Re: Der allgemeine Politikthread

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Leukon

Registriert seit: 14.07.2010

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BahlWas ist an einem Schulddiskurs so schlimm? Was ist daran verkehrt, dass europäische Gesellschaften sich eine – m. E. nicht abstreitbare – Schuld eingestehen? Willst Du etwa Ländern wie Frankreich, Deutschland oder Grossbritannien eine historische Verantwortung bezüglich Kolonialismus absprechen? Und was hat das mit Selbsthass zu tun? Und Du nennst die Formulierung hier zugespitzt, bei etwa vergleichbaren Formulierungen, die in eine Kerbe schlagen, sprichst Du dann schnell von Sticheleien usw. Aber gut, das kann mir letztlich egal sein.

Was die „ungerufene“ Zuwanderung angeht: Warum wird in dem Zusammenhang nicht gefragt, unter welchen Umständen diese „ungerufenen“ Zuwanderer vorher gelebt haben? Ob sie vielleicht andauernd Hunger hatten oder verfolgt wurden? Ich muss auch gestehen, dass ich einfach nicht mehr mitkomme, wenn dann hier von Überflutung gesprochen wird oder davon, dass solch eine Zuwanderung u. a. finanziell nicht tragbar sei. In „unseren“ Ländern hier gibt es doch einen sehr hohen Lebensstandard, den es in den Heimatländern dieser Zuwanderer nicht gibt.

Na ja, und ethnisches Eigeninteresse verstehe ich dann gar nicht. Was soll das?! Was macht es für einen Unterschied, ob jemand aus Land X oder Y kommt, der Ethnie Z oder T angehört?! Warum sollte man wünschen, dass sich die eigene Ethnie nicht mit anderen mischt (das ist doch das, worauf Du hinaus willst?)? Und was der letzte Satz in Deinem Post damit zu tun hat, ist mir auch völlig schleierhaft.

1. Das Konzept der historischen Verantwortung interessiert mich nicht sonderlich. Ich kann mir darunter wenig vorstellen. Wenn damit gemeint sein soll, dass bspw. die heute lebenden weißen US-Amerikaner oder Niederländer in irgendeinem vernünftigen Sinne des Wortes Schuld tragen an Sklaverei bzw. Kolonialismus, und von daher ihre eigenen Interessen in jeder Abwägung mit den Interessen der historischen “Opfergruppen“ hintanzustellen haben, dann ist das schlicht und einfach Quatsch und nicht weiter diskussionswürdig.

2. Die Lebensverhältnisse in vielen Staaten dieser Welt sind – gemessen am Standard der Industrienationen – schlecht. Ich hoffe allerdings, dass dir klar ist, dass man sich als Hungerleider den Schlepper nach Europa nicht leisten kann; das bleibt der Mittelschicht vorbehalten. Jedenfalls: Die Leute kommen, weil sie nach Lebenschancen suchen, die ihnen zuhause fehlen. Wer sollte es ihnen verdenken?
Nur sollte man eben nicht so tun, und das ist leider sehr üblich, dass damit die Diskussion schon zu Ende wäre. Man hat also auf der einen Seite ein legitimes Interesse der Einwanderer herausgearbeitet, an Wohlstand und Sicherheit der europäischen Staaten zu partizipieren.

Aber eigentlich tauchen schon an dieser Stelle die ersten drängenden Fragen auf. Ist das denn überhaupt eine realistische Aussicht? Der Bedarf an unqualifizierten Arbeitskräften mit allenfalls bescheidenen Sprachkenntnissen ist in modernen High-Tech-Nationen äußerst gering. Wie Roland Tichy hervorhebt, landet deshalb ein “großer Teil der arbeitslosen Immigranten in der Illegalität, Schwarzarbeit oder in Mindestformen der Sozialhilfe. Es ist ein Programm der Kriminalisierung einer ethnischen Gruppe ohne Zukunft“.

Ich halte außerdem Gunnar Heinsohns Konzept des youth bulge in diesem Zusammenhang für sehr wichtig: Weltweit werden bis zum Jahr 2020 700 Millionen junge Männer aus youth bulge-Nationen das kampffähige Alter erreichen: Für diese überzähligen Söhne stehen gesellschaftliche Positionen nicht in ausreichendem Umfang zur Verfügung; “niemand kann sie mit Posten versorgen, die ihrem Ehrgeiz, im Leben etwas zu erreichen, Genüge tun könnten. So bildet sich ein gefährlicher Sprengsatz aus zornigen jungen Männern“. Diese überzähligen Söhne rütteln jetzt an den Toren Europas und mit ihnen die Opfer und Verfolgten der aus der demographischen Dynamik resultierenden Bürgerkriege, Genozide und Terrorakte. Es wäre naiv, anzunehmen, dass man all diesen Leuten hier die Perspektiven bieten könnte, die ihnen zuhause fehlen.

Das nur in Parenthese. In einem zweiten Überlegungsschritt muss man sich jedenfalls noch fragen, welche Interessen aufseiten der europäischen Völker in dieser Angelegenheit betroffen sind. Die Analyse eines Interessenkonflikts bedarf einer fairen Abwägung der kollidierenden Belange. An dieser Stelle wird’s dann wirklich komplex, daher skizziere ich nur ein paar Leitlinien der Argumentation.

– Wir leben in Zeiten, in denen die europäisch geprägten Sozialstaaten längst am Rande ihrer Leistungsfähigkeit operieren und immer größere Anteile des Einkommens der schrumpfenden Gruppe der gesellschaftlichen Leistungsträger, also der jungen und intelligenten Leute, beschlagnahmen müssen, um den Betrieb weitergehen zu lassen. Das zunächst mal. Natürlich sind “wir“ vergleichsweise reich, die Frage ist aber: wie lange noch? Einfach mal Herwig Birg lesen. Und ist es nicht seltsam, dass in einem angeblich so reichen Land wie Deutschland jede Polizeistation unterbesetzt ist, es zu wenige Richter und Lehrer gibt, Straßen und Schienen marode werden?

– Wie Vertreter des linksliberalen Mainstreams so gerne betonen, ist es nur zu verständlich, wenn ein “Flüchtling“ lieber in Deutschland oder Schweden als in Somalia oder Eritrea leben möchte. Eigentlich klar. Die modernen Industrienationen haben produktive Volkswirtschaften, funktionierende Institutionen, eine auf einem soliden Alltagsvertrauen basierende, entspannte und offene Geschäfts- und Alltagskultur. Sie bieten ein soziales Netz, das den Einzelnen in Notzeiten nicht im Stich lässt, einen Bürgersinn, der sich in nicht selten aufopferungsvollem ehrenamtlichem Engagement äußert. Kurz: Ein Staat wie Deutschland oder Schweden hat besonders großes Sozialkapital.

Das Dilemma ist nun, dass dieses Sozialkapital in einem engen Zusammenhang steht mit der ethnischen Homogenität dieser Staaten. Das ist ein böser Begriff, ich weiß. Aber es stimmt. Dazu Frank Salter:
“Rising diversity within human societies tends to drive people apart, causing them to take sanctuary in individual pursuits and ethnic communities. The practical consequences are reduced public altruism or social capital, evident in falling volunteerism, government welfare for the aged and sick, public health care[v]and a general loss of trust.[vi] Ethnic diversity is second only to lack of democracy in predicting civil war.[vii]Globally it correlates negatively with governmental efficiency and prosperity.[viii].“

Die römischen Zahlen verweisen auf das Literaturverzeichnis, das hier abgerufen werden kann: https://quadrant.org.au/magazine/2010/6/the-misguided-advocates-of-open-borders/

– Als vorläufig letzten Gesichtspunkt möchte ich noch einmal den schon angeführten Zusammenhang zwischen youth bulges und gewalttätigen Konflikten anführen. Solche Gefahren unbedacht zu importieren, wäre eine historisch beispiellose Dummheit.

– Weitere Aspekte wie etwa genetische Interessen und ökologische Fragen lasse ich jetzt einmal außen vor. Auch darauf können wir gerne noch zurückkommen.

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