Re: Moshcore?

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palez

Registriert seit: 04.01.2007

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The White Stripes gehören zu den Bands, die in ihrer Popularität schon immer so grundlegend an mir vorbeigingen, dass ich es nicht einmal in Worte fassen kann. Jetzt also „Freedom At 21“ von Jack White und alter Wein in rundgelutschter und ausstaffierter Soloalbum-Version. Toll. Der Rhythmus – entscheidend mehr und aufgeregtere Aufschläge als nötig – klingt zunächst noch einfallsreich und vielversprechend, die Gitarrenmelodie setzt selten aus, weil der Schlüssel zum Lernerfolg in der Wiederholung liegt. Manchmal gibt es Knarzen und Bremsspuren, das Solo ist quengelig und effektüberladen, man könnte theoretisch gut dazu tanzen. So weit, so in Ordnung. Isoliert betrachtet könnte man aus jedem Element auch was machen, in ihrem Zusammenspiel passen sie aber knapp nicht zusammen; die zahme Gitarre hindert die Drums am Durchdrehen, diese sind ein unpassendes Luftschnappen gegenüber der Grundentspanntheit des Gitarrenspiels. Und das mit „jedem Element“ muss ich auch gleich mal einschränken: aus Whites nasenatmender Nörgelstimme lässt sich nichts machen außer vielleicht einer Synchronisationsrolle in einem Dreamworks-Film über flamboyante sprechende Waschbären. Ich mag oft nervigen Gesang, insofern ist meine Ablehnung hier vielleicht fragwürdig inkonsequent, aber was nützt einem Konsequenz in Geschmacksfragen. Ein einseitig fertiges Toastbrot auf der Skala der Geschmacksnähe.

Orange Goblin haben Jack White schon mal etwas Entscheidendes voraus, und zwar: Primitivität. Nach einem völlig unnötigen Intro aus Meeresrauschen setzen Gitarren und Drums mit schlichtestem Riffing und einem starr durchgezogenen Polterrhythmus ein, die so wohlbekannt und tanzbar sind, dass ich die Band jetzt am liebsten auf einer Bühne spielen hören würde anstatt auf der digitalen Studiokonserve, die gerade aus meinen Boxen dringt. Konventionellst aufgebaut auch, sogar der obligatorische Soloentführungspart nach dem zweiten Refrain führt kaum bis über den Gartenzaun hinaus. Der Sänger knödelt ein bisschen sehr und ist wahrscheinlich so ein fleischiger, brustbeharter 1,50m-Wrestler im kleinen schwarzen Turnoberteil mit spannenden Trägern, der sich beim Randalieren für wahnsinnig männlich hält, ansonsten passiert hier aber nichts, worüber es sich noch lohnen würde zu schreiben. Das ist Musik, die ich gerne öfter in Konzertzusammenhängen höre(n würde), bei der ich aber nicht dran denke, mir extra dafür eine Karte zu kaufen. Ich lehne mich mal demonstrativ lässig an die Mauer und warte auf Musik, für die ich eigentlich hier bin.

Kadavar können’s jedenfalls nicht sein. Ich wollte mich mit meinen Retro-Auslassungen zwar zur Abwechslung mal im Zaum halten, aber die hier sind echt die schlimmsten. Die machen echt alles richtig und damit naturgemäß alles falsch. Das papierene Drumintro. Die Angebergitarren. Der Bass, der völlig zusammenhangslos seine Unwesentlichkeiten in den ohnehin belanglosen Dialog schnattert. Überhaupt der Sound, bei dem die Zuständigen mutwillig verlernt zu haben scheinen, wie man den Lautstärkeregler bedient, weswegen sich nun alles ohne Plan im Vordergrund stapelt. Nicht zuletzt der weit entfernte und völlig austauschbare Gesang eines jungen, langhaarigen, bärtigen Mannes, der genauso klingt, wie er soll, das aber leider völlig ohne guten Grund. Die Melodien leisten nichts, abgesehen von ihrem Vorhandensein und davon, dass sie die wohl emotions- und stimmungsneutralsten sind, die ich seit langem gehört habe. Das wah-wah-zersetzte Gitarrensolo klingt sehr obligatorisch. Das musikalische Äquivalent zu fettig brutzelndem Grillfleisch. Eine halbwegs coole Bassline auf der Skala der feinbestäubten Abartigkeiten.

Mit einem regelmäßigen Regenrauschen im Hintergrund kann und konnte ich schon immer am besten einschlafen. Das ist bei dem Anfang von Windhand – Libusen nicht anders (zum Glück ist gerade mal acht Uhr). Das Intro wirkt nicht als einziger Songaspekt äußerst müdigkeitsfördernd: Die stonerdoomige Langsamkeit ohne jede Düsternis, das maultierhafte Daherschlurfen und vor allem der Gesang tragen ihren Teil dazu bei, dass ich das Review nicht schreiben kann, weil ich mir ständig die Augen reiben muss. Letzterer klingt entfernt und körperlos, traditionsmetallisch und merkwürdig hoch für den musikalischen Kontext, und vor allem seine Leiermelodien sind schuld an meiner zunehmenden Aufnahme-(und Schreib-)Unfähigkeit. Würde man die Gesangsmelodien etwas schneller abspielen, hätte man eine verschollene Manowar-Ballade aus den 80ern (der Vergleich war wirklich treffend, kleiner xFOOLx), so erinnert’s fortwährend an den billigen Fade-Out-Effekt einer langsamer werdenden Schallplatte. Vor allem, wenn sich die bloße Ahnung zur Songmitte hin bestätigt: der Rhythmus versumpft endgültig, der Kopf des freundlichen dicken Opa-Sängers verschwindet ganz in farbigen Wolken, und wäre der Sound drumherum nicht so erstickend wattig, ich würde das Gitarrensolo mit den „Electric Funeral“-Wah-Wah-Effekten glatt für ein kleines Highlight halten. Es kommen zum Glück nicht so irritierend viele Noten vor, die Melodien sind mitunter weitgreifend und schön melancholisch. Dann kehrt das Stück viel zu schnell und für viel zu viele verbleibende Minuten in seine alte Lethargie zurück, der Sänger dreht wieder benebelt den Kopf herum. Beim Ende versucht man noch, was rauszuholen, die Sache bekommt mehr Druck, effektverstärkte Gitarren werfen wieder ihre Sabberfäden. Leider klingt das dann wieder eher nach einer langsamer werdenden Schlallplatte als nach irgendetwas in der Nähe von einem Ereignis. Das erneute Regenrauschen am Ende hat mich zwar kurzzeitig mit der Idee liebäugeln lassen, meinen Kopf auf die Tastatur zu betten, aber ich glaube, fürs Einschlafen bleibe ich doch lieber bei den Weltraumdokus.

Rest wird am Wochenende oder so reineditiert. Tut mir Leid, mehr kann ich grad echt nicht leisten. Fühle mich für das alles hier komplett ungeeignet und muss jetzt schleunigst wieder The Crüxshadows hören.

€: Wie kommt man eigentlich darauf, ein Stoner-/Sludge-Album als Mittelding zwischen Crustcore-Kellerdemo aus den 80ern und Darkthrone nicht zu produzieren? Und darauf, dass das eine gute Idee wäre? Okay, beim genaueren Hinhören liegt das andererseits gar nicht mal so fern, schließlich dient der Sound Uzala – Wardrums lange Zeit als einziges Distinktionsmerkmal. Das ist nämlich ansonsten das übliche Rumpelstilzchen in Slow Motion-Gestampfe, mal wieder mit der über 40 Jahre alten „Electric Funeral“-Gitarre, dass der Sänger währenddessen mit dem grünen Schleim gurgelt, den er soeben ausgehustet hat, hilft da auch nur unwesentlich weiter. Der giftige Grundton ist angenehm, schafft es allerdings nicht, meine Aufmerksamkeit vom nächsten Wocheneinkauf und der Raufasertapete hinter dem Computermonitor abzulenken. Umso besser gelingt dies allerdings der Gastsängerin. Sakral dahersäuselnde Waldelfen passen nicht wirklich in die Sümpfe von New Orleans, allerdings auch besser zu meinen Präferenzen als alles, was bisher auf diesem Sampler stattfand. Auch der Finalpart stimmt mich im Grunde versöhnlich, oder würde es zumindest, wenn das lieb gemeinte Solo über gewissenhaft donnernder Rhythmusgitarre nicht so nachlässig produziert worden wäre. Ach, aber im Grunde alles halb so schlimm. Die Musik ist in Ordnung. Ich will sie bloß nie mehr hören.

Ich bin happy, denn mit den letzten zwei Songs scheint der fade Riff-Teil des Samplers vorbei zu sein. KTL kannte ich vorher nur dem Namen nach, der Drone, den sie auf „Phill 2“ zum Besten bringen, passt nicht zu den auserlesensten Vertretern meiner Mädchendrone-Kategorie, ist aber auch nicht sonderlich strapaziös. Durch die neoklassischen Instrumentierung und einen Klang, der, wenn doch dem Bass/der E-Gitarre entsprungen, so doch nicht darauf hinweist, klingt alles sogar außerordentlich hübsch und einladend. Und tatsächlich nach „Alice“ aus dem hervorragenden letzten (?) Sunn O)))-Album „Monoliths & Dimensions“. Im direkten Vergleich klingt „Phill 2“ dann doch nach Zweitverwertung, der Aufbau beim „Original“ war nun mal besser, da einfallsreicher, verspielter und nicht so störend gradlinig. Aber das Stück ist zumindest schön, solange es dauert, die Flächenaufschichtung ersetzt hier effektiv Rhythmus und Bewegung. Eine gute Arbeit, sauber gemacht, die stählernen Streicher, die manchmal den Klangvordergrund durchschneiden, sind eine gute Idee. Trifft stilistisch eigentlich voll meinen Geschmack, und wenn ich nicht mittlerweile einige bessere Spartenvertreter kennen würde, würde mir auch viel mehr und Besseres dazu einfallen. Tja nun.

Künstler/Bands mit hoher Outputfrequenz und am besten noch ebenfalls hoher Nebenprojektanzahl sind mir latent unsympathisch. Erstens kommt man da nicht hinterher, zweitens hänge ich dem Vorurteil nach, der Output bestünde zu einem im Vergleich zu Künstlern/Bands mit normaler Zweijahresfrequenz überdurchschnittlichen Anteil aus schnellschussartigem, obsoletem Kram. Und dann fällt da auch noch so eine riesige Filtermenge an, wenn man sich doch seine Rosinen herauspicken möchte. Vielleicht sollte ich netter zu einigen dieser Bands/Künstler sein, denn die Rosine, die du nur mit JK Flesh – Earthmover herausgepickt hast, ist eine wirklich äußerst schmackhafte Rosine. Böser Industrialdub für enge Verhörräume mit stählernen Wänden und ohne Ausgang, röchelnde Stimmen aus einem halbkaputten Röhrenfernseher, ein schleppender Rhythmus, zu dem man tanzen kann, aber nicht sollte. Gitarre und Bass sind schön in die Fasern des Lärms eingefasst, sodass der Song nicht klingt wie Industrial Metal aus den 90ern. Aus kaputten Blechrohren pfeift das Kohlenmonoxid. Was Struktur und Motivmenge angeht, ist alles sehr übersichtlich gehalten (Memo an mich selbst: mehr Euphemismen verwenden), viel kann ich dazu also nicht mehr schreiben, nur noch, dass das klar der Samplergewinner ist.

Fazit: Oh Mann, Entschuldigung. Ich bin echt mir den besten Absichten herangegangen, habe mich aber die meiste Zeit über gefühlt wie auf einer Familienfeier, bei der ich niemanden kenne und mit niemandem verwandt bin (schönes Szenario, hätte man dem Samplerreview als Rahmenhandlung überstülpen können, hätte, hätte. hätte…). Das muss ja bisher echt so aussehen, als wäre ich so eine verwöhnte fünfjähriges Balg, die mit zusammengepressten Lippen und verschränkten Armen am Tisch sitzt und das, was man ihr vorsetzt, aus Prinzip nicht essen will, aber so ist’s echt nicht. Ich glaube, die Reviews zu meiner Songzusammenstellung werden dann ein einziger Circlejerk aus Rachegelüsten.