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Review von Nezys Sampler:
Von Bruce Springsteen habe ich mir im Vorfeld ja durchaus was erhofft. Ich weiß nicht genau was, aber irgendetwas habe ich mir da jedenfalls erhofft. Egal, was es ist, meine Erwartungen wurden nicht erfüllt. Da mir beigebracht wurde, immer mit dem Positiven anzufangen, kann ich an dieser Stelle zumindest auf der haben-Seite verbuchen, dass Herr Springsteen die recht angenehme Singstimme eines großen, starken Mannes hat, der außer Atem ist. Nur mit Akustikgitarre und ohne Hoffnung könnte sie durchaus recht prima zur Geltung kommen (geht nicht sogar irgendein Album von ihm in die Richtung?). Bei „Jungleland“ ist instrumental weit mehr los, es wird recht klassischer, dabei aber ziemlich lascher und fader Rock geboten, dazu gibt es Saxophon (gegen Mitte auch in der ordentlich kitschigen Solo-Ausführung) und ein Klavier, das mich abwechselnd an Boomtown Rats – I Don’t Like Mondays und Meat Loaf I Would Do Anything For Love (But I Won’t Do That) (ich weiß natürlich, dass „Jungleland“ ein paar Jährchen früher kam) erinnert. Ich habe eine lediglich sehr ungefähre Vorstellung vom Feeling, das der Song vermitteln soll, aber gemessen daran hat er eigentlich „Besseres“/anderes verdient. Gegen Ende hat Herr Springsteen nochmal die Chance, in einem Ultrapathosfreakout mit Stampfdrums, Poser-Gitarrensolo und Pyrotechnik für tendenziell trashiges Hörvergnügen zu sorgen, doch leider hält „Jungleland“ nicht, was das ankündigende Klavier verspricht, und endet eher unerwartet bereits nach neuneinhalb Minuten, obwohl ruhigen Gewissens noch zwei weitere drangekoppelt hätten werden können. Naja. Schade. Die folgenden Worte tun mir Leid, aber wenn ich mal wieder Lust auf Musik habe, die von der Idee her so ähnlich wie Bruce Springsteen klingt, dann bin ich, glaube ich, mit jeder anderen Musik außer Bruce Springsteen besser beraten. Zwar habe ich die Befürchtung, dem Herrn Springsteen und seiner Musik damit nicht gerecht zu werden, aber seine Form von Arbeiterpathos und Nostalgie klingt für mich so unangenehm jubilierend und nach American Dream, dass ich mich da fortwährend fehl am Platz fühle. Hmpf.
Da kommt es mir natürlich sehr gelegen, dass ich mir mit Tom Waits und „Singapore“, einem meiner Lieblingssongs von meinem persönlichen (bisherigen) Waits-Lieblingsalbum „Rain Dogs“, praktisch die Ohren mit der Drahtbürste putzen kann. Im Grunde befinden wir uns immer noch in derselben amerikanischen Hafenstadt wie eben bei Bruce Springsteen, nur ist es Nacht und Springsteens und Waits‘ lyrische Alter Egos laufen absolut nicht Gefahr, sich irgendwann zu begegnen. Der Upbeat klingt komisch und schief, das Xylophon (ein Instrument, das IMO sehr selten gut klingt) klingt komisch und schief, die Bläser klingen komisch und schief, der Bass klingt komisch und schief, alles klingt hier komisch und schief (ohne bewusst dissonant zu sein), nach zwielichtigen Eckkneipen, Knochenrasseln und Menschen, die aus Gründen, die man gar nicht erfahren möchte, unter den Barhockern durchkriechen, und der „mean old man des Rock’n’Roll“ erzählt. Ja, super. Natürlich Samplerhighlight.
Im Hinblick auf eine halbwegs sinnvolle Song-Reihenfolge kann es einen vermutlich durchaus ratlos hinterlassen, wenn man auf seinem 5-Song-Sampler einerseits Stücke aus dem Singer-Songwriter-Bereich, andererseits welche aus dem Extrem-Metal-Bereich hat. Insofern war es hier ein durchaus naheliegender Schachzug, den Erfinder der Deathgrunts als Überleitung zwischen den Parts zu nutzen, auch wenn der Kontrast immer noch ziemlich scharf ist. Clinging to the Trees of a Forest Fire (unmöglicher Bandname) spielen wohl eine Art von Death Metal, eine moderne ohne einen Blick nach hinten über die Schulter und ohne Attitüde, was mir durchaus entgegenkommt. Die schrille Gitarre am Anfang ist standesgemäß schmerzhaft, die schleppende erste Songhälfte ziemlich toll gemacht. Klingt, als würde eine undefinierbare schwarze Brühe einem die Füße am Boden festkleben lassen. Interessant ist, wie dieser Effekt der Unbeweglichkeit im weiteren Songverlauf beibehalten wird, denn auch in den Blastparts habe ich den Eindruck, als käme „Bouquet of Self Pity“ nicht von der Stelle. Magst du Gaza eigentlich immer noch nicht, Nezy? :haha: Ich weiß von mir, dass ich es eh nicht machen werde, aber ich schreib als Schlusssatz einfach mal, dass ich hier vielleicht mal weiter reinhören werde.
Was ich bisher über The Secret gehört habe, lässt einem das Wasser im Munde zusammenlaufen und auf das in etwa Spannendste im Metal-Bereich seit der Erfindung des Hypes schließen, wenn „1968“ meine Erwartungshaltung also nicht halten kann, dann kannst du, werter Nezy, schonmal mit Briefbomben in deinen Wochenendprospekten rechnen. Die Band spielt eine Art von modernem Extrem-Metal, bei dem nähere Subgenre-Bestimmungen sehr schwierig und nicht wünschenswert sind, wobei ich dennoch nicht verstehe, wie die ganzen Hochschreiber der Online-Mags auf diese Vielzahl an verschiedensten Referenzen (Nasum, Black Metal, Discharge, Unsane, Neurosis…) kommen. Vielleicht haben sich die einzelnen stilistischen Ausreißer im Kompositionsprozess zu einem relativ normalen Endprodukt wegneutralisiert. Soll jetzt aber eigentlich nicht so negativ ins Gewicht fallen, denn die Band macht dennoch recht feine Musik; im Gegensatz zu CTTTOAFF ist hier alles in ständiger Bewegung, der Boden bebt unter den eigenen Füßen. Bemerkenswert ist dabei die regelrechte Leichtigkeit, mit der musikalische Variationen eingebunden werden, das Stück ist sozusagen ständig im fliegenden Wechsel. Auch das zähe (gute!) Ende und das etwas zu lange währende Ausbluten schrauben nicht am durchgehend hohen Energielevel.
Nachdem CTTTOAFF und The Secret als Beispiele für Extrem-Metal nach meinem Geschmack herhalten mussten, liefern Mitochondrion mit (oh Gott) „Tetravirulence (Pestilentiam Intus Vocamus, Voluntatem Absolvimus Part III)“ zunächst das Gegenbeispiel. Die Struktur des ersten Songdrittels ist im Grunde durchaus nicht so undurchschaubar, wie man zunächst annehmen könnte, dadurch, dass alles so unaushaltbar komprimiert wurde und keinem Ton auch nur ein Minimum an Hallraum gelassen wurde, wirkt das Stück aber so richtig anstrengend. In ihrem verbissenen, groovebefreiten schwarzlackierten Technical Death Metal schafft die Band zunächst weder das Erzeugen von Dynamik und Spannung noch den Aufbau von Atmosphäre. Quasi Deathspell Omega meets Nile minus Überwältigungseffekt. Zum Glück dauert der Song aber über zehn Minuten, in denen Mitochondrion durchaus noch was reißen können. Nach ungefähr vier Minuten wird der Band klar, dass in diesem Zusammenhang ein gewisses Maß an Monotonie und die Konzentration auf eine überschaubare Anzahl guter Ideen effektiver ist als der Terror der Gleichzeitigkeit, sodass es im weiteren Songverlauf immer wieder Momente gibt, die mich staunend die Augenbrauen hochziehen lassen. Diese verdammt einprägsame Melodie gegen Songmitte ist einer davon, ebenfalls der ansatzweise majestätisch schreitende Part danach, der mich ein bisschen an die zweite Hälfte von Weaklings „Cut Their Grain…“ erinnert (nur dass das hier zugegebenermaßen grimmiger und lichtundurchlässiger ist, Weakling aber dennoch ungefähr eine Trilliarde mal besser sind). Insgesamt also schon sehr cool, nun habe ich aber die Befürchtung, dass für das dazugehörige Album eher das erste Songdrittel repräsentativ ist, also lege ich die Band mal vorerst ad acta, falls du meine momentane Auffassung nicht widerlegen kannst.
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trying to leave [COLOR=#808080]a mark more permanent than myself[/COLOR]