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So, nun muss ich hier auch mal meinen Senf dazugeben: meine Teenager-Zeit war von 1985 bis 1992 und so habe ich die ganz große Zeit des Metal oder, wie man damals eher sagte, Hard ’n Heavy als aktiver Plattenkäufer, Magazinleser, Poster-an-die-Wand-Hänger, Kuttenträger, T-Shirts-bei-Bullshirt-Besteller und Konzertgänger miterlebt, sowie auch den totalen Niedergang der ursprünglichen Szene zwischen ’92 und ’94, welcher durch Grunge und den Techno-Boom noch gnadenlos beschleunigt wurde. Spätestens 1995 war Heavy Metal dann mausetot, zumindest wie ich und weltweit Millionen Fans aus meiner Generation ihn kannten und liebten. Enttäuscht widmete ich mich fortan auch anderen Musikrichtungen.
Als kommerziell erfolgreicher und ästhetisch sehr auffälliger Teil der 80er-Musik landete Heavy Metal, wie im Übrigen das ganze Jahrzehnt, im Mülleimer der Musikgeschichte, galt fortan als Pfui-Bäh, altmodisch und peinlich. Bezeichnend, dass um diese Zeit herum der Metal Hammer das Wort Metal vollends aus seinem Titel strich, bevor er einige Zeit später wieder den Zusatz New Rock and Metal HAMMER einführte. Vielleicht war es auch umgekehrt, ich erinnere mich nicht mehr genau, aber so uncool war der Begriff „Metal“ in den 90ern, von anderen 80er-Subgenres dieser Musikrichtung ganz zu schweigen.
Der knallharte Bodensatz hatte jedoch im Underground überlebt und fortan wurde die Flagge von Death, Viking, Power, Industrial oder Pagan Metal hochgehalten, Subgenres also, die in den 80ern eher kleine Sparten waren bzw. noch gar nicht existiert hatten. In den 2000ern setzte eine Re-popularisierung des Genres ein und alte 80er-Helden, über die man im Jahrzehnt zuvor am liebsten für immer den Mantel des Schweigens gelegt hätte, erfuhren endlich die Wertschätzung, die sie verdient hatten. Heutzutage ist Metal wieder ein moderner Begriff und Wacken ist fast größer als die damaligen Monsters Of Rock-Festivals. Größtenteils verschwunden, was neue Bands betrifft, blieb aber der hardrockige Teil, welcher in den 80ern mindestens 60% der Szene ausgemacht hatte, denn die Grenzen zwischen Hardrock und Heavy Metal waren fließend und nicht immer klar zu definieren. Einige Bands wie Judas Priest z.B. pendelten im Verlauf ihrer Karriere zwischen mehreren Stilen.
Die Frage also, ob nun der Metal der 80er oder der 90er besser ist, hängt ganz davon ab, was man erwartet und wie man Metal definiert. Wer es möglichst laut, böse, düster, schnell und vor allem „voll evil“ mag, wird in den 90ern und in den 2000ern sein Paradies finden, denn selbst alte Slayer-Platten wirken gegen aktuelle Bands der ganz harten Sorte doch vergleichsweise harmlos. Wer aber schon immer die RnB-Wurzeln im Metal zu schätzen gewusst hat und außerdem auf Songwriting, griffige Hooklines, markante Riffs und melodisch, bluesig oder rock ’n rollig arrangierte Gitarrensoli steht, wird immer wieder auf die 80er zurückkommen und sich an den alten Scheiben von Priest, Krokus, Scorpions, Ozzy, Def Leppard, Saxon, Ratt, Mötley Crüe, Bon Jovi, Dokken, Whitesnake usw. orientieren. Denn diese Art von „Metal“, wenn man es heute überhaupt noch so nennen mag oder kann, ist nahezu ausgestorben und wird auch nicht mehr wiederkommen, zumindest nicht in der Größe, Qualität und Bedeutung wie damals. Das ist nach Grunge und Alternative Rock einfach unmöglich geworden, weil das alte Feeling nicht mehr da ist und auch nicht mehr authentisch reproduziert werden kann.
Da kommt man zu der Erkenntnis, dass es absolut unmöglich ist, Musik zu machen, die außerhalb der Zeit liegt, in der man sich gerade befindet und man als Musiker auch immer von Sachen beeinflusst wird, von denen man gar nicht beeinflusst sein will. Selbst die Stones könnten keine Platte mehr machen wie 1969, obwohl sie damals dabei waren. Aber gerade das macht diese alten Sachen, und damit auch den 80er-Metal, heute so wertvoll. Eine neue Death Metal-Platte aber kann man jederzeit aufnehmen. Es wird danach auch nichts anderes mehr geben!
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