Re: Eddies Plattenkiste: Die 90er Jahre

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Saro

Registriert seit: 13.10.2010

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Herman Frank: guitars, backing vocals
Fernando Garcia: lead vocals
„Fargo“ Peter Knorn: bass
Tommy Newton: guitars, backing vocals
Fritz Randow: drums

Tracklist

1. Rock ‚N‘ Roll Kids Forever
2. Backseat Rider
3. Standing Like A Rock
4. All Aboard
5. Hell And Back
6. Temples Of Gold
7. Take The Pace
8. Rock The Neighbours
9. Mr. President
10. Break Away
11. Fighting Back The Tears
12. The 9th Of November
13. More And More (Live)
14. Don’t Tell No Lies (Live)
15. Never Satisfied (Live)

Victory

Zur Entstehungsgeschichte der Band und den Erfolgen in den 80ern habe ich ja schon etwas geschrieben. Alles nachzulesen im 80er-Thread zum Album Hungry Hearts von Victory.
Eine kleine Ergänzung noch: Nachdem man sich vom bisherigen Frontmann Charlie Huhn getrennt hatte, übernahm Fernando Garcia das Mikro. Es fällt sofort auf, dass man nicht nach einer Huhn-Kopie suchte. Garcias Gesang war definitiv eigenständig. Der Schweizer war aber trotzdem in der Lage, auch die älteren Victory-Gassenhauer wie Check’s In The Mail perfekt umzusetzen. Was schon mit Charlie Huhn gelang, wurde mit Fernando Garcia erfolgreich fortgesetzt. Das 89’er Garcia-Debut Culture Killed The Native erreichte in Deutschland Platz 18 der Charts und die beiden Singles Don’T Tell No Lies und Never Satisfied erhielten über Europa hinaus, auch in den USA und Kanada Airplay in Radio und auf MTV. Es folgte im Rahmen der Welttournee die erste Tour durch Kanada.

Das Album

1990, nur ein Jahr später, wurde auch schon der Nachfolger Temples Of Gold auf die Menschheit losgelassen. Wie sein Vorgänger konnte auch Temples hierzulande eine Chartplatzierung unter den Top 20 für sich verbuchen.
Äusserst relaxtes Gitarrenspiel und Chorgesang täuschen darüber hinweg, dass mit dem Opener Rock ‚N‘ Roll Kids Forever gleich die Post abgeht. Als ich das Album kurz nach Release das erste Mal hörte und ganz zu Anfang dieses „Dudududub Dududu Dudududub Dudududuuuu“ erklang, war ich erst wie vor den Kopf gestoßen. Ich war gerade auf dem besten Wege in meine Je härter je besser-Phase, und dieses Gedudel passte mir da gar nicht in den Kram. Doch die Schockstarre hielt nur wenige Sekunden an, denn schon setzten fette Gitarren ein, die mir und auch jedem anderen Heavyrock-Fetischisten ein zufriedenes Lächeln ins Gesicht meißeln, welches, da gebe ich mein Versprechen drauf, bis zum Ende beibehalten wird.
Victory standen in allen Phasen ihres Schaffens für extrem eingängigen, melodischen und trotzdem hart an der Grenze zu metallischen Gefilden befindlichen Hardrock. Das Eröffnungsstück vereint all diese Trademarks auf harmonischste Weise.
Vom Stil her etwas schleppender, aber keineswegs weniger eingängig, geht es mit dem Stampfer Backseat Rider weiter. Garcias Gesang ist vielleicht nicht jedermanns Sache, doch wer ihn mag, dem werden beim Genuss von Backseat Rider die Augen feucht. Das Stück ist absolut perfekt auf den Sänger zugeschnitten. Hier schreit, singt, und kreischt er, dass es eine wahre Freude ist ihm zuzuhören. Flankiert wird der Gute durch die für Victory so typischen Background Vocals, die dem sehr dominanten Organ Garcias ein wenig die Schärfe nehmen, aber auch nur gerade so viel, dass alles in perfektem Einklang miteinander funktioniert.

Auch wenn der Name Victory bei vielen heutezutage höchstens noch die Erinnerung an die namenhaftesten No-Name-Sportschuhe der 80er weckt, so sei gesagt: Hinter dieser Band steckten gestandene Musiker und großartige Songwriter. Klang das erste Album noch ein wenig orientierungslos (wenn auch nicht schlecht!), so kann man die nachfolgenden Werke getrost als Klassiker des Hard/Heavy Rocks sehen. Maßgeblich daran beteiligt war wohl Herman Frank (damals noch Ex-Accept), der dem eher rocklastigen Songwriting von Newton und Knorn eine metallische Note verlieh. In Verbindung mit Randows (heute Saxon) Powerdrumming und den klasse Vokalisten Huhn und Garcia, ein todsicheres Rezept für überdurchschnittliche gute Rock/Metal Alben.

Hell And Back ist der fünfte Song auf Temples Of Gold und ein Paradebeispiel für die härteren und stark vom klassischen Metal beeinflussten Victory-Stücke. Straight nach vorne, kurzweilig und voll auf die Zwölf, sind Lieder wie eben dieses bestimmt auch ein Grund dafür, dass die Band nicht nur Anhänger unter den Fans der rockigen Klänge fand, sondern auch unter gestandenen Metallarbeitern.
Der Titeltrack, ein klassicher Victory-Stampfer, ist ein Ohrwurm in wirklich allen Belangen. Das charakteristische Riff geht genau so gut ins Ohr wie der göttliche Refrain. Ich möchte so weit gehen und behaupten, dass diese Nummer mit einem Fuß sogar schon die Grenze zum Epischen überschreitet. Logisch. Gegen ein Stairway To Heaven oder ein Sabbath Bloody Sabbath kann Temples nicht anstinken, aber es kratzt an der Schwelle 😉
Die nächsten knapp 20 Minuten bleibt dann erstmal keine Zeit zum Verschnaufen, denn während der folgenden Songs tritt die Band richtig auf die Tube. Angefangen beim, in allen Belangen göttlichen und jahrelang als Konzert-Opener dienenden Take the Pace -hier blüht Randow so richtig auf. Es folgen Rock The Neighbours und Mr. President, welche beide Arschtrittnummern vor dem Herrn sind. Es gibt zwar kein einziges schwaches Victory Album, doch Temples Of Gold ist mit Sicherheit eine Sternstunde in der viel zu kurzen Band-Disko. Auf dem 90er Werk gibt es die Hannoveraner in Bestform zu bewundern.
Eine Ballade gibts natürlich auch. Das mit edem so herllich kitschigen Titel versehene Fighting Back The Tears ist zwar kein schlechtes Liedchen, wird meinerseits aber auch gerne mal vorgeskippt, weil es halt doch nicht an Balladen-Klassiker wie Empty Rooms ranreicht und den Hörgenuss, je nach Tagesform, ein wenig beeinträchtigen kann.
Gegen die flankierenden Stücke Break Away und The 9th Of November gibt es wiederum überhaupt nichts auszusetzen. Coole Gitarren, fantastische Refrains, super Gesang, tolles Songwriting – typisch Victory halt.

Abgerundet wird dieses tolle Album mit der schon auf der Erstpressung enthaltenen Live-EP, welche auf der CD-Version aus den Klassikern More And More, Don’t Tell No Lies und Never Satisfied vom 89er Album besteht. Auf Vinyl bestand die EP sogar aus 6 Liedern. Aufgenommen wurden die Nummern während der 89er Tour in Los Angeles. Die Band, sowohl die Instrumentalfraktion als auch Fernando Garcia (heute bei Godiva), zeigen sich von ihrer besten Seite. Auch wenn Huhn der vielleicht bessere Sänger war, so besitzt sein Nachfolger ganz klar die besseren Entertainerqualitäten. Einer außergewöhlicher und sehr gelungener Abschluss eines herausragenden Albums. Nicht umsonst gehört dieses Scheibchen seit Release zu meinen absoluten Faves.

Victory – Backseat Rider
http://www.youtube.com/watch?v=Ct3h64DgA4U&feature=related

Victory – Standing Like A Rock
http://www.youtube.com/watch?v=EOfN4D98mO4&feature=related

Victory – Hell And Back
http://www.youtube.com/watch?v=2sUATq766PY&feature=related

Victory – Take The Pace
http://www.youtube.com/watch?v=zDiP4mLoPoo

Victory – Rock The Neighbours
http://www.youtube.com/watch?v=VYeQGbpU-C0&feature=related

Es gibt kaum Bilder von der Truppe im Netz. Deshalb habe ich genommen, was ich kriegen konnte 🙂