Re: Eddies Plattenkiste: Die 90er Jahre

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Musicafficionado

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SaroVÖ: 1990

Mark Reale: guitars
Tony Moore: voc.
Don Van Stavern: bass
Rob Jarzombek: drums

Tracklist

1. On Your Knees
2. Metal Soldiers
3. Runaway
4. Killer
5. Dance of Death
6. Storming the Gates of Hell
7. Maryanne
8. Little Miss Death
9. Black Leather and Glittering Steel
10. Racing with the Devil on a Spanish Highway

Vorwort

Da in diesem Threat schon lange nichts mehr geschrieben wurde, aber noch zig geniale Alben auf ihre Vorstellung warten, werde ich diesmal meinen Senf zum 1990er Werk von Riot abgeben. Auf die Geschichte der Band werde ich nicht weiter eingehen, da ich dazu ja schon im 80er-Thread (Thundersteel) etwas geschrieben habe.

Das Album

Nach dem phänomenalen 88er Reunion-Album Thundersteel und ausgiebigem Touren, vor allem in Japan, wo die Band ihre grössten Erfolge feierte, veröffentlichte man 1990 den Thundersteel-Nachfolger The Privilege of Power. Dieses Meisterwerk, ebenfalls von Sangesgott Tony Moore eingesungen, hält nicht nur das Niveau seines Vorgängers, nein, es topt ihn sogar.
„Privilege“ ist zudem das progressivste Riot-Album. Doch keine Angst, hier wird zwar wie wild experimentiert, doch bleibt man in allen Belangen seinem Stil treu.

Der Opener und Nackenbrecher On your Knees wird durch ein Instrumentalstück eingeleitet, welches zusätzlich durch Samples in Form von Stimmengewirr und Politiker-Zitaten begleitet wird. Ich persönlich kann bis auf die letzten beiden Sätze zwar nichts heraushören, doch diese lassen keinen Zweifel darüber, woher der Wind weht.
Noch während die Sätze abklingen, blasen Riot einem mit On your Knees die Rübe von den Schultern. Ungewöhnlich, aber überaus wirksam, fallen dem Hörer erstmal die Bläser auf. Bläser und Speed Metal? Ich weiss, hört sich nicht verlockend an. 😉 Das Endprodukt kann sich aber mehr als hören lassen, denn die Bläsereinsatze sind so perfekt in den Song integriert, dass man, hat man sich erstmal daran gewähnt, sie sich nicht mehr wegdenken kann und möchte. Wie man es nicht anders kennt, verwöhnt uns Mark Reale mit einem klasse Gitarrensolo, bevor es zu einem sehr gelungenen Zusammenspiel von Gitarren, Bläser und Scratches (!) kommt. Ja, ihr habt richtig gelesen. Ist der Gedanke an Bläsern schon recht ungewöhlich, mag die Vorstellungskraft des einen oder anderen Metalheads bei Scratches in einem klassischen Speed Metal-Song, an ihre Grenzen stossen. Dass aber auch diese für den klassischen Metal untypischen Klänge mit dem Rest des Songs harmonieren und in keinster Weise aufgesetzt wirken, spricht für die musikalische Klasse dieser Ausnahme-Band.

Metal Soldiers, eine stampfende Midtempo-Nummer, eingängig und heavy, wird ebenfalls mit einem Intro eingeleitet. Ansonsten verzichtet man jedoch auf Experimente und geht auf Nummer Sicher. Das soll jetzt keinesfalls bedeutet, dass es sich bei diesem Stück um „Ware von der Stange“ handelt. Metal Soldiers ist zwar nicht DER Metal Song, spielt aber dennoch locker in der obersten Liga mit!

Nur Speed und Schwermetall ist zwar schön, aber den Radiostationen muss ja auch was geboten werden. Ausserdem braucht die neuen Kuschelrock noch ein paar Beiträge. Die Ballade Runaway bildet mit dem rockigen Maryanne (genialer Song!) eine gelungene Abwechselung zum ansonsten alles andere als kommerziellen Rest des Albums. Sollte jemand nun die Befürchtung hegen hier ein zweites Wind of Change erdulden zu müssen, dem kann ich Entwarnung geben. Auch wenn Runaway eine absolut radiotaugliche Ballade darstellt, zweifelt man doch keine Sekunde daran, dass hier eine Metal-Band und nicht etwa James Blunt am Werk ist.

Ok. Ballade „überstanden“; es kann weiter gerockt werden.^^ Killer ist einwandfrei als Metal-Song zu identifizieren, hält aber wie schon On your Knees einige Überraschungen bereit. Nach dem heavy Eröffnungsriff setzten auch hier Bläser ein, die das ganze Lied begleiten und dem Stück so einen nicht zu verleumdenden Jazz-Touch verpassen. Um das truemetallische Universum völlig aus der Bahn zu bringen, wechseln sich Tony Moore und ein mir bislang unbekannter Gastsänger am Mikro ab und -ja, ich würde schon fast sagen-, rappen (!) sich einen Wolf. Klar. Spätestens seit Body Count oder Faith No More (Epic; 1989) ist das nichts ungewöhnliches mehr, aber bei Killer handelt es sich eigentlich um einen klassichen Metal-Track, was die Mischung aus Metal, Bläser und Rap nochmals um einiges interessanter werden lässt^^

Soderle. Vorerst wurde genug „geprogged“. Dance of Death ist Speed Metal in Reinkultur und weisst alle Trademarks der Riot-Speed-Phase auf. Unglaublich schnelles Drumming, einen sich in Extase spielenden Mark Reala, einen super eingängigen Refrain und einen Tony Moore am Mikro, der singt, als gäbe es keinen neuen Morgen mehr. Grandios!
Und wenn man schon das Gaspedal durchgetreten hat, kann man auch gleich da weiter machen, wo man ein Lied zuvor aufgehört hat. Storming the Gates of Hell prügelt und knallt, kreischt und faucht, dass einem Hören und Sehen vergeht. Untermalt wird dieses Abrissbirne von immer wieder ertönenden Jagdhörnern, welche die Geschwindigkeit noch untermauern und dem Stück so noch eine zusätzliche, gehörige Portion Power einverleiben.

Es folgt das bereits erwähnte Maryanne. Hierbei handelt es sich um eine klassische Radiorock-Nummer. Der gnadenlos geile sowie eingängige Refrain, lässt deses Stück zu einem grandiosen Ohrwurm avancieren, den man so schnell nicht wieder vergisst!
Little Miss Death, mit Bläser und Keyboard veredelt, ist mit einem Kehrreim gesegnet, der jeder Beschreibung spottet. Man muss es gehört haben, um begreifen zu können^^ Aus diesem Grund werde ich das Stück auch als Hörprobe einfügen.
Die vorletzte Nummer, Black Leather and Glittering Steel, ist lyrisch keine Glanztat. Aber sind wir doch mal ehrlich. Ein Speed/Power Metal-Album ohne Leather, Power o.ä. geht einfach nicht. Und wenn einem die Doublebass und Moores genialer Gesang erstmal eine neue Föhnfrisur verpasst haben, hat selbst der prüdeste Ich-bin-ja-sooo-intellektuell-Metaller den Text wieder vergessen und erinnert sich vielleicht sogar daran, das Metal in erster Linie Spaß machen soll.

Das i-Tüpfelchen bildet das Al DiMeola -Cover Racing the Devil on a Spanish Highway. Hier beweisen Riot auch dem letzten Zweifler ihre musikalische Klasse. Obwohl die riotsche Eigeninterpretation deutlich metallische Merkmale erkennen lässt, bleibt die Jazz-Note erhalten.

Ich schireb ja anfangs, dass hier wie wild experimentiert wird. Das muss ich nun revidieren, denn alle Spielereien, wenn man es denn so nennen möchte, sind derart wirkungsvoll in die einzelnen Stücke eingearbeitet, dass man nicht von experimentieren sprechen kann. Nein. Diese Band weiss was sie tut.
The Privilege of Power ist mutig, schnell, gefühlvoll, heavy, jazzig, anders, genial und hat richtig dicke Eier! Riot zeigen sowohl Mut für das Neue, als auch musikalisches und kompositorisches Können auf ganzer Linie. Fans des Thundersteel-Albums werden hier genau so fündig wie Liebhaber progressiver Musik. The Privileg of Power ist ganz grosses Tennis und meiner Meinung nach eines der stärksten Alben der 90er, von einer der stärksten Metal-Bands des Planeten. Pflichtkauf!

Einziger, subjektiver Schwachpunkt sind die teils langen Intros, welche sich nicht vorskippen lassen, ohne, dass man sofort den ganzen Song überspringt. Hört man sich die Platte am Stück an, stört das nicht weiter. Möchte man sich allerdings einen Sampler erstellen, kann das doch schon abfucken. Das sollte jedoch niemanden davon abhalten, sich diesen schmucken Silberling ins Regal zu stellen!

Riot – On Your Knees
http://www.youtube.com/watch?v=rBaXN12X7fI

Riot – Killer
http://www.youtube.com/watch?v=58Q939QYmyc&feature=related

Riot – Dance of Death
http://www.youtube.com/watch?v=amWY6EKR1XI&feature=related

Riot – Maryanne
http://www.youtube.com/watch?v=WTfBBDLLiko

Riot – Little Miss Death
http://www.youtube.com/watch?v=5RJxrAgH2dI

ENDLICH; DER MANN MIT DEM PLAN!!!

10 Punkte für die Plattenkritik, 9,5 Punkte für die Scheibe, ein paar kleine Oberer -Durchschnitt-Nummern wie Runaway trüben den glanzvollen Eindruck ein wenig, aber es ist die beste RIOT Platte, ohne wenn und aber, da kommen auch Fire down under und Thundersteel (etwas schwächerer Sound) nicht mit. Ich habe einen Metaller gefunden, hurraaaaa!!! :8)

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