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andysocialdas gute ist meistens nah, ein freund hat die Come Wearing CD und die Weighing Souls With Sand 2-LP im lager
Sehr fein!
9. Gosta Berlings Saga – Svarta Hål Och Elljusspår
Diese Melodie da…kraxelt die Tonleiter auf und ab, klingt latent nach Fingerübung und geht mir grad doch ein wenig auf die Nerven. Der instrumentale Unterbau kann schon was, wie es sich halt für Musik, die für mein ungeübtes Ohr ziemlich nach eclipsed-Lala klingt, gehört. Die Rhythmusabteilung bringt Spannung rein, der Bass klingt schön funky und greifbar…ach, jetzt weiß ich’s, es ist wahrscheinlich eher das Keyboard, das mich nervt. So ab gut dreieinhalb Minuten rückt Nervfaktor Melodie in den Hintergrund, beim Drumming tritt man auf die Bremse, dafür kommt eine – gefährlich! – Flöte ins Spiel. Das Stück breitet sich im Raum aus, die angedeuteten Melodiebögen stolpern schön psychedelisch übereinander…und da kommt er auch schon, der Höhepunkt. Etwas schwereres Riffing, die Flöte wird malträtiert. Ach, das schließlich doch noch recht positive Fazit muss noch durch diese Melodie vom Anfang vereitelt werden. Doof. 7/10
10. Gregor Samsa – Ain Leuh
Das strukturgebende Instrument ist hier vor allem das Klavier; Der Wind lässt leichte Wellen im kristallklaren Wasser entstehen, die Bewegung im Stück tendiert trotzdem eher gegen null. Dazu gibt es dann noch männlichen/weiblichen Wechselgesang und zuckersüße Streicher und (Konserven)Xylofon, fertig ist das Postrock-Schlaflied. Gut, „Rock“ kann man da eigentlich getrost streichen, aber andererseits ist so eine schläfrige, entspannte Höhepunktlosigkeit jenseits von berechenbaren Aufbauten doch irgendwie auch erfrischend. Für seinen Anspruch ist dieses kleine Stückchen ambientalen Dreampops jedenfalls durchaus recht fein geraten. 7/10
11. Ira – You’re Living All Over Me
Huch, die hatte ich bei meinem letzten Urlaub in Moskau auch am Wickel…Achtkommairgendwas für „The Body and The Soil“ zwischen Sunrise avenue und Britney spears (merkwürdig ungeordneter Laden), keinen Ton von der Band gehört, vorsichtshalber doch im Regal stehen lassen, mal sehen, ob ich das nun bereue. „Dramatischer Riff-Post-Rock“ also…mal sehen, irgendwie gibt es dafür bisher noch keine Anzeichen. Hohe, clean gespielte Gitarrenharmonien, bisschen zurückhaltende Drums dann, es wird wieder so ein Feeling wie beim Boris-Song erzeugt, nur ohne Misstrauen. Wegdösen, sich von der Sonne blenden lassen, Gras, you know. Der Sänger, ich kann mir nicht helfen, klingt irgendwie ein wenig…“deutsch“ (ja nee, ich weiß, dass das Deutsche sind…ist der Typ nicht auch so ein Poetry Slam-Darling?). So gut dreieinhalb Minuten sind jetzt rum, und da kommen sie auch schon, die Verzerrten. Entfernt lässt sich schon Dramatik ausmachen, trotzdem klingt das Ganze noch relativ hell (auch wieder eine Parallele zu „Flood“). Noch – mit dem Gesang wird die Stimmung fließend, fast unbemerkt im Übergang, zunehmend verzweifelter. „Give me some silence“. Das klingt in seiner unordentlichen, zerzausten, unsauberen Gesamtheit nicht ganz „perfekt“ und konzentriert genug für richtig Großes, aber definitiv schön und inspiriert. Ab siebeneinhalb Minuten wird es mit Totenglockenklang und Doom-Riffing noch mal richtig finster, der hektisch-dissonante, aggressive Schlusspart mit rhythmischer Betonung und „Don’t touch me“-Geflüster erinnert mich sogar entfernt – bitte nicht hauen – an Tool. Ira haben es geschafft, den Song so weit seinem Ursprung in eine völlig entgegengesetzte Richtung zu verschleppen, dass man sich am Ende an diesen gar nicht mehr erinnern kann; gut gemacht, Jungs! 8,5/10
12. Körperschwäche – Revelation 6-8
„Körperschwäche“. Vielversprechender Name schon mal. So, Kinder, was erwartet uns denn da? Richtig, Noise. Eher industrialisiert, Rauschen, Scheppern, Feedback, Dröhn. Das Sprachsample ist hier wohl noch der größte, zumindest offensichtlichste harmonische Rettungsanker. Das Stück treibt mich mit zunehmender Spielzeit immer mehr in den Wahnsinn, da es unter Kopfhörer den Eindruck macht, als gäbe es dort in der Hinsicht mehr; eine nachvollziehbare Struktur unter pechschwarzem Brummen und Rauschen, gar sowas Ähnliches wie eine angedeutete Melodie – oder aber, was naheliegender wäre, dieser Klaustrophobie erzeugende Klumpen Horror verursacht bei meiner zarten Seele Wahnvorstellungen. Wenn dem so wäre, bestünde zumindest auf dem Papier eine gewisse Nähe zu Bands wie Nadja und The Angelic Process – wenn dem so wäre, denn dazu ist das Bisschen Restschönheit viel zu sehr zwischen Industriemüll und verklumptem Blut verscharrt. Musik, die mich meist ziemlich ratlos zurücklässt, bei der die Entscheidung zwischen „gefallen“ und „nicht-gefallen“ am Ende, bzw. jedes Mal so sehr irrationaler Zufall ist wie sonst nirgendwo, auf die man sich vollstens einlassen muss – ich denke, ich habe das jetzt gerade schon irgendwie geschafft, aber andererseits kann das Fazit ein anderes Mal auch ganz anders aussehen. 7/10
13. Leech – Inspiral
Uh, da muss ich ehrlich zugeben, dass ich die Band aufgrund der häufigen Erwähnung im Zusammenhang mit Long Distance Calling bewusst links liegen gelassen habe. Wer braucht auch schon die drölfzigste generic Postrock-Kapelle, den drölfzigsten vorhersehbaren Höhepunkt, das drölfzigste kitschige Crescendo. Nech? Ja, eigentlich lag ich mit meinen Vorurteilen gar nicht mal so falsch.
Über den clean gespielten Gitarren schlängelt sich so eine leicht spacige, wabernde Keyboardmelodie, auf jeden Fall Musik, die eher Bilder als Worte in den Kopf zaubert. Mit dem Keyboard kündigt es sich an, dass das Stück sich nun aufrichtet, und da kommen auch schon die Drums. Immer noch schwebend, auf dem Sprung. Es drängt sich das Bild der Schweizer Alpen (Bingo, ich weiß, dass die Schweizer sind) ins metaphernüberflutete Bewusstsein. So ein bisschen druckvoller wird das Drumming grad, der Einsatz verzerrter Gitarren klingt berechenbar und erwartet, euphemistisch ausgedrückt aber auch wunderschön vertraut. Das inszenierte Grande Finale kommt natürlich noch nicht, man hat noch mehr als die Hälfte vom Stück vor sich. Als die Drums so gegen Mitte für einige Zeit aussetzen, hängt man da in den Bergen für einen Moment ziemlich in den Seilen, nachdem sie aber, begleitet vom gebirgsbachklaren Klavierplätschern, wieder einsetzen, weiß der Hörer mit ziemlicher Sicherheit, dass der Song ein Happy End haben wird. Und, hach, da ist es auch schon, das Finale, der Gipfel, whatever – große, selbstbewusste, breitbeinige Riffs, gekonnt episches Keyboardspiel, wuchtiges Drumming, dünne Luft und eine herrliche Aussicht.
Ich habe das Stück genossen. Mehr als zahlreiche andere aus dem Bereich, mehr als vieles auf deinem Sampler, was eigentlich origineller klingt – macht mir jetzt irgendwie ein schlechtes Gewissen, ist aber so. Eigentlich ist „Inspiral“ ja nichts Besonderes. Oder? Leech zelebrieren hier tatsächlich die sprichwörtliche große Freiheit im kleinen Hamsterkäfig und durchbrechen bei mir mit ihrem gefühlvollen und inspirierten Vortrag die 9/10-Schallmauer.
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trying to leave [COLOR=#808080]a mark more permanent than myself[/COLOR]