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palezToilettentieftauchers (ich kann es kaum erwarten, zu wissen, wovon ich da rede) Lulu-Lala höre ich mir später an.
Keine Ahnung, ob ich das schon mal hier gepostet habe, aber for you pleasure:
Wenn Slothrop tatsächlich dieser Mundharmonka in die Toilette folgen will, so muß er es mit dem Kopf voran tun, kein schöner Gedanke, weil dann oben sein Arsch schutzlos in die Luft ragt, was bei all diesen Negern hier in der Gegend genau das ist, was er vermeiden möchte, sein Gesicht da unten in unbekannter, übelriechender Finsternis, während oben starke braune Finger mit geübten Griffen blitzschnell seinen Gürtel lösen, seinen Hosenschlitz aufknöpfen, kräftige Hände seine Beine spreizen – und schon fühlt er die kalte Lysolluft auf seinen Arschbacken, als ihm auch noch die mit farbenfrohen Barschködern und Forellenfliegen bestickten Boxershorts abgezogen werden. Verzweifelt kämpft er sich tiefer in das Toilettenloch hinein, da hört er schon undeutlich durch das stinkende Wasser hindurch das Gegröle einer ganzen finsteren Meute von gräßlichen Negern, die ausgelassen johlend ins Weißemännerklo stürmen, mit ihren üblichen Jitterbug-Verrenkungen um den hilflos zappelnden Slothrop herumzutanzen beginnen und dazu »gib mir mal das Talkum, Malcolm« singen.
Und die Stimme, die darauf antwortet, gehört keinem anderen als Red, dem Schuhputzboy, der Slothrops schwarze Lackschuhe schon so oft auf Hochglanz gewienert hat, rhythmisch auf den Knien rutschend, ich wichs-die-Schuh, zum Swing-der-Band, yeah … Also Red, dieser dürre, aufgeschossene Negerschuhputzer mit den kunstvoll glattgebeizten roten Haaren, der für die Harvardboys immer nur einfach »Red« war«Sag mal. Red, sind noch’n paar Pariser in der Lade?« «Wie wär’s zur Abwechslung mal mit ’ner besseren Telephonnummer, Red?« –, dieser Negerjunge, dessen wahren Namen Slothrop, schon halb im Abflußrohr, nun endlich kennenlernt, während ein feister Finger einen äußerst glitschigen Batzen Salbe oder Gelee durch die Spalte zu seinem Arschloch schmiert, wobei die Haare wie gewellte Höhenlinien auf der Karte eines Flußtals an die Böschung geklatscht werden — der also in Wirklichkeit Malcolm heißt und den die ganzen schwarzen Schwänze unter diesem Namen kennen und immer schon gekannt haben –, Red Malcolm, der Unglaubliche Nihilist, sagt: »Donnerwetter, der Typ besteht wohl ganz aus Arschloch, was?«
Grüne Neune, Slothrop, in welche Lage bist du da geraten! Obwohl er mittlerweile immerhin so tief ins Klo hineingekrochen ist, daß nur noch seine Beine herausragen und seine Arschbacken sich knapp unter der Wasseroberfläche heben und senken wie zwei bleiche Kuppeln aus Eis. Wasser brandet, kalt wie der Regen draußen, gegen die Wände der weißen Muschel. »Packt ihn, bevor er türmt!» «Yowzah!« Ferne Hände grapschen nach seinen Waden und Knöcheln, schnappen sich seine Sockenhalter und zerren an den Söckchen aus Argylewolle, die ihm Mami eigens für Harvard gestrickt hat. Aber diese Socken isolieren ihn entweder so gut, oder er ist schon so tief in die Toilette eingedrungen, daß er die Hände kaum mehr spürt … Dann hat er sie abgeschüttelt, hat die letzte Negerberührung hinter sich zurückgelassen und ist frei, schlüpfrig wie ein Fisch, das jungfräuliche Arschloch unbefleckt. Jetzt sagen sicher manche uff, na Gott sei Dank, wenigstens etwas, während andere enttäuscht sein werden, oooooch schade! aber Slothrop hält sich da raus, weil er nämlich von dem ganzen Zauber fast nichts mitgekriegt hat. U-und außerdem ist da noch immer keine Spur von der verlorenen Harmonika!
Das Licht hier unten ist dunkelgrau und ziemlich düster. An den Wänden des erst keramischen, jetzt eisernen Tunnels, in dem er sich befindet, erkennt er vielgestaltige Ablagerungen von Scheiße, die nichts und niemand mehr wegzuspülen vermag. Mit dem Kalk des Wassers zu kunstreichen Entenmuschelmustern verkrustet, säumen sie bedeutungsschwanger seinen Weg, Burma-Shave-Schilder der Toilettenwelt, kitschig und kritisch, kryptisch und glyptisch, geheimnisvolle Formen, die aus dem Dunkel auftauchen und vorbeiziehen, während er durch die molkige Trübe der Abwasserleitung, noch immer von fernen »Cherokee«-Klängen begleitet, in Richtung Ozean treibt.
Er entdeckt, daß er bestimmte Scheißespuren identifizieren, sie diesem oder jenem Kommilitonen aus Harvard zuordnen kann. Einiges von dem Zeug muß natürlich auch Negerscheiße sein, aber die kann ohnehin keiner auseinanderhalten. Hey, wenn das nicht unser verfressener »Gobbler« Biddie war! Muß in der Nacht gewesen sein, in der wir alle Chop Suey gegessen haben im Fu’s Folly in Cambridge, sind noch Sojasprossen zu erkennen und sogar eine Ahnung von der tollen Pflaumensauce … sieh mal an, bestimmte Sinne scheinen sich tatsächlich zu schärfen … wow! … Fu’s Folly, das ist schon Monate her! U-und hier haben wir unseren Dumpster Willard, litt an Verstopfung damals, stimmt’s? Schwarz wie ausgedorrte Harzklümpchen die Scheiße, die sich dereinst zu dunklem Bernstein läutern wird. Aus ihren zögerlichen, scheuen Spuren an der Wand, die so anders sind, als ihre Konsistenz vermuten ließe, kann Slothrop, schon ganz merkwürdig für Scheiße sensibillsiert, die lange Leidensgeschichte des armen Dumpster herauslesen, der voriges Semester versucht hat, sich umzubringen: die Differentialgleichungen, die sich für ihn zu keiner Schönheit fügen wollten; die Mutter mit dem ausladenden Hut und den Seidenknien, die sich in Sidney’s Great Yellow Grille über Slothrops Tisch beugte, um sein Canadian Ale auszutrinken; die Radcliffe-Mädchen, die ihn ignoriert haben; die schwarzen Profis, die ihm von Malcolm aufgedrängt wurden und ihm für harte Dollars erotische Grausamkeit verkauft haben, solange seine Kräfte reichten oder sein Bargeld, wenn Mutters Scheck einmal Verspätung hatte.
Stromaufwärts dahin, das Basrelief Dumpster, verschluckt vom grauen Licht, da Slothrop nun an den Marken von Will Stonybloke, von J. Peter Pitt, von Jack Kennedy, dem Botschaftersohn, vorbeigleitet – wo zum Teufel steckt dieser Jack übrigens heute? Wenn überhaupt einer imstande wäre, die Mundharmonika zu retten, dann unser Jack, wetten daß? Slothrop bewundert ihn von ferne – er ist sportlich und freundlich und aus Slothrops Jahrgang einer der beliebtesten. Ganz schön scharf auf Geschichte aber auch. Jack … ob Jack sie wohl vor dem Runterfallen bewahrt, vielleicht die Schwerkraft aufgehoben hätte? Hier auf dieser Reise in den Atlantik, wo schon Gerüche nach Salz, Tang, Verrottung schwach gegen ihn anbranden wie das Geräusch von Brechern, will es ihm scheinen, ja, als hätte Jack selbst so was schaffen können. Um der Melodien willen, die noch nicht gespielt sind, um jener Millionen von möglichen Bluesnoten willen, die aus den amtlichen Frequenzen zu befreien sind, Modulationen, für die Slothrop einfach nicht den Atem hat … noch nicht den Atem hat, aber vielleicht … Wenn (falls …) er das Instrument doch noch findet, wird es zumindest gut eingeweicht sein, viel einfacher zu spielen.
Ein hoffnungsfroher Ausblick auf dem Weg durch den Abort! Seht mich an, ich schwimm im Klo-ho, Und bin meines Lebens fro-ho. Hoffentlich macht keiner Aa! Tralla, heißa, hoppsassa. Genau in diesem Augenblick hallt das verfluchte Rauschen auch schon durchs Rohr, schwillt an zum Donnern einer Sturmflut, rast als kompakte Wellenfront aus Scheiße, Kotze, Klosettpapier und Klabusterbeeren in sinnverwirrendem Mosaik auf den entnervten Slothrop zu wie ein U-Bahn-Zug der MTA auf sein unglückliches Opfer. Wegrennen ist nicht. Gelähmt starrt er über die Schulter zurück: eine massive, hochgetürmte Wand, ein Kaventsmann, wehend bekränzt mit Klopapier, überschlägt sich und stürzt – GAAHHH! Er macht noch einen kläglichen Froschhüpfer, doch schon hat ihn der Kotzylinder überrannt, glitscht ihm finster wie kaltes Rindsaspik ins Rückgrat, peitscht ihn mit vollgeschissenem Papier, das sich um Nase, Lippen, Nüstern schlingt, mit Gestank, der alles auslöscht, einem Hagelsturm aus Mikroköteln, die sich in Brauen und Wimpern verfangen, es ist schlimmer, als von den Japsen torpediert zu werden … Die braune Brühe hüllt ihn ein und reißt ihn mit sich, wirbelt ihn Arsch über Kopf davon, obwohl es in diesem undurchdringlichen Scheißesturm kein Oben und kein Unten, keine Bezugspunkte mehr gibt. Von Zeit zu Zeit schrammt er an pflanzlichem Geäst entlang, an federigen Bäumchen vielleicht. Ihm fällt auf, daß er an keine harte Wandung mehr gestoßen ist, seit sein Sturz begonnen hat.
Aus: Thomas Pynchon »Die Enden der Parabel«
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"Out in a bloody rain to feed our fields Amid the Maenad roar of nitre's song And sulfur's cantus firmus." Richard Wharfinger: The Courier's Tragedy http://www.lastfm.de/user/mossmoon