Re: Moshcore?

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palez

Registriert seit: 04.01.2007

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Ich bin ein unzumutbarer Samplerpartner. Tut mir leid, dass meine dummen Launen den Betrieb aufhalten und dass meine Reue euch nichts bringt.

Vor Baroness und ihrem aktuellen Doppelalbum ist ja 2012 der Großteil des zeitgenössischen (Rock-)Musikjournalismus untertänigst auf Knien herumgerutscht, aber vielleicht lese ich auch nur das falsche. Ob mich die Lobeshymnen wenigstens dazu bewegen konnten, reinzuhören? Nein. Also liegt es jetzt am instrumentalen Intro „Green Theme“, mir einen falschen Eindruck von der Band zu vermitteln. Eine leicht windschiefe, kratzige Spacegeigenfläche bildet einen interessant bedrohlichen Einstieg, einen verschenkten leider in Anbetracht dessen, was noch folgt. Die sehr sanfte und entspannte Akkordfolge lässt das Intro zum Intro ziemlich deplatziert wirken. Die Gitarre, zunächst kaum verzerrt, wird mit der gleichen Vehemenz gespielt, wie wenn man seine Fingerspitzen durch seichtes, flimmerndes Wasser gleiten lässt, das Klangbild erinnert an orange Sonnenuntergänge auf sich sachte kräuselnden Wasseroberflächen. Kitschig? Ein bisschen. Aber nicht schlimm, war ja nur ’ne Feststellung, keine Kritik. Ein wenig (insofern unnötige) Abhilfe schaffen da die zwei Parts, auf die das Intro hörbar zusteuert, einmal bei anderthalb und dann noch bei 2:50 Minuten, wenn die Drums sich laut und befreit in den Vordergrund drängen und die Gitarren mehr Saft bekommen. Eine musikalische Arschbombe in den Baggersee. Klingt nach Freundschaft und Wärme, Zitroneneis und Grillfleisch, dem Gefühl der Unverwundbarkeit und dem letzten Nachmittag der Sommerferien. Wenn die Band diese Stimmung auch auf Albumlänge vermittelt, dann bekomme ich eine Ahnung davon, was die anderen an ihr so überaus großartig finden. Merke: andere. Von mir ist diese Musik ihre Stimmung betreffend so weit entfernt und subjektiv so wenig nachvollziehbar, dass…ach, ich kann nicht einmal einen Schluss daraus ziehen. Baroness sind nicht unangenehm. Zu Baroness habe ich keine Meinung. Baroness: Zur Kenntnis genommen.

Wobei: Schade eigentlich, dass ich den letzten Satz so gedankenlos verfrüht verschossen habe, denn zu Pelican – Lathe Biosas würde er eigentlich viel besser passen. Wieder ist der Kram instrumental, doch der hier vorliegende Kram hat weder eine so schön schlichte und durchschaubare Laut-Leise-Dramaturgie noch ein so klar umrissenes Stimmungsbild wie „Green Theme“, und das macht die Sache problematisch. Die Band steigt ziemlich unvermittelt mit dem Hauptriff ein, das, wie die folgenden Motive, zunächst zum Kennenlernen und Gewöhnen ein paar mal wiederholt wird. Kleinere Variationen halten die einzelnen Parts dabei beweglich, alles ist elegant verschraubt, am Ende gibt’s sowas wie eine Rückkehr zum Ursprung. Alle Puzzleteile passen perfekt ineinander, leider haben Puzzleteile gemeinhin die Eigentschaft, gleich flach zu sein, was hier in ein (jedenfalls von mir so empfundenes) Fehlen einer Atmosphäre sowie einer effektiven Songdramaturgie übersetzt werden kann. Es gibt Versuche von strukturellen Höhe- und Tiefpunkten, die aber so unwesentlich bleiben wie die damit einhergehenden geringen Lautstärkevariationen. Letztendlich ist der ganze Bildvordergrund vollgestellt mit Riffs, die an sich nicht schlecht sind und ein Songgerüst bilden, das zumindest funktional ist, aber zu keinem Zeitpunkt über sich hinausweisen. Als Pelican noch Alben veröffentlichten und ihre Stücke noch lang waren, habe ich sie gern gehört, da besaßen ihre Songgebilde noch eine gewisse Größe, soweit ich mich recht erinnere. Vielleicht erinnere ich mich aber auch nicht recht und vielleicht höre ich sie deshalb nicht mehr.

Ein mittelalterliches Ikonenbild auf dem Albumcover, ein Image, das auch zu mir als mäßig Interessierten vorgedrungen ist, und was ist das Erste, was mir zu OM – State of Non-Return einfällt: Sex. Ganz profan und fleischeslüstern. Eine orientalische Bauchtanzschönheit mit goldener Haut und tiefschwarzen Mandelaugen, flimmernde Luft und nackte Haut, die in der Sonne glänzt. Überhebliche Psychologieerstsemesterer würden mir einen Post-It mit Ferndiagnose an die Stirn pappen, ich verteidige mich und sage: so abwegig ist das doch gar nicht. Vor allem die Drums kitzeln in der Hinsicht die Sinne. Diese lang nachhallenden, sandig rauschenden Beckenschläge inspirieren weniger zur spirituellen Einkehr als zu einem langsamen Hüftschwung (und der Erleichterung darüber, dass einen in diesem komischen Moment niemand sieht). Dann ist da natürlich noch der melodische Leitfaden, abwechselnd fortgesponnen von einzelnen Basstönen und einer Violine, der sich um die eigene Wahrnehmung wickelt wie eine Schlange. Ultratief, aber Stoner-flauschig brummender Bass massiert einem in den Strophen die Sinne, der Sprech-Gesang erinnert mich zwischendurch leicht an Neurosis, nur ist das hier näher am Steuerberater im Tibet-Urlaub als an der Zahnwurzel menschlichen Leids. Runde Sache eigentlich. Unaufgeregt, angenehm, empfiehlt sich (wahrscheinlich), um orientalische Bauchtanzschönheiten mit goldener Haut und tiefschwarzen Mandelaugen zu massieren.

Also Fan von Drone und musikalischer Lichtabsorption habe ich natürlich schon mal in das Oeuvre von Gnaw Their Tongues reingehört. Das Klangbild fand ich erwartungsgemäß ganz toll, was mich störte, war die amorphe/arhythmische Trägheit der Masse, sodass ich dann doch lieber bei meinem Mädchendrone mit seinem nachvollziehbaren dynamischen Verläufen blieb. In „Deepwood Bodytrap“ scheint sich das Problem von selbst erledigt zu haben, denn rhythmischen Halt gibt es in einer Mischung aus Black Metal und Militärästhetik. In der Folge klingt das Stück von allem, was ich von GTT bisher kenne, zunächst am meisten nach Song, ist aber bei näherer Betrachtung chaotischer als gedacht. Unter den Lagen von allesüberlagerndem, stählernem Hall und dichtem schwarzem Rauch gibt es erstaunlich viele und abrupte Richtungswechsel, je mehr man darauf achtet, desto schneller verliert man die Orientierung. Der stilvolle Noise Black Metal von GTT pendelt soundtechnisch je nach Moment, in dem man ihn erwischt, zwischen ausgefeilt und grobschlächtig, ist immer voll von lecker martialischer Dramatik und lässt ab und zu Violinen und Klavier grell über die aschene Leinwand schneiden. In der zweiten Songhälfte wird das um sich schlagen gezielter, „Deepwood Bodytrap“ steuert auf einen Höhepunkt zu, der erstaunlich und pervers feierlich gerät. Naheliegend war’s nicht, hat aber bestens funktioniert. Hervorragender Track, von allen Moshcore III-Kandidaten vermutlich mein liebster.

Deutlich eindrucksvoller kann’s danach erstmal nicht werden, welche Band auch immer folgt, hat also den Vorteil der gemütlich tieffliegenden Erwartungshaltung, aber mussten’s denn gleich If These Trees Could Talk sein? Diese meinerseits schnell abgeschriebene Versinnbildlichung von allem, was den modernen Post-Rock für mich zum Ärgernis macht (bin mir allerdings nicht völlig sicher, ob ich meine Abneigung zuvor je schriftlich öffentlich gemacht habe)? Lassen wir uns denn wirklich darauf ein, auf das leblose und formelhafte Abarbeiten von emotionalem Analogkäse und Spartenallgemeinplätzen? Ja, warum nicht. Die das leitende Thema ist nämlich ganz fein geraten und wird mit den donnernden Drums am Anfang auch noch so bleiern ernst vorgestellt, dass da fast zwangsläufig Sympathie aufkommen muss. Macht ja nichts, dass mit dem Finden eines Taktes das Ganze zu einer ziemlich buchstäblichen Version von Kinderkarussellpostrock verkommt. Und ist auch nicht schlimm, dass dieses Leitthema die einzige gute Idee ist, die die Jungs im Achteinhalbminutenverlauf haben. Manische Wiederholungen gibt’s natürlich nicht, manische Wiederholungen wären womöglich unbequem, daher wird das Leitthema immer wieder leicht variiert und die einzelnen Variationen mit melodisch unerheblichem Fugendichtungsmaterial verbunden. Alles ist schön und schwimmt in Theatralik, die flirrenden Gitarren malen ein weiß glitzerndes Winterwonderland. Zum Ende hin darf’s noch etwas mehr Verzerrung sein, aber das fällt kaum auf, weil die Band ihr Schießpulver zu gleichmäßig rationiert. Wenn ITTCT die Töne nicht in so einer gar entzückenden Reihenfolge angeordnet hätten, könnte ich „Red Forest“ womöglich gar nicht mal so gut leiden. Haben sie aber. Oh well. Weder zu den Akten.

xTOOLx‘ Sampler wog uns ja bisher (und abgesehen von GTT) in verhältnismäßiger Sicherheit. Das Granitkauen wollte er den Zuhörern offenbar bis zuletzt ersparen, aber eben doch nicht ganz, weshalb ich mich nun mit den Wadenbeißern von Old Man Gloom abmühen darf. Seit wann gibt’s die eigentlich wieder? Waren die überhaupt je richtig weg? Ach, wobei, so interessant finde ich die Fragen nun doch wieder nicht. Im Grunde stößt mich bereits diese Schreistimme ganz am Anfang von „Shuddering Earth“ ab, der tonlos brüllende Mann, in dessen dicht gekräuselten Barthaaren sich immer wieder Speichelfäden verfangen. Nach dem verkorksten Einstieg gibt es eine leider recht glanzlose Mischung aus vertracktem Mathcore und Sludge-Schwere. Der Song windet sich und wirft seinen Kopf nach links und rechts und hört noch vor Erreichen der Zweiminutenmarke urplötzlich auf damit. Warum? Den ersten Part fand ich zugegebenermaßen nicht sonderlich spannend, aber wesentlich besser ist die Aussicht auf über zwölf Minuten vereinzelte Basstöne, ein bisschen Kratzen und gequälte Schreie auch nicht. Nun gut, den wankenden Stoner Doom ab knapp fünf Minuten Spielzeit vergesse ich meistens, aber wenn ich bewusst drauf achten soll, bin ich froh, dass es ihn gibt. Danach bleiben einem immerhin nur noch 7:40 Minuten Geräusch. Das ist wahrscheinlich genau so nervig konzipiert worden, kommt mir aber doch arg ungeschickt vor. Die Songstruktur erinnert mich an eine Bettdecke, bei der sich die Daunen am vordersten Ende und dann noch irgendwo in der Mitte ballen, und der gesamte Oberkörper und vor allem Beine und Füße haben nichts als das dünne Bettlaken. Das ist natürlich ein in seiner Flauschigkeit grotesk unpassender Vergleich, vom Klangbild her entspricht die zweite Songhälfte eher den Schürfwunden auf meinem Handrücken. Aber bei Schürfwunden ist mir eine eventuelle Ungleichverteilung offen gestanden ziemlich egal, am besten ist es, wenn sie gar nicht da wären. Wie „Shuddering Earth“? Ja, so ein bisschen. Ganz am Ende setzt sich das planlose Brummen und Rauschen zu einer Melodie zusammen, Gänseblümchen wachsen aus dem blubbernden schwarzen Giftmüll, es wuchert und flötet ein paar Minuten und reicht dann auch.

Fazit: Gab hier schon Sampler, die mir mehr Mühe bereitet haben, aber xTOOLx wird wohl dennoch beim Lesen seine Rache planen. Sorry. Bin froh, dass ich das vom Herzen habe und jetzt hier zumindest nur noch ein Kandidat für mich bleibt und jetzt erstmal Milchreis und Hubert Selby Jr. und „Ed Wood“ und nichts nichts nichts