iu79U
http://www.youtube.com/watch?v=Yx41Hm0qcdQ
28. New Model Army – Thunder and Consolation
New Model Army gründeten sich 1979 in Yorkshire und brachten vor allem während der ausklingenden Post Punk-Welle einige tolle Alben raus, von denen „Thunder and Consolation“, das 1989 erschienene vierte Album der Band, sicherlich das bemerkenswerteste ist. Der meist dunkel schattierte, Folk Rock-beeinflusste Punk/Alternative Rock mit seinen sehr dominanten und prägnanten Basslines und Justin Sullivans intelligenten, sozialkritischen Lyrics wurde hier auf den Punkt gebracht; nicht nur im Bezug auf NMAs Diskografie, auch allgemein gesehen ist „Thunder and Consolation“ für mich eines der vollkommensten Rockalben, die jemals veröffentlicht wurden.
„I Love The World“ ist ein gewaltiger Opener, der nicht besser hätte platziert werden können: über einem leicht hektischen und unheilverkündenden Basslauf und mit zorniger Stimme beschreibt Justin Sullivan den Zusammenbruch der modernen Zivilisation. Das Preludium zum Weltuntergang.
„Stupid Questions“ macht sich relativ gut in seinem Schatten. Ähnlich wie „225“, „Green and Grey“, „The Ballad of Bodmin Pill“ und „Vagabonds“ ist es einer dieser für New Model Army gewissermaßen typischen Songs: melancholisch und von akustischen bzw. eher unverzerrten Gitarren getragen, manchmal mit wehmütigen Violinen, einer dieser Songs, die man im Ohr hat, während man sentimental aus dem Zugfenster starrt, die auf dem ersten Blick zu bescheiden und unaufdringlich rüberkommen, um wirklich mitzureißen, die sich aber nach und nach ins Gedächtnis bohren und die sich rückblickend zu den wichtigsten des Lebens entwickelt haben könnten. „Thunder and Consoolation“ ist wohl das Meisterstück der bandeigenen Stimmung zwischen Aufbruchsstimmung und Working Man’s-Romantik.
Vor allem Justins Sullivans Texte tragen daran einen nicht unerheblichen Anteil. Schon unzählige Male hat er mir mit seinem Umgang mit der englischen Sprache und seinen kritischen, an einem gewissen gesellschaftlichen Idealismus festhaltenden und auch seinen eher introspektiven Texten aus der Seele gesprochen, immer wieder haben mich die traurigen Geschichten von „Green and Grey“ und „Family Life“ berührt und beschäftigt. Dabei bemüht er sich nicht zwanghaft darum, irgendwelche bahnbrechenden Wahrheiten zu liefern oder den Sinn hinter Unmengen von bedeutungsschwangeren Phrasen und Metaphern zu verschleiern, seine Lyrics sind intelligent und schön formuliert, jedoch keineswegs gekünstelt. Gleiches gilt auch gewissermaßen für die Band: New Model Army spielen handgemachten, erdigen und ehrlichen Rock (wuäh…diese Beschreibung ist für mich unmittelbar an schmierige, öde Amirocker vom Format Nickelback und Epigonen sowie Böhze Onkelz gekoppelt, passt hier aber halt leider bestens), der nicht abwechselnd mit voll dolle ungewöhnlichen Arrangements und ach so komplexen Strukturen um die Aufmerksamkeit des Hörers buhlt, sondern schlichtweg Songwriting auf konstant sehr hohem Niveau bietet. Dieses folgt zwar relativ simplen Mustern, wirkt jedoch niemals banal oder langweilig, sondern besitzt immer eine angemessene Tiefe. Und mal ehrlich, wie viele Bands können von sich behaupten, über die volle Albumdistanz NUR Hits zu schreiben?
„Thunder and Consolation“ endet mit einem ähnlichen Paukenschlag wie dem, mit dem es begonnen hatte: „Archway Towers“ ist ein in jeder Hinsicht höchst untypischer Song und neben bereits erwähnten „I Love The World“, „Green and Grey“ und „The Ballad of Bodmin Pill“ vielleicht mein liebster des Albums. Die Lyrics sind kryptisch und bruchstückhaft ausgefallen. Es wird eine ungeheure Anspannung aufgebaut, die sich nur teilweise in gelegentlich angezerrten Gitarren entlädt. Man hat das angedeutete Grauen noch nicht ganz begriffen und sträubt sich vielleicht dagegen, wenn Sullivan schmerzverzehrt und mit Begleitung von laut aufheulenden Gitarren immer wieder „Nooooooo!“ schreit. Nachdem der Hörer nach gut drei Minuten denkt, der Song wäre zu Ende, lässt man ihn nach einem kurzen Break noch gut eine Minute lang mit dem bekannten Gitarrenmotiv ausklingen.
New Model Army sind bis heute aktiv und veröffentlichten vor einigen Monaten ihr elftes Studioalbum, jedoch konnte weder einer der Nachfolger noch einer der Vorgänger an die kompositorische Klasse, Reife und Hitdichte, aber auch die Energie und die Aura von „Thunder and Consolation“ heranreichen. Wie schon erwähnt: für mich eines der wenigen wirklich makellosen Rockalben und eines der besten aller Zeiten.
http://www.youtube.com/watch?v=xnZD61tynS4
http://www.youtube.com/watch?v=SJnCHctOeJg
http://www.youtube.com/watch?v=yCOjJh4LNkA (Doofiquali :/)
27. Depeche Mode – Songs of Faith and Devotion
Depeche Mode sind sicherlich eine wichtige und einflussreiche Band und haben eine spannende Entwicklung hinter sich, doch trotzdem interessierten sie mich nur 4 Alben lang. Das erste DM-Album, das mein Interesse erweckte, erschien 1986 unter dem Titel „Black Celebration“. Was Ende 70er/Anfang 80er noch mit putzigen Buben in komischer 80er-Kleidung, die ihre Synthie Pop-Songs zugegebenermaßen immer weiter über dem Radio-Einheitsbrei platzierten und sich vorsichtig dem Anspruch annäherten, anfing, war nur der Weg zum Ziel, ein Meisterwerk zu erschaffen. Doch ganz wurde es nicht erreicht, „Black Celebration“ ist in den Details durchaus noch verbesserungswürdig, doch es löst zumindest teilweise die Versprechen ein, die auf den Vorgängeralben gemacht wurden. Der selbstironisch betitelte Nachfolger „Music for the Masses“ ist da schon wesentlich ausgefeilter. Nach außen hin ein sehr gutes Pop-Album, doch innen brodelt die Experimentierfreude, was sich besonders in der großartigen Soundcollage „Pimpf“ äußert. Mit „Violator“ erreichten Depeche Mode Anfang der 90er ihren vorläufigen kreativen Höhepunkt. Ein perfektes Pop-Konstrukt, diesmal sogar mit eindeutigeren Singlekandidaten, ohne dabei die experimentelle Ebene des Vorgängers zu verlassen, teilweise sogar noch ’ne Schippe dunkler. Doch auch wenn die Kompositionen tiefergehender wurden, auch wenn sich „Clean“ gefährlich nahe dem Abgrund aufhielt, so pochte tief im Körper von „Violator“ immer noch kein menschliches Herz. 1993 sollte mit dieser inszenierten Kälte und Distanziertheit Schluss sein.
Nach dem Erfolg von „Violator“ konnte es in kreativer, vielleicht sogar auch in kommerzieller Hinsicht nicht mehr so weitergehen. Depeche Mode brauchten 3 Jahre, um sich mit „Songs of Faith and Devotion“ neu zu erfinden. In diesen 3 Jahren sind die distanzierten Synthie Popper zu Rockstar-Karikaturen verkommen, konnten sich bei den Aufnahmen nicht mehr leiden, Dave Gahan nahm Drogen und ging gar nicht mehr zum Frisör! Krass. Eigentlich fast schon mit ein Grund, warum SOFAD so geworden ist, wie es ist. Gab es auf „Violator“, vielleicht sogar schon auf „Black Celebration“ („Stripped“) zaghafte Annäherungen an Rock, so wurde diese Vorsicht beim Opener „I Feel You“ ohne Rücksicht auf Verluste über Bord geworfen. „I Feel You“ ist ein lärmender, nicht unbedingt eleganter, aber ausgesprochen sexy Befreiungsschlag. Depeche Mode entledigen sich von der vorherrschenden, durchaus beabsichtigten Seelenlosigkeit und Unterkühltheit früherer Alben und suhlen sich in Leidenschaft. Diese heulenden Gitarren und Gahans relativ enthemmter Gesang stießen damals bestimmt so einige Depeche Mode-Fans vor den Kopf, hihi. „Walking In My Shoes“ klingt musikalisch schon wesentlich vertrauter, der melancholische Synthienebel umhüllt den hintergründig hämischen Text; You stumble in my footsteps, keep the same appointments I kept, if you try walking in my shoes. “Condemnation” klingt mit seinen Gospel-Einflüssen recht ungewöhnlich, man spürt direkt die kreative Narrenfreiheit, der sich DM auf SOFAD nur allzu bewusst sind. Vor allem fällt auf, wie sehr Dave Gahan als Sänger gewachsen ist. War er früher nur eine schöne, im Grunde austauschbare Stimme, die die Songs von Martin L. Gore intonierte, entwickelt er jetzt Persönlichkeit, kann Emotionen sehr facettenreich vermitteln. „Mercy in You“ wäre im Grunde vollkommen unauffällig, wäre da nicht dieser sehr simple, aber wunderschöne Refrain. The meeeercy iiin you. Hach, herrlich. Über den verfügt „Judas“ leider nicht. Luftiger, aber nicht sonderlich spannender Electropop, vielleicht bewusst vor der absoluten Großtat in DMs Karriere platziert; „In Your Room“ ist so ziemlich der beste Song, den Depeche Mode je geschrieben haben. Von der Struktur erinnert er durchaus an „How Soon Is Now?“ von The Smiths, klingt dabei jedoch, und ich hätte nie gedacht, dass ich das mal von einem Depeche Mode-Song sagen würde, wesentlich treibender, flehender, emotionaler, obsessiver. „Get Right With Me“ flirtet erneut mit Gospel-Einflüssen, die in dieser Klangkulisse jedoch beinahe grotesk klingen. Interessanter Effekt. „Rush“ hält, was der Titel verspricht (nein, ich meine nicht damit, dass der Song nach der kanadischen Progressive Rock-Band klingt *g* ). Pumpender Rhythmus, etwas aufdringliche Synthies, eine treibende, berauschende Hetzjagd durch nächtliche Großstädte, bei der man das, was um einen herum geschieht, nur verschwommen wahrnimmt. Nach diesen unter der ohrwürmeligen Oberfläche beinahe abgründigen Songs ist „One Caress“ ein gewöhnungsbedürftiger und extremer Kontrast. Die überzuckerten Streicher und die fast schon positive Grundstimmung werden von einer kleinen, unauffälligen Textzeile entschärft: Lead me into your darkness, when this world is trying its hardest to leave me unimpressed . „Higher Love“ bildet einen ruhigen, melancholischen, relativ unspannenden, aber passend gesetzten Abschluss für SOFAD.
Mittlerweile können Depeche Mode alles ohne jedes Risiko auf ihren Alben machen, die Leute würden sie trotzdem wie blöd kaufen, aber sie wollen es wohl gar nicht mehr. Sie veröffentlichen weiter munter gute Alben, denen der kreative Spirit fehlt, und stehen auch nach 30 Jahren Bandkarriere und als eine der erfolgreichsten Bands aller Zeiten im Schatten oder auch auf dem Fundament von „Just Can’t Get Enough“, „People Are People“ und „Everything Counts“. Sie leben von diesen und ähnlichen Songs, von ihrem sauberen Image und ihrer seriösen Harmlosigkeit, für mich wurden Depeche Mode aber erst dann richtig toll, als sie einen Anschlag eben darauf verübten. Ich bin mir nicht sicher, ob ich dieses (im Übrigen von Flood brillant produzierte; würde ich es nicht besser wissen, käme ich nie auf den Gedanken, dass SOFAD bereits mehr als 15 Jahre auf dem Buckel hat) Album ohne den beschriebenen Kontext noch so toll finden würde wie jetzt, im Zusammenhang mit der Bandlaufbahn betrachtet ist es mir aber immerhin einen siebenundzwanzigsten Platz bei meinen All Time-Faves wert. :angel:
http://www.youtube.com/watch?v=SdCmzSJD6rk&feature=PlayList&p=361D032DF30745BF&playnext=1&playnext_from=PL&index=28
http://www.youtube.com/watch?v=jKgQNvK4D8Y
http://www.youtube.com/watch?v=H8clZpD_ZBA
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trying to leave [COLOR=#808080]a mark more permanent than myself[/COLOR]