Re: Ferntanznummern und Nahlenkraketen mit andy und palez oder auch: Sunshine Aesthetics vs. Weltschmerz

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palez

Registriert seit: 04.01.2007

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Ach, Mist. Wenigstens keine sterbenden Elefanten mehr vor der Haustür…*dandy Pistazieneis an den Kopf schmeiß und mich mit verschränkten Armen wegdreh*

Aber ich bin echt positiv überrascht, dass dir Devil Doll offenbar doch gefallen haben, nachdem ich hätte wetten können, dass dir beim Hören deine Hirnmasse in verdünnter Form aus beliebigen Körperöffnungen rauslaufen würde…

Für irgendwie wichtig halte ich es noch, dass das Album 1989 veröffentlicht wurde und die Geisterbahnhexe ein Hexenmeister ist. Tu dir den gefallen und recherchiere mal ein wenig zu der Band im Internet, die Sachen, die da in der Bio stehen, sind teilweise sehr seltsam.

13. Solar Anus – 脳内麻薬

Bands wie Solar Anus finde ich auf Anhieb schon mal sehr sympathisch, denn diese haben offenbar Verständnis für Leute wie mich, die es als größte Hürde beim Verfassen ihrer Reh-Wüüs empfinden, sich einen halbwegs tauglichen Aufhänger aus den Fingern zu saugen. Auch, nachdem ich rausgefunden habe, was sich die Herren bei ihrem Bandnamen gedacht haben, weicht dieses debile Grinsen nicht von meinem Antlitz. „Quadrat Quadrat Quadrat Quadrat“ fängt nach kurz auftauchenden und irgendwie nicht ins Bild pasenden Bläsern irgendwo im Nirgendwo an, ein bisschen so wie der Song von Bardo Pond, nur nicht so zäh und sexy. Drumming und Bassblubbern bilden einen konzentrierten, schnellen, aber jäh in Richtung chinesischer Tröpfchenfolter tendierenden Rhythmus, dessen sture Monotonie Selbstverständlichkeit und Ehrensache ist, aber drumherum passiert ja auch noch was. Wenn man sich gerade darauf eingestellt hat, selbst nach dem kleinsten und fernsten Strohhalm zu greifen, passiert da sogar recht viel. Im Hintergrund, so bilde ich mir das zumindest ein, sorgt ein zu- und abnehmendes Brummen für harmonischen Zusammenhalt, im Vordergrund kreisen zuerst eine, dann mehrere fliegende Untertassen um das sich um seine eigene Achse drehende rhythmische Gerüst. Von Neu! haben die Typen wohl schon was gehört, die sind aber atmosphärisch eine andere Schublade. Eine mir eher liegende Schublade obendrein.

14. Tangerine Dream – Circulation of Events

Tangerine Dream, das ist die Band, die ich immerzu mit Vangelis verwechsle, obwohl doch eigentlich gar keine Verbindung besteht, oder? Jedenfalls weiß ich nicht, woher die Assoziation in meinem Kopf immer kommt, gehört habe ich von beiden bis dato ja auch nichts. Nun könnte ich den freien Platz neben „Tangerine Dream“ mit irgendwas füllen, was aber bei dieser nicht greifbaren Musik ziemlich schwierig ist. Es gibt hier nur dieses Wabern, mehrere Male aus anderen Richtungen, je nach Dichte höher oder niedriger schwebend und sich teilweise überlappend. Es muss einen bestimmt eine große Menge von Nerven kosten, dieses Wabern und Rauschen in fast unmenschlicher Präzision und Langsamkeit zusammenzubringen, bestimmt schlimmer als das Bauen eines Kartenhauses im Windkanal, und die Art, wie dieses Wabern, Blubbern, Rauschen und andere mir suspekte Geräusche immer wieder eine Tonfolge in Aussicht stellen, die als Melodie verstanden werden könnte, diese dann aber nicht einmal streifen, macht mich nervös, aber wenn Musik mich nervös macht, kann das durchaus auch als Kompliment gemeint sein. In der Form könnte man dieses Stück als ganz frühen Vorläufer für Dark Ambient bezeichnen, wobei das Unwohlsein hier noch nicht ganz in Angst übergeht und das Ganze überhaupt hätte basslastiger klingen können. Fiel jetzt stilistisch irgendwie raus, wird aber wohl auch mit einem kleinen Plus dahinter im Kopf abgespeichert.

15. Ton Steine Scherben – Wir müssen hier raus

Dieser Kontrast könnte mich um drei Uhr nachts aus dem Schlaf reißen. Ich weiß zwar, dass das einzige Konzept hinter dieser Anordnung die alphabetische Reihenfolge war, aber die böse Absicht hätte ich dir so gesehen zugetraut. Aber…ja, was soll ich jetzt darüber schreiben. Das geht irgendwie nicht. Ich bin durch alles Mögliche vorbelastet, das nicht einmal etwas mit der Musik der Scherben zu tun hat, und war eigentlich glücklich damit, zu der Band keine Meinung zu haben. Tja, was wir hier hören, ist ein recht lässig dahergroovender und sehr altmodisch klingender Rocksong, leicht melancholisch bei den Keyboardeinsätzen, kraftschöpfend im Refrain, die Beine auf den Tisch legend bei den Soli. Ich werde irgendwie den Eindruck nicht los, dass man dabei gewesen sein muss, um das wirklich genießen zu können, Musik, die einen bestimmten Zeitgeist einfängt, hat aber auch meist ein sehr frühes Verfallsdatum. Dies äußert sich nicht nur im musikalischen Fundament, das in der Form niemand mehr spielen würde und das auch irgendwie nicht mehr wirklich funktioniert, sondern auch an der zwar noch nicht völlig in Büchern erstarrten und als solche noch erkennbaren, aber dennoch seltsam aus der Zeit gefallen scheinenden Alltags- und Jugendsprache Reisers. Vielleicht würde heute auch niemand ohne ironische Brechung dieses ehrlich hoffnungsvolle, naive „Wir sind geboren, um frei zu sein, wir sind zwei von Millionn, wir sind nicht allein!“ singen. Was allerdings auch wieder bezeichnend für die gegen den eigenen Kopf gerichtete Waffe des Zynismus der sogenannten modernen Welt ist, würde ein Ton Steine Scherben-Mitglied jetzt wohl sagen. Manchen Songs steht Älterwerden einfach nicht. Ich höre jetzt das Debüt der Fehlfarben und frage mal so in die Runde: darf ich jetzt immer noch keine Meinung zu den Scherben haben? :/