Re: Polizeibrutalität

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Leukon

Registriert seit: 14.07.2010

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Sein Demonstrationsrecht wahrzunehmen ist völlig legitim“, sagt Olja. „Was in Deutschland eine ganz normale Demo ist, wo auch ein bisschen was kaputt geht, das wird in Österreich gleich als Bürgerkrieg empfunden‘‘.

Ohne Worte.

Brigitte Hornyik ist Juristin und Verfassungsrechtlerin. Sie war ebenfalls im Gerichtssaal, als gegen Josef S. verhandelt wurde. Sie sagt: „An sich ist das Versammlungsrecht sowohl in der europäischen Menschenrechtskonvention als auch in der europäischen Grundrechtecharta ein Recht, das jedem Menschen zukommt. Allerdings können die nationalen Gesetze Einschränkungen normieren.“ In Österreich dürfen Ausländer nicht als Veranstalter oder Ordner einer Versammlung auftreten, die Teilnahme an einer Versammlung sei aber nicht auf Inländer beschränkt. Im deutschen Grundrecht ist das [FONT=&amp]Versammlungsrecht dagegen auf Deutsche beschränkt.

Würde mich ja schon interessieren, wieso diese “Verfassungsrechtlerin“ nicht einmal über den Anwendungsbereich der EU-Grundrechte im Bilde ist. Der ist nämlich gar nicht eröffnet, soweit Organe der Mitgliedstaaten nationales Recht anwenden, also zB aufgrund österreichischen Strafrechts gegen einen Versammlungsteilnehmer einschreiten. Und es stimmt zwar, dass das deutsche Grundgesetz die Versammlungsfreiheit als Deutschengrundrecht vorsieht, aber diese Beschränkung wird vom einfachen Recht nicht aufgenommen, vgl. etwa Art. 1 BayVersG: “Jedermann hat das Recht, sich friedlich und ohne Waffen mit anderen zu versammeln“.

Was bedeutet das Urteil für die Demokratie?

Nichts Gutes, sagr die Verfassungsrechtlerin Brigitte Hornyik, die selbst mit gegen den Akademikerball demonstrierte. „Ich frage mich als politisch engagierter Mensch, was das für unsere Ausübung der Versammlungsfreiheit bedeutet“, sagt sie. „Sollen wir ab jetzt zu Hause bleiben? Es könnte ja irgendwo eine Demo eskalieren und wir könnten allein deshalb Gefahr laufen, uns strafbar zu machen.“

Dass die Strafbarkeit wegen Landfriedensbruch direkten Vorsatz im Hinblick auf die aus der Menge heraus begangenen Gewalttaten voraussetzt, spielt hierbei eine ausschlaggebende Rolle. Es genügt also für Landfriedensbruch gerade nicht, dass damit gerechnet werden kann, dass die Demonstration “eskaliert“. Unsere Verfassungsrechtlerin insiuniert dagegen, dass bereits Eventualvorsatz ausreiche.

„Landfriedensbruch ist gerade modern geworden in der österreichischen Justiz“, sagt Maria. Die Juristin Brigitte Hornyik erklärt: „Bis jetzt wurde die Bestimmung des Landfriedensbruchs nur ganz selten angewendet, in den vergangenen vier Jahrzehnten gab es nur wenige Entscheidungen dazu. Normalerweise kommt es im Strafrecht darauf an, dass eine Tat, die mir vorgeworfen wird, wirklich mir zugerechnet werden kann: dass ich jemanden umgebracht habe, dass ich etwas kaputt gemacht habe.

Das ist manchmal so, manchmal aber auch nicht. Es gibt drei dogmatische Kategorien von Delikten, die nicht die Herbeiführung von Verletzungserfolgen bestrafen, sondern schon gefährliches Verhalten (konkrete und abstrakte Gefährdungsdelikte; außerdem die sog. Eignungsdelikte).

Die Bestimmung über den Landfriedensbruch ist weitgehend totes Recht. Der Paragraf stellt es unter Strafe, wenn man ‚an der Zusammenrottung einer Menschenmenge’ teilnimmt. Das kann man wirklich sehr weit auslegen und damit politisches Engagement kriminalisieren.“

Der § 274 ÖStGB stellt es eben nicht schon unter Strafe, an der Zusammenrottung einer Menschenmenge teilzunehmen, sondern nur das Mitmachen bei einer Zusammenrottung, die darauf abzielt, Gewaltakte zu verüben. Und das auch nur bei direktem Vorsatz, s. o. Es ist entlarvend, wenn das als Kriminalisierung von politischem Engagement bezeichnet wird.

Grundsätzlich falle immer mehr auf, dass Polizei und Justiz auf dem rechten Auge blind sind: „Ich müsste gut überlegen, wann sich in Österreich das letzte Mal jemand wegen rechter Gewalt vor Gericht verantworten musste“, sagt Olja. „Im Gegenteil: 2013 stürmten Mitglieder der rechtsextremen Fangruppe „Unsterblich Wien“ ein Vereinslokal, in dem sich Mitglieder einer kommunistischen Gewerkschaft und eines türkisch-kurdischen Kulturvereins aufhielten.

[FONT=&amp]Ein Mann wurde dabei verletzt. Aber die Täter kamen nicht in U-Haft.“

Es ist ein Gaunertrick, “Haltet den Dieb!“ zu rufen, um von sich selbst abzulenken.

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