Re: nächtliches tummeln in der Stadt – Ergebnisse

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Moloch

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Nachdem Turms Sampler gestern nun unter RL-Bedingungen getestet wurde, versuche ich hier noch einmal mein Ergebnis zu rekapitulieren.

Eine Reise durch verlassene und dunkle Straßen bei Nacht:

1. Ulver – Lost In Moments
Böswillig könnte man das jetzt einen sehr plakativen Einstieg nennen. „Perdition City“ von Ulver hat nunmal die urbane Atmosphäre in der elektronischen Musik auf die Spitze getrieben und perfektioniert. Über das komplette Album wird die gesammte Pallette an Sinneseindrücken abgearbeitet, welche einem das Stadtleben vermitteln kann. Lost In Moments erinnert mich dabei immer wieder an das Gefühl wie man gerade aus dem Umland in eine Großstadt wahlweise mit dem Zug oder der S-Bahn in die Stadt einfährt, aus dem Bahnhof rauskommt und langsam alles (teilweise auch vielleicht (in meinem Fall) ungewohntes) nacheinander aufnimmt, bis einem plötzlich wieder einfällt warum man eigentlich angereist ist.
Das fängt mit dem eher störrischen Beat am Anfang und dem zwischendurch immer wieder innehalten an, geht über die geschickten Saxophon-Einspieler weiter und endet mit den dezenten, teilweise etwas schwer verständlichen Gesangspassagen und dem am Ende ausbrechendem Sopran. Gerade als Opener für diesen Sampler und für das Album fungiert das Lied perfekt.
Warum also jetzt nur eine Punktzahl von 9,5 wo es doch so perfekt ist? Ehrlich gesagt ist das rein subjektives Empfinden. Ich finde das Lied echt klasse, aber die folgende Songs des Albums können den Opener noch einmal um einige Quäntchen schlagen und so bleibt im hinterletzten ganz versteckten Platz im Magen ein leichtes Flaue-Gefühl. Es fühlt sich so an, als hätte man das Pulver schon ganz am Anfang verschossen. Vielleicht ein bisschen schwer verständlich…

9,5/10

2. DJ Krush – Pretense

Das Lied nimmt den Faden da auf, wo Lost In Moments ihn späktakulärst fallen gelassen hat. Anfängliche Stille wird nur von einem leisen Klingeln durchbrochen, bevor sich ein sehr repetiver Beat in den Vordergrund schält, welcher nur von entfernt klingenden, leisen Sprachsamples und leichten Variationen im Vordergrund abgewechselt wird.
Es klingt tatsächlich so, als ob man langsam den belebteren Bereich der Stadt verlässt und in die Dunkelheit eintaucht. So fügt sich das Lied als solches sehr gut an den Anfang mit Ulver ran. Einzig der stille Anfang grenzt das Lied seltsam Ab und lässt es doch etwas für sich alleine Stehen und das ständig wiederkehrende klingeln klingt fast ein wenig fremd in der Klanglandschaft. Das heißt aber nicht das die Atmosphäre des Samplers drunter leidet. Durch die kürze des Liedes und durch seine relativ klare Aussagekraft kann ich allerdings gerade schwer auf das weitere Schaffen von DJ Krush schließen.
Egal, gutes Lied mit für den Sampler relevanten kleinen Schönheitsfehlern, meiner Meinung nach.

8,5/10

3. Dust Brothers – What Is Fight Club

Es wird zunehmend düsterer. Das erste mal verspüre ich ein gewisses nächtliches Feeling. Es wird einem bewusst das die Sonne gerade untergegangen und man allein ist. Lustigerweise strahlt das Lied trotz eines relativ harten Beats mit Hall und den düsteren Bass-Plänkeleien im Hintergrund auf irgendeine Weise eine gewisse Ruhe aus. Zwar eher eine trostlose denn einer tröstenden Ruhe, aber dennoch erstaunlich. Die Variation gegen Ende nimmt dem Lied dann aber die Ruhe und wühlt einen doch ein bisschen auf.
Ich hatte schon befürchtet das ich wegen des Liedes zu sehr an Fight Club denken müsste (was jetzt nicht heißt das ich den Film schlecht finde), dem ist aber nicht der Fall. Schöner Übergang.

9/10

4. Autechre – Silverside

Der Vorgängersong hat die Düsternis eingeleitet, düster geht es mit Autechre weiter. Während Dust Brother vielleicht nur die Dunkelheit an sich thematisierte, hält bei Autechre auch wieder das urbane Thema Einzug. Verfremdete Sprachsamples lassen einen an entfernte Rufe erinnern, wie man sie mal durchaus in der Stadt hören kann. Der Beat mit begleitenden weiteren Samples lässt Platz für Bilder vom weit entfernten Verkehr und dunklen Häuserblöcken. Das Lied ist auf gewisse Weise gleichzeitig Still und in Bewegung, es klingt gleichzeitig fremd und vertraut. Ich würde sagen das Lied trifft das Thema absolut perfekt.

10/10

5. Porcupine Tree – Yellow Hedgerow Dreamscape

Ehrlich gesagt hätte ich Porcupine Tree nie auf solch einem Sampler erwartet. Steven Wilson versteht es zwar durchaus dunkle Musik zu schreiben, die vielleicht auch ein gewisses urbanes Feeling vermitteln kann, aber mir hat PTs Musik bei allem Gefühl die sie vermitteln immer zu viele „Kopflastige“-Elemente, um sich einfach darin treiben zu lassen und in ihr komplett aufzugehen. Dieses Elemt wird meiner Meinung nach gerade aber nicht nur hier vor allem von der Gitarre represäntiert. So blöde das klingt, aber die ist im Fluss des Samplers einfach zu „kompliziert“ und meiner Meinung nach auch zu präsent. Gerade im zweiten Teil des Liedes wo sie dann noch an Fahrt aufnimmt und die genialen Soundscapes vom ersten Teil verdrängt fällt das tierisch auf und ich kann im Moment einfach an nichts anderes denken. Vor allem ist es zu laut.
Der Song ist gut, keine Frage (sogar ausgezeichnet), aber er fügt dem Sampler in diesem Moment einen unschönen Bruch hinzu. Gerade weil die ersten vier Songs es geschafft haben unglaublich viele Bilder aufzubauen. Schade.

7/10
(Ist das eine Live-Version?)

6. Boards Of Canada – Everything You Do Is A Balloon

Thematisch erinnert mich das Lied nun eher an das Innenleben was man hat, wenn man alleine spazieren geht. An die (vielleicht Anfangs sogar ungewohnte) Umgebung nun langsam gewöhnt, fängt man an, den Gedanken freien Lauf zu lassen und über dies und das nachzudenken, das aufzuarbeiten was einem in letzter Zeit wiederfahren ist oder einen beschäftigt. Der Song schafft es dabei sogar auf irgendeine Weise nostalgische Gedanken zu wecken ohne wirklich selber Nostalgisch zu sein. Sehr ruhig und bedächtig, man hat keinen Streß und keinen Zeitdruck. Die einem ungebende Dunkelheit, nur durchbrochen von wenigen Straßenlaternen und vielleicht einigen Häusern wo noch Licht brennt, hat ihren düsteren Charme abgeschüttelt und verschlingt nicht mehr die komplette Wahrnehmung.
Erstaunlicherweise schafft es das sehr monotone Lied mit relativ wenig Abwechslung trotzdem über die komplette Laufzeit von fünfeinhalb Minuten zu fesseln.

9/10

7. Bowery Electric – Beat

Es folgt eines der sehr wenigen Lieder mit spärrlichem Gesang. Zuerst schwehlt das Lied aber düster vor sich her, ich fühle mich an entfernte Lichter und an eine leere, dunkle Hauptstraße erinnert. Der im Titel versprochene Beat fügt dem Bild dann noch selten vorbeifahrende Autos und ganz selten verwirrt wirkende Passanten hinzu. Der Leise, fast vor sich hin murmelnde weibliche Gesang unterstützt das ganze dann auch weitesgehend und fällt in keinem Fall störend auf.
Dieser Gang an der leeren Hauptstraße dauert aber sehr lange, denn es passiert so gut wie gar nichts. Einzig die Stimmung des Songs drückt auf einem. Die einzige Abwechslung bleiben dann diese beiden genannten seltenen Elemente.
Hier tu ich mich echt schwer mit einer Wertung. Zum einen ist der Song zwar echt passend für den Sampler, aber ich wüsste jetzt nicht ob ich mir das auf Albumlänge geben würde, wenn tatsächlich alle Lieder von Bowery Electric in der Machart wären. Schwere Sache das. Notgedrungen habe ich mich dann entschieden.

8/10

8. Distance – Night Vision

Es kommt wieder etwas Bewegung in den Sampler. Teilweise fremdartige roboterartige Samples mit einem Sprachsample kombiniert lassen mich an einen etwas belebteren Stadtteil denken. Zumindest hat man gerade wieder vorrübergehend ein wenig mehr mit Menschen zu tun. D.h. das man nicht unbedingt in direkten Kontakt mit ihnen kommt, aber das man die Präsenz von Menschen wieder merkt, bzw. das man merkt das eine Stadt nunmal zwangsweise mit Menschen gefüllt sein müsste (zumindest tagsüber).
Auch Verkehrgeräusche spielen wieder eine wichtigere Rolle, sie rücken wieder ins Gedächtnis. Ich würde sagen der Song schafft es ganz gut zu vermitteln das die äußeren Eindrücke wieder überwiegen und man aus seiner Gedankenwelt gerissen wird.

8,5/10

9. Burial – Endorphin

Ich höre: Entfernte Geräusche, wie Stimmen und einzelnes Getrabbel von einsamen Füßen. Noch weiter entferntes nächtliches Leben, was sich zum Beispiel durch ganz, ganz weit entfernte Musi k äußert (lustig das Musik selber das vermitteln kann).
Das Lied klingt so, als ob man die Ohren spitzen würde um wirklich klar zu erkennen und zu trennen was man denn akustisch wahrnimmt. Will sagen ,es klingt nach einer Konzentration weiter von sich weg, nicht mehr auf das umliegende Feld seiner selbst. Auch so, wie durch einen Dämpfer. Mir fällt gerade nichts ein, was sich vom Gefühl her und musikalisch her vergleichen lässt. Selbst das Gefühl in einer Großstadt zu sein, ist noch vorhanden.

9/10

10. Jean Michael Jarre – Oxygene (Part II)

Jetzt wird es im musikalischen Ausdruck wieder ein wenig direkter. Die allgemeine Situation um einen herum ist zwar immer noch die selbe, aber irgendwie tauchen doch neue Elemente auf. Ich fühle mich zwischendurch immer wieder an mal weiter entfernte mal nähere Sirenen von z.b. Polizei-Autos oder Krankenwagen erinnernt oder auch auch an Alarmsignale von Autos, wie Hupen, und den Einbruchssicherungen von Geschäften.
Das schwirren um den Song herum lässt mich auch irgendwie das erste mal an die Luft um einen herum denken, wie drückend die doch bei aller Lebensnotwendigkeit sein kann. Und dieses Lied macht klar, das es sich nicht gerade um eine furchtbar kalte Nacht handeln kann.
Der Song wirkt fast so, als währen alle Geräusche der Stadt eine einsame Komposition, obwohl das Lied noch nicht mal wirklich (merklich) Stadtgeräusche sampelt. Grandios.

9,5/10

11. Jan Garbarek – Molde Canticle, Pt. 1

Jetzt betrete ich wieder musikalisches Festland, da ich mit den ab jetzt folgenden Künstlern sehr viel vertrauter bin, als mit den vorrangegangenen (abgesehen vom Opener).
Solch leiser, etwas verträumter Jazz, mit dem durchbrechenden Saxophon, erinnert mich unweigerlich etwas an alte amerikanische Sitcoms, wo eben jene Musik gerne für Szenenübergänge genutzt wurde, in denen einem die vorgegaukelten Aussenbilder noch mal vorgeführt werden. So muss ich jetzt auch eher an die Stadt als ganzes denken, denn wirklich an einzelne Eindrücke. Ich habe eine etwas, nur vom Eigenlicht erhellte Skyline vor Augen. Obwohl ich alleine unterwegs bin, fühle ich mich nicht einsam, da mir wieder bewusst wirdwie viele Millionen Menschen in so einer Stadt leben können.

9,5/10

12. Bohren & Der Club Of Gore – Darkstalker

Doch auf dieses tröstende, vielleicht etwas fremde Gefühl folgt wieder die Ernüchterung. Nachtsparziergänge kann man in der Form nur wirklich alleine machen. So sehr das Leben um einem herum sich doch abspielt, so alleine ist man auf seinen einsamen verschlungenen Pfaden, die man nur selber kennt (wenn überhaupt). Bei diesem Lied kann man gar nicht allzu viel über die erzeugten Gefühle zumlabern, da es schwer ist sie direkt schriftlich wiederzugeben. Einsamkeit und die Stadt spielen dabeine wichige Rolle. Nicht umsonst habe ich auch auf meinem Sampler für das gleiche Thema ein Lied vom gleichen Album genommen.

10/10

13. Kammarheit – The Starwheel (Counter Clockwise)

Einsamkeit die Zweite. Wieder brodelte es eher in einem selber, als um einen herum. Das Lied ist zwar in keinster Weise aggressiv, vermittelt aber dennoch irgendwie eine gewisse Wut. Seltsam. Durch die Reduziertheit, da doch wieder sehr wenig passiert, lässt sich auch kaum etwas mehr dazu sagen, was nicht eh schon gesagt wurde. Gefallen tut mir das Lied trotzdem.

9/10

14. Aphex Twin – Rhubarb

Obwohl so langsam das Ende des Samplers in Sicht ist, merkt man noch nichts davon. Im Gegenteil, das Lied vermittelt einem eher eine Art Aufbruchsstimmung (ohne Hektik), so als würde die Reise gerade erst losgehen. Man vergisst das man müde oder auch vielleicht kaputt ist und geht immer weiter, dahin wo einen die Füße hintragen. Eine fortführende Suche nach nichts. Sehr ruhig wieder und auch sehr schön.

8,5/10

15. Ulver – Lyckantropen Themes (Part I – IV)

Und diese Reise geht weiter. Somit hat der Sampler kein wirkliches Ende. Keinen Abschluss. Er kommt nirgends an, obwohl er meiner Meinung nach einen Startpunkt hatte. Das macht aber gar nichts. So klingt das ganze etwa so, als ob die Sonne aufgehen würde, man sich aber enscheidet doch noch weiter zu spazieren.
Lustigerweise hab ich durch den Sampler zum ersten Mal dieses Lied im Original gehört. Vorher kannte ich nur die beiden (auch sehr tolle) Remixe von offizellem Tribute-Album. Die 12 Minuten Spielzeit vergehen wie im Flug und es wird auch genügend Abwechslung geboten.

9,5/10

Fazit:

Schlichtweg ein absolut gelungener Sampler. Es gibt zwar eine Ausnahme, die ein ganz klein wenig aus dem Rahmen fällt, die trübt das Gesamtbild aber in keinster Weise. Vielen Dank an Turm für diese Reise.

Ich muss vielleicht noch anmerken, das ich hinterher beim aufschreiben teilweise nicht mehr unterscheiden konnte, was ich denn wirklich von ausserhalb aufgenommen habe und was nur in meinem Kopf passiert ist, so dass das Ganze eine unglaublich subjektive Beschreibung geworden ist, aber ich hoffe das man meine Gedankengänge doch noch einigermaßen gut nachvollziehen kann.