Home › Foren › METAL HAMMER’s Ballroom › Meetingpoint › User vs User › Blitzrunde: Song-Bewertung › Re: Blitzrunde: Song-Bewertung
Her Name Is Calla, ein Bandname, der auf meinem Erinnerungsschrottplatz mit der grundlosen Assoziation einer okayen Post-Rock-Band besetzt ist, könnten gerade dabei sein, ebendort einen besseren Platz zu erlangen. Der überaus stilvolle Anfang von „Dreamland“ klingt ein bisschen so, als hätte man die Fleet Foxes dazu gebracht, mehrere Tage allein im Keller eines feuchten, kalten Kalkwerkes zu verbringen. Oder so, wie ich mir das Bon Iver-Debüt vorstelle. Der Hall einer einsamen Akustikgitarre stößt an die rissigen Wände, davor eine brüchige, hohe Stimme. Die Melodie hat in einem früheren Leben vielleicht zu einer großen, starken Hymne gehört, jetzt kündet sie nur noch davon, dass alles vorbei ist. Gut eine Minute vergeht, abgeschwächte Thrillerstreicher schieben sich aus dem Hintergrund bedrohlich in die Szenerie. Ab ca. 2:20 Minuten glaube ich schon, dass meine Erwartungen erfüllt werden würden, als eine riesige, verzerrte Lärmlawine auf mich zurollt. Den Moment hätten gewöhnlichere Post-Rock-Bands zu einem zugegebenermaßen gelungenen Crescendo ausgebaut, doch hier verflüchtigt sich die Gefahr und schrumpft zum bloßen, gedämpften Geräusch eines vorbeifahrenden Zuges. Die Regelmäßigkeit seines Vorbeikommens ist das Einzige, was diesen Ort mit der Welt noch verbindet, außer dem Kalkwerk und der Bahnschienen gibt es hier nur noch sterbende Bäume und raschelnde, trockene Grasfelder, die sich im Wind wiegen.
Mürbe Gitarrendrones erfüllen als Nachhall den Klangraum, ätherischer Gesang streicht dem Hörer über die Haut. Gegen Mitte werden die Stimmen so viele, wird alles so laut, dass erneut der Zug zu kommen scheint – doch der Klangwall bricht schneller zusammen als der erste, der angedeutete Nadja-Drone löst sich auf im Feedback einer alleingelassenen Gitarre. Mehr als das gibt es auch einige Minuten lang nicht, bis schließlich ungefähr bei der sieben-Minuten-Marke wieder die Akustische ins Spiel kommt. Das Rauschen verschwindet, das Klangbild wird sauberer. In ihrer suggestiven, angedeutet dramatischen Art wirken der Falsettgesang, die Gitarrenmelodie sowie später auch der Kinderchor und die Violine auf mich wie eine Ambientfolk-Version von Martin Grech. Kennt den wer? Na, egal. Der Band bleiben weniger als zwei Minuten, um die Erwartungen zu erfüllen, aber auch, um ein dramaturgisch stabiles Stück zu schaffen…das ist ihnen aber egal. Nachdem die Violinen ein letztes Mal versucht haben, „Dreamland“ irgendwie noch halbwegs aufzurichten, verschwindet es auch schon mit einem Akustikgitarrenausklang im Nichts.
Aber die besten Bilder passen nicht in Rahmen und es muss ja nicht auf alles irgendeine Struktorformel anwendbar sein. Für große Stimmungskunst bekommen Her Name Is Calla von mir acht durch die Feuchtigkeit verursachte Lungenkrankheiten und einen halben Zug.
http://www.youtube.com/watch?v=GX0uXZVafSw
--
trying to leave [COLOR=#808080]a mark more permanent than myself[/COLOR]