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So, bin wieder im Lande, frisch geduscht und ausgeschlafen und werd jetzt mal meine Eindrücke schildern
Anreise war bereits am Donnerstag Mittag, Einlass, Bändchenausgabe und Zeltplatzsuche haben hervorragend geklappt und insgesamt war das Festival sehr viel besser organisiert als im Vorjahr. Dafür schon mal Daumen hoch. Auch die von vielen bemängelten strengen Camping-Regeln wurden in der Praxis kaum durchgesetzt, wir wurden nicht mal oberflächlich kontrolliert. Wetter war auch super, entgegen aller Vorhersagen gab es an allen Tagen Sonne satt und sommerliche Temperaturen.
Soweit die Rahmenbedingungen, kommen wir zu den Bands:
Taake waren in dem doch recht mainstream-lastigen und auf Konsens getrimmten Billing einer der wenigen pechschwarzen Kontrapunkte, so dass der Metaldome trotz der frühen Anfangszeit einigermaßen gut gefüllt war. Unter den Zuschauern waren sicherlich auch viele, die vom Swastika-Skandal in Essen gehört haben und nun auf vielleicht auf ähnliche Ausfälle gewartet haben. Diese wurden aber enttäuscht, statt dessen gab es eine solide, stimmungsvolle BM-Show zu sehen, die die gefühlten 50 Grad Raumtemperatur in dem Zelt wenigstens etwas kühler erschienen ließ. Hat mir gut gefallen.
Als nächstes ging es dann zu Pestilence, wieder im Zelt, wie eigentlich fast alle Bands, die wir dieses Jahr unserer Aufmerksamkeit für würdig befunden haben. Der Legendenstatus der Band und ihr Verdienst um die Entwicklung des DM sind unbestritten, mich haben sie an diesem Nachmittag aber nicht gepackt, zu vertrackt und komplex war mir das Material an diesem Nachmittag.
Also flugs in die Sonne gesetzt und nen paar Dunkelbier gezogen (Huld@Bierauswahl an dieser Stelle!), während im Hintergrund Papa Roach die Kinderbespaßung übernommen hatten.
Weiter gings dann mit Samael, auf die ich mich an diesem Tag mit am meisten gefreut habe: Zu Ceremony of Opposites/Passage-Zeiten habe ich die Band geliebt, mit dem fortschreitenden stilistischen Wandel dann jedoch mehr und mehr aus den Augen verloren. Aus der experimentellen Phase gab es jedoch vergleichsweise wenig zu hören, dafür Kracher wie „Rain“, „Baphomets Throne“ oder „Worship Him“. Die ein, zwei Titel vom neuen Album „Above“ fand ich Live allerdings ziemlich nichtssagend und austauschbar. Unter Strich wars aber ein geiler Gig!
Nach Samael haben wir noch flugs bei Exodus reingeschaut, aber da das Zelt a) voll war, ich b) eh nicht so der Exodus-Fan bin und c) Rob Dukes sich mal wieder bereits in den ersten Minuten des Gigs mit hirnlosen Sprüchen über den Tod von Michael Jackson als eine der hohlsten Großfressen des Genres erwiesen hat, sind hier wieder abgehauen und sind duschen gegangen. Total Un-Metal, ich weiß^^
Frisch und ausgeruht, gestärkt mit Burger und Bier, gings dann zu meinem persönlichen Headliner des Abends: Blind Guardian. Die Band legte eine absolut professionelle und fast schon zu routinierte Perfomance hin. Hansi Kürsch trägt die Haare jetzt kurz und kam so viel gereifter, souveräner und weniger nerdig rüber, als man sonst manchmal den Eindruck hat. Die Setlist war vom feinsten und enthielt neben den üblichen Klassikern wie „Time Stands Still…“ oder „Bards Song“ auch einige echte Überraschungen bereit: „Lord of the Rings“, „Another Holy War“, „Punishment Divine“ oder „Turn the Page“ habe ich jedenfalls noch nicht so oft Live zu hören bekommen. Einziger Durchhänger war der Song, den sie für irgendein Computerspiel geschrieben haben, aber spätestens mit dem immer wieder genialen Rausschmeißer „Mirror, Mirror“ haben Guardian mal wieder gezeigt, wie Heavy Metal verdammt noch mal zu klingen hat.
Heaven&Hell waren dann die erste wirkliche Open Air Band für uns. Was soll ich sagen? Es war ein absolut magisches Erlebnis die Altmeister und wahren Gründerväter dessen, was wir Metal nennen, bei der Arbeit zu beobachten. „Time Machine“, „Mob Rules“, „The Sign of the Southern Cross“ und natürlich „Heaven&Hell“ bei untergehender Sonne und leichter Brise genießen zu können, war einfach geil.
Von den Gründervätern ging es dann zu den Erben: Zu später Stunde betraten Down eine der Zeltbühnen. Nach dem Ende von Pantera habe ich mich bisher eigentlich kaum mit dem Material der „Nachfolgebands“ beschäftigt, ein riesen Versäumnis, wie ich nach diesem Konzert feststellen muss….das so eine hochkarätig besetzte Allstar-Band schon irgendwas brauchbares zustande bringt, war mir zwar klar, aber dass mich Performance und Musik dermaßen umblasen, hätte ich nicht gedacht. Ich habe selten eine so intensive und dichte Atmosphäre bei einem Gig erlebt und bin selten auf Material, dass ich im Grunde kaum kenne, derart abgegangen wie an diesem Abend. Einfach nur geil, die Platten der Band sind selbstverständlich schon geordert.
Headliner des Abends waren dann Mötley Crüe, die wir uns beim Chillout-Bier gemütlich auf dem Rasen sitzend angesehen haben. Ich kann mit der Musik der Truppe eigentlich nur wenig anfangen, mit dem richtigen Pegel haben Songs wie „Shout at the Devil“, „Girls, Girls, Girls“ aber auch „Saints of Los Angeles“ zwar Spaß gemacht, wir sind aber trotzdem etwa nach der Hälfte des Sets abgehauen, um uns den restlichen Bierdosen in unserem Zelt zu widmen.
Der Samstag begann unschön um 6 Uhr früh mit einer spektakulären Verfolgungsjagd auf ein Arschloch, dass versuchte unsere am Zaun festgemachte Sackkarre zu stehlen. Ohne ins Detail gehen zu wollen: Er hat es nicht geschafft.
Auch musikalisch war der frühe Samstag nicht wirklich der Bringer: Keep of Kalessin langweilten mit durchgestyltem Designer-BM, der einfach nur belanglos in meinen Ohren klang.
Künstlerisch waren da Negura Bunget schon von ganz anderem Kaliber: Die sympathischen Rumänen standen schon länger auf meiner Ancheck-Liste und obwohl ich keine Ahnung habe, wer nach dem kürzlichen Split da jetzt eigentlich auf der Bühne stand, fand ich die Performance begeisternd. Melodischer, tief berührender Black Metal, gepaart mit traditionellen Holzinstrumenten der slawischen Folklore – eine wunderbare Erfahrung, die wir allerdings nur mit einer Handvoll anderer Leute geteilt haben – kein Wunder haben doch kurz vorher die unsäglichen All Shall Perish die Massen mit ihrem angesagten wasweißichfürdeathcoremetalofodin-scheiß gefüttert.
Nach so hoher Tonsetzerkunst mussten Kataklysm dagegen einfach abstinken. Obwohl ich dem leicht verdaulichen Party-Death Metal der Band sonst durchaus etwas abgewinnen kann, hatten wir keinen Bock uns durch den im Schnitt 15einhalb-jährigen Mob zu schlagen, um die Band vernünftig zu sehen.
Eigentlich hätten jetzt Hatebreed auf unserer Liste gestanden, aber da die Band durch die Killswitch Engage-Absage nach hinten verschoben wurde, hieß es warten auf Legion of the Damned. Die hatten in Dessel quasi Heimspiel, trotzdem war Sänger Maurice so höflich seine Ansagen auf englisch zu machen um dem internationalen Flair des Festivals Rechnung zu tragen. Der Gig war gut und routiniert wie immer, zeitloser, aggressiver Thrash/Death Metal ohne Schnörkel aber auch ohne Überraschungen. Sehr solide.
Nach einer Dusch- und Grillpause am Zelt ging es dann zu Wolfes in the Thronerroom, auf die ich mich ebenfalls sehr gefreut hatte. Leider wollte der Funke überhaupt nicht überspringen, der magische Wouw!-Moment, der mich jedesmal überkommt, wenn ich die Platten höre, blieb leider aus, ohne dass ich sagen könnte, warum.
Ernüchtert haben wir auf der Wiese sitzend dann auf Death Angel gewartet, während im Hintergrund Journey mit ihrem Classic Rock für eine angenehme Hintergrund-Beschallung sorgten. Leider war unser Warten vergeblich, denn während wir am Zelt waren, hatten Death Angel mit Gojira die Spielzeit getauscht und waren wahrscheinlich schon lange auf dem Heimweg, als wir ins Zelt kamen.
Da wir auf Gojira keinen Bock hatten, haben wir uns wieder auf die Wiese gesetzt und bei völlig überteuertem Backfisch Korn gelauscht. Ich habe dabei jedenfalls wieder mal deutlich erinnert, warum ich diese Band absolut Scheiße finde.
Gerettet wurde der Abend dann von Volbeat: Zwar ist der Rockabilly-Metal der Dänen keine große Kunst und gibt mir auf Platte längst nicht so viel, wie manch anderen, Live ist die Band aber eine Macht und absolut unterhaltsam. Höhepunkt des Sets war natürlich „Sad Mans Tongue“, gewidmet dem vor fast exakt einem Jahr verstorbenen Vater des Frontmannes. Großes Kino, ehrlich und schweißtreibend.
Seitdem ich im November mehr oder weniger unfreiwillig in Berlin Slipknot auf der „All Hope is Gone“-Tour gesehen habe, habe ich zumindest was die Musik angeht, meine Meinung über die Band revidiert. Man muss anerkennen, dass Slipknot von der gehypten Teenie-Combo zu einer großen Metalband gereift sind, die den Headliner-Slot auf dem Graspop durchaus angemessen ausgefüllt haben.Show, Licht und Performance waren gut, für meinen persönlichen Geschmack hätte es aber trotzdem etwas anderes sein dürfen.
Nachdem wir noch bis tief in die Nacht mit netten Leuten aus Holland und Deutschland getrunken und gequatscht haben, hieß es am Sonntag bereits recht früh auf zum Endspurt mit UFO: Der bluesige Hardrock weckte die Lebensgeister und ließ das Verlangen nach einem ersten Konterbier aufkommen.
Warbringer waren dann für mich eine der Überraschungen des Festivals: Gemeinhin gehen mir eigentlich alle diese Retro-Thrasher und ihre peinliche 80er-Verklärung mächtig auf den Piss, an Warbringer habe ich aber immer schon geschätzt, dass die Band bei aller Old School- Attitüde kapiert hat, dass wir 2009 schreiben und diesen Umstand auch in ihre Musik einfließen lässt. Zu sehen gab es ein geiles Set, voller Schweiß, Testosteron und Chaos – welcher Idiot hat eigentlich neulich rumgenörgelt, auf Metal-Shows würden die Leute ihre Energien nicht rauslassen?
Lamb of God waren dann wieder eine der wenigen Bands, die ich auf der Hauptbühne gesehen habe: Ich kann zwar die immerwährenden Pantera-Vergleiche in keinster Weise nachvollziehen, an diesem Nachmittag haben LoG aber wieder einmal eindrucksvoll bewiesen, warum sie eine der besten und – für mich eine der wenigen ernstzunehmenden Bands des modernen amerkikanischen Metals sind.
Mein persönlicher Höhepunkt des Tages waren dann Suicidal Tendencies: Die Musik, zu der man sich früher auf dem Skateboard die Knie aufgeschlagen hat, endlich Live sehen zu dürfen ist schon ein geiles Gefühl. Bereits der erste Song „You Can´t Bring Me Down“ war alle Mühen des Festivals wert, so sehr bin ich abgegangen. Der Gig war natürlich Phänomenal, Hit reihte sich an Hit, und als dann am Ende zum Entsetzen der Security Mike Muir die Fans aufforderte die Bühne zu stürmen, gabs kein Halten mehr. Sehr cool war auch der Vater, der sich mit seinem vielleicht 10-jährigen Sohn im Arm nach vorne durchmoshte um den Kleinen mit auf die Bühne zu stellen. Hinterher hab ich das Kerlchen. vor Stolz grinsend wie Oskar, mit Mikes Bandana um den Kopf über das Gelände rennen sehen.
Nach soviel Action haben wir uns sowohl Devil Driver, als auch Disturbed weitestgehend geklemmt und sind wieder mal duschen gegangen. Nicht dass es was genutzt hätte, den bei der subtropischen Schwüle des Tages waren die Klamotten nach 10 Minuten eh wieder durch.
Schweiß in Strömen floss dann auch wieder bei Anthrax, bei denen ich noch warm von ST wieder alles gegeben habe. Auf Platte finde ich die Band eigentlich nur mäßig spannend, aber wer bei so tight gespielten Klassikern wie „Caught in A Mosh“, „Among the Living“, „Only“ oder „I Am the Law“ ruhig bleiben kann, hat eh ein Problem. Den neuen Sänger Dan Nelson fand ich überraschend souverän und routiniert. Es gehört schon einiges dazu, sich vor so eine komplizierte Band wie Anthrax hinzustellen und die Frontsau zu geben.
Nach Anthrax war dann chillen bei Nightwish angesagt. Ich kann nicht beurteilen, wie die Band mit Tarja geklungen hat oder wie die insgesamt Live waren, aber bei aller Sympathie für die Neue: Das Mäuschen passt einfach nicht. Viel zu lieb, viel zu fröhlich und vor allem viel zu belanglos. Da nutzt es auch nix wenn der Rest der Band auf der Bühne den Jägermeister rumgehen lässt, in dieser Form sind Nightwish wirklich nur übler Pussy Metal.
Zum guten Schluss hieß es nochmal alle Kraftreserven zu mobilisieren, den Sick of it All baten zum Tanz. SOIA sind eine der wenigen HC-Bands die ich mir gerne ansehe und ich wurde auch diesmal nicht enttäuscht: Energie pur, ein Circle Pit durch die ganze Größe des Zeltes und die obligatorische Wall of Death: Bei dieser Band macht all das Spass, wirkt authentisch und geht komischerweise auch ganz ohne Kung Fu-Kinder ab. Schöner Ausklang.
Zu Marilyn Manson sei noch der Vollständigkeit halber gesagt, dass er gespielt hat. Mehr aber auch nicht.
Wir haben den Abend erst im Biergarten und dann noch am Zelt ausklingen lassen und dabei festgestellt, dass Jung-Metaller mit zunehmendem Alkoholkonsum scheinbar zwangsläufig eine fast schon erotische Zuneigung zu Müll fassen….^^
Fazit: Trotz des recht durchwachsenen Lineups hatten wir jede Mange Spass und ich kann mir sehr gut vorstellen auch nächstes Jahr wieder zu kommen. Dazu trägt vor allem die diesmal vorbildliche Orga, die gute Stimmung und der internationale und im besten Sinne des Wortes familiäre Charakter des Festivals bei. Dass man uns beklauen wollte ist zwar ärgerlich, kann aber überall vorkommen.
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"Heavy Metal in my ears Is all i ever want to hear. Before the sands of time run out , We'll stand our ground and all scream out! Manilla Road - Heavy Metal to The World On Tour: 11.06. Rockfels - Loreley Freilichtbühne, St. Goarshausen last.fm Musik-Sammler