Re: Eddies Plattenkiste: Die 90er Jahre

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MetalEschi

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Pearl Jam – Ten
1991

Eddie Vedder (v.)
Stone Gossard (g.)
Mike McCready (g.)
Jeff Ament (b.)
Dave Krusen (dr.)

Die frühen Neunziger bedeuteten für die Rockmusik eine Zeit des Umbruchs. Statt wilder, schrill-bunter Rock ’n‘ Roll-Eskapaden hielten plötzlich Flanellhemden und eine Rückbesinnung aus musikalische Tugenden Einzug, die völlig ohne Image funktionierten. Die Protagonisten des Grunge-Sounds, der von Seattle aus die Welt stürmte hießen Soundgraden, Nirvana oder auch Alice In Chains (auch wenn Letztere dank das erhöhten Metal-Anteils noch irgendwie eine Sonderrolle einnahmen). Musikalisch gab es mehr zu entdecken als in der noch kurz zuvor so populären Glam- und Poser-Welle, und auch wenn die eher düsteren, nachdenklichen und zeitweise depressiven Texte nicht jedermanns Sache waren und einige Verfechter der reinen Lehre die Bands, teilweise nachvollziehbar als „erbärmliche Jammerlappen“ bezeichneten, sprachen die Songs der so genannten Generation X aus der Seele. Viele tanzten nur einen Sommer, bevor sie sich heimlich, still und leise wieder verabschiedeten, eine Band jedoch hat die Zeit überlebt, Pearl Jam sind als einzige der großen Grunge-Bands noch heute aktiv und ihr Debütalbum fungierte schnell als Sprachrohr einer gesamten Jugend.

Gegründet wurden Pearl Jam aus den Überresten von Mother Love Bone, die sich nach dem Tod ihres Sängers auflösten. Der aus San Diego stammende Eddie Vedder übernahm den Posten des Frontmanns, und er ist es auch, der mit seinem unverkennbaren Timbre der Band den Erkennungsstempel aufdrückt. „Ten“ zieht seine Kraft vor allem aus der punkigen Direktheit, die kein Pearl Jam-Album nachher mehr transportieren konnte. Emotional und aufwühlend klingen die Songs, die wie unterschiedliche Momentaufnahmen der menschlichen Gefühlswelt erscheinen. „Once“ und „Alive“ präsentieren sich als kampfeslustige Frustventile, mit unverbrauchter instrumentaler Durchschlagskraft und stimmlichem Vulkansgestein, „Black“ und „Release“ begehen dunkelste Pfade innerer Niedergeschlagenheit und pressen jegliche Form der Verzweiflung mit markerschütterndem Wolfsgheul heraus. „Jeremy“ konfrontiert den Hörer mit knallharten Fakten, wirft ihn ins eiskalte Wasser und überlässt es ihm selbst, Schlüsse aus der doch so kaputten Welt da draußen zu ziehen. Und die Hoffnunhg, die man aus alledem zu schöpfen vermag, flammt zwischendurch immer wieder auf und macht aus „Ten“ so etwas wie einen letzten Strohhalm, an den man sich klammer kann, der sich aber bei näherer Betrachtung als erstaunlich stabil und reißfest entpuppt.

Eddie Vedder’s Lyrics gehen auch deshalb unter die Haut, weil sie, wie so oft zitiert, sehr persönlich gehalten sind, ihm selbst ist es nie sonderlich leicht gefallen, seine Inhalte und sein Leben als Musiker mit anderen durch Interviews und Blicke Hinter die Kulissen zu teilen, weshalb die Band schon kurz nach dem Release des Debüts sämtliche Anfragen ablehnt und fortan nur noch die Musik für sich sprechen lässt. Dennoch erreicht man durch smarte Aktionen ein paar Veränderungen in der Musiklandschaft: Gegen das britische Chartsystem protestiert man, indem man dem Zweitwerk „Vs“ eine Kassette beilegt, wodurch die Scheibe automatisch aus der Wertung fällt, vor Gericht erreicht man, dass die Gebühren für Konzerttickets künftig separat ausgewiesen werden müssen. „Ten“ stürmte die Charts erst knapp ein halbes Jahr nach seinem Release, war im Jahr 1992 allerdings eines der erfolgreichsten Rockalben überhaupt, und Anfang 1993 hatte man Nirvana’s Nevermind geschlagen und galt somit unangefochte als die wichtigste Band der Grunge-Bewegug. „Ten“ ist bei nüchterner Betrachtung aller Wahrscheinlichkeit nach noch nicht einmal das beste Album der Band („Vs“, „Vitolagy“ und auch einige der Nachfolgescheiben wirkten musikalisch gereifter), den Wind, den Pearl Jam mit ihrem Debüt ausgelöst haben, werden sie aber nicht mehr entfachen können.

http://www.youtube.com/watch?v=zGZ_QroivMU

Das vielfach preisgekrönte Video zu Jeremy in der Uncut-Version

http://www.youtube.com/watch?v=AFVlJAi3Cso

Live-Version von Black

http://www.youtube.com/watch?v=VbhsYC4gKy4

Live-Version von Alive mit einem stilecht ausflippenden Eddie Vedder

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