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abrakadabrawie die situation formaljuristisch zu beurteilen ist, weiß ich natürlich nicht. trotzdem hielte ich es für unerträglich, wenn es legal wäre für einen ausgebildeten, nüchternen polizisten einer unbewaffneten, gefesselten frau in einer zelle ins gesicht zu schlagen, von der offensichtlich keine ernst bedrohung ausgehen KANN.
vor allem die argumentation mit dem kopfstoß ist der größte schwachsinn, den ich jemals gehört habe – so etwas behauptet nur einer, der lügt. ich habe auch schon mal (einvernehmlich) jemanden gefesselt, und es ist sowas von einfach sich eine gefesselte frau vom hals zu halten, dass ich es gar nicht sagen kann. jemand der das nicht schafft, hat jedenfalls bei der polizei nichts verloren.
Zunächst zur Behauptung, meine Argumentation sei “formaljuristisch“: das heißt so viel wie “äußerlich dem Gesetz entsprechend“. Gemeint ist damit in der Regel, dass eine Entscheidung oder Betrachtung eben nur äußerlich dem Gesetz entspreche. Das ist möglich, keine Frage. Dieses Argument ist aber trotzdem mit Vorsicht zu genießen, denn die Begriffe des Gesetzes sprechen bereits spezifische Interessenkonstellationen an, für die der Gesetzgeber eine Wertung vorgenommen hat. Diese Wertung fordert den Gehorsam der Gerichte.
Das gilt auch für den hier zur Diskussion stehenden Fall. Das scharfe Notwehrrecht des deutschen Strafgesetzbuches basiert auf einer Wertung und Gewichtung der betroffenen Interessen. Ich werde das nur auf ausdrücklichen Wunsch weiter ausführen. Dieser Wertung entspricht die hergebrachte Auslegung des § 32 StGB (Notwehr) präzise. Mit rein formalen Betrachtungen hat das nichts zu tun.
Was die Argumentation mit dem unmittelbar bevorstehenden Kopfstoß angeht, so hat sie der vom Gericht zugezogene Rechtsmediziner – auf der Grundlage eigens durchgeführter Versuchsreihen – jedenfalls für nicht unplausibel gehalten. Es kommt aber im Ergebnis überhaupt nicht darauf an. Auch die persönliche Ehre ist ein notwehrfähiges Rechtsgut, und dieses Rechtsgut wurde durch das Verhalten der Frau gegenwärtig beeinträchtigt (verbale und tätliche Beleidigungen).
Und schließlich: Nein, es ist nicht unerträglich, dass ein Polizist gegen rechtswidrige Angriffe (und seien es Ehrangriffe) Notwehr üben darf. Das Recht braucht dem Unrecht nicht zu weichen.
edit: ich hätte eigentlich auch nichts gegen ein eingeschränktes notwehrrecht gegenüber gefangenen in zellen. für viele leute ist diese situation vermutlich einfach extrem unbekannt, belastend und verstörend, und es wird wohl öfter vorkommen, dass jemand in seiner/ihrer zelle „ausrastet“. ich finde nicht, dass man mit dem verweis auf das notwehrrecht und die abwesenheit der pflicht zu „flüchten“ dafür argumentieren können sollte, eine derartige person niederzuprügeln. was man tun sollte ist einfach aus der zelle rausgehen, und den gefangenen „abreagieren lassen“, es sei denn eine anwesenheit in der zelle ist aus irgend einem grund unbedingt nötig, und ich sehe keinen grund, aus dem das gesetz dies nicht so verlangen sollte. alleine die gesundheitskosten, die durch solche unnötig gewalttätigen aktionen entstehen sind schon ein hinreichender grund – ganz zu schweigen davon, dass derartige handlungen das ansehen der polizei in der gesellschaft nachträglich beschädigen, mit allen konsequenzen. es wäre wirklich eine schande, wenn man in reiseführer über deutschland eine warnung vor der polizei abdrucken müsste.
Warnung vor der deutschen Polizei? Ernsthaft? Und im Übrigen: Ja, es gibt Situationen im Leben, die belastend, vielleicht sogar verstörend sind. Haben wir alle schon erlebt. Es entsteht dann aber kein Übergriffsrecht in die rechtlich geschützten Interessen anderer und auf der anderen Seite auch keine Duldungspflicht.
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